Kunst und Stadtentwicklung

"Ich will der Stadt beim Lebendigwerden helfen"

In Hamburg entsteht mit der Hafen City ein völlig neuer Stadtteil. Kuratorin Ellen Blumenstein soll das Viertel zu einem Ort machen, an dem Kunst gesehen und gemacht wird. Wie passen Investorenarchitektur und Freiraum für Kultur zusammen?


Ellen Blumenstein, wie lautet eigentlich Ihr Auftrag?

Die Frage die wir zusammen mit der Hafen City GmbH seit 2017 beantworten wollen, ist: Was ist die richtige Art, Kultur als Teil der Stadtentwicklung zu verorten? Es gab in den davor liegenden Jahren zum Beispiel Kooperationen mit Kampnagel oder dem Thalia Theater. Das toll war, wurde aber lediglich als "Außenposten" dieser Institutionen wahrgenommen. Wir agieren aus dem Stadtteil Hafencity selbst heraus, das ist wichtig.

Es ist ein Pilotprojekt, für das es kaum Vorbilder gibt. Wie gehen Sie vor?

Ich habe einen Verein gegründet, auch wenn ich mir eine weniger aufwendige Form gewünscht hätte, aber es ist wichtig: Hamburg ist eine Stadt mit einer sehr intakten Bürgerschaft, man braucht Bürger, die dahinter stehen. Jetzt geht es darum, mit den Mitteln der Kunst und der Kultur die Entwicklung der Hafencity strategisch zu begleiten, ohne dass die Interessen automatisch ökonomischer Natur sein müssen.

Die Hafencity ist ein ganz neuer Stadtteil. Wie ist die Zusammensetzung, an wen richten Sie sich mit ihrem Programm?

Tagsüber ist es sehr belebt, Tausende kommen her. Es gibt hier repräsentative Niederlassungen aus der Hochfinanz, aber auch Greenpeace sitzt hier, Werbeagenturen, ein Teil der Universität, Anwaltskanzleien, Startups. Die Zahl der Anwohner wird in den nächsten Jahren auf 12.000 anwachsen, da die Wohnraum-Projekte als letzte fertig gestellt werden. Und dann gibt es noch die Unmengen an Touristen. Es sind also ungefähr fünf sehr verschiedene Benutzergruppen, die sich für gewöhnlich nur im Supermarkt treffen. Das wollen wir ändern. Unser Projekt mit Terence Koh und seiner Bienen-Kapelle leistete das zum Beispiel, da kamen Büroleute, Kunstfreunde, Migranten, Anwohner.

Was kann man über eine Steigerung der Besucherzahlen hinaus noch bewirken?

Es gibt messbare Erfolge wie eben die Besucherzahlen. Aber mir ist auch wichtig, der Stadt beim Lebendigwerden zu helfen. Das geht viel weiter, als nur Attraktionen zu schaffen. In der Kunst kann man im Imaginären arbeiten. Hamburg definiert sich immer noch als "Tor zur Welt". Darum machen wir im Sommer einen Ausstellungsparcours mit dem Titel "Die Pforte". An den sechs Stationen des alten Freihafens werden Neuproduktionen von Künstlerinnen und Künstlern gezeigt, die auch mit den inneren Strukturen dieser Stadt zu tun haben.

Sie gehen auch in die unsichtbaren Bereiche.

Für ein Projekt mit dem Hamburger Künstler Gerrit Frohne-Brinkmann haben wir eine Genehmigung in der Tiefgarage bekommen. Er wird da eine rätselhafte Jahrmarkt-Architektur installieren, die vom Kunstpublikum aufgesucht wird, aber von vielen auch nur beiläufig gesehen werden wird, und möglicherweise auch nur ein Mythos bleibt. Er lässt historische Zeichungen von Unterwasserwelten von einem sehr versierten Airbrush-Künslter auf eine Art Schaubuden-Architektur malen. Das Wasser ist hier zwar allgegenwärtig, aber was sich da im Verborgenen befindet, ist unsichtbar. Die Tiefgarage ist der passende Ort dafür.

Sind Sie als Verein sich auch sichtbar in der Hafencity, haben Sie eine Adresse, einen Versammlungsort?

Seit Kurzen! Zuvor haben wir von einem sehr schönen Schiff aus gearbeitet. Aber jetzt gibt es unser Büro, in dem wir regelmäßig unsere Reihe "Tischgespräche" veranstalten. Wir laden Leute ein, von denen wir uns Feedback erhoffen, und mit denen wir teilweise auch gemeinsam etwas entwickeln. Aktuell machen wir eine App, mit der wir versuchen, den privatisierten und öffentlichen Raum so zu nutzen, dass er nicht nur eine zurückzulegende Strecke zwischen zwei Punkten darstellt. Da ist dann auch ein Anwalt dabei. Es geht uns auch darum, Dinge auszuprobieren, die von den Planern nicht geplant wurden.