Johan Holten

"Schwierig, alle Interessen unter einen Hut zu bringen"

Herr Holten, herzlichen Glückwunsch zur neuen Aufgabe. Abgesehen von personellen Änderungen und Preisverleihungen hört man doch recht wenig von dem „Dach- und Fachverband“ ADKV. Woran liegt das?
Man muss sich klarmachen, dass die Rolle der ADKV eigentlich nicht darin besteht, selbst präsent zu sein, sondern seinen Mitgliedern, den Kunstvereinen, zur Sichtbarkeit zu helfen. Hinzu kommt die prekäre finanzielle Lage des Verbands. Erst seit acht Jahren wird er überhaupt professionell geführt, vorher waren die Mitarbeiter dort nur ehrenamtlich tätig. Dank der Führung hat sich die Lobby- und Pressearbeit in den letzten Jahren erheblich verbessert. Kürzlich haben wir etwa zu den angekündigten Mittelkürzungen beim Künstlerhaus Stuttgart und dem Württembergischen Kunstverein Stellung bezogen und arbeiten gerade an einem Überblick der Finanzierung aller Mitglieder, um entsprechend reagieren zu können bei weiteren angedrohten Kürzungen.

Sie würden also Ihrem Kollegen vom Hamburger Kunstverein, Florian Waldvogel, widersprechen, der unlängst behauptete, die ADKV sei überflüssig?
Florian Waldvogel ist seit September dieses Jahres selbst im Vorstand tätig. Darüber freue ich mich sehr. Ein Verband muss ein Forum sein, in dem unterschiedliche Bedürfnisse gehört werden. Es gibt immer Verbesserungsmöglichkeiten. Zumal auch zwei verschiedene Arten von Kunstvereinen bei uns organisiert sind: die professionellen und die ehrenamtlichen. Deren Interessen unter einen Hut zu bringen, ist manchmal schwierig. Es kann sein, dass der Verband sich in der Vergangenheit zu sehr auf die ehrenamtlichen Vereine konzentriert hat – diese machen aber auch einen Großteil unserer Mitglieder aus.

Herr Waldvogel wollte eine Art Gegenverband gründen – ist dieses Vorhaben obsolet geworden?
Ich gehe davon aus. Wenn man sich bereit erklärt, in einem Vorstand mitzuwirken, bastelt man nicht gleichzeitig an anderen Verbänden, die diese Tätigkeit untergraben.

Florian Waldvogel wünschte sich von der ADKV, dass man auf zeitgemäßere Aufgaben reagiert. Welchen neuen Herausforderungen steht der Verband gegenüber?
Alle sprechen gerne von der langen Tradition der Kunstvereine. Ich finde es aber wichtig, diese Tradition nicht statisch aufzufassen, sondern sich darauf zu konzentrieren, wie diese Idee des 19. Jahrhunderts in das 21. Jahrhundert übersetzt werden kann. Dabei muss man dann auch die Art der Aufgabenlösung anpassen und verbessern, denn das Umfeld hat sich natürlich radikal verändert – obwohl man doch der gleich Grundidee treu bleibt. Darin soll die ADKV ihre Mitglieder, die Kunstvereine, unterstützen. Auch ganz praktische Informationen wie Steuertipps oder Bewerbungsmöglichkeiten gilt es miteinander zu teilen. Die grundsätzliche Aufgabe ist es aber, die Aufmerksamkeit für diesen einzigartigen Institutionstypus zu wecken. Damit auch die deutsche Öffentlichkeit sich bewusst wird, wie einmalig und schützenswert diese volle Landschaft von zivilgesellschaftlichen Kunstvereinen quer durch das Land ist. Das Beispiel Stuttgart zeigt, wie wichtig dieses Bewusstsein ist. Viele Anfragen zur Struktur von Kunstvereinen kommen auch aus Asien oder dem Rest Europas, besonders Osteuropa. Ein Manko ist da noch, dass unsere Informationsmaterialien und vor allem die Website nur auf Deutsch vorliegen. Da arbeiten wir gerade dran.
 
Der klassische Aufgabenbereich der Kunstvereine ist die Stärkung von Gegenwartskunst. Wird die Aufbauarbeit für junge Künstler nicht längst von Galerien getragen?
Viele Künstler sind in jungen Jahren noch nicht marktfähig und werden deshalb nicht von diesen Galeriemaschinen getragen. In Hinblick auf dieses Segment sind die Kunstvereine sogar noch wichtiger als in den 80er- und 90er-Jahren, als diese schnelle Durchsetzungsfähigkeit junger Kunst noch keine so große Rolle spielte. Hinzu kommt, dass in Kunstvereinen neue Ausstellungsformen getestet werden können, die natürlich manchmal auch schiefgehen. Auch in Hinsicht auf eine solche Produktion von Wissen durch Ausstellungen leisten Kunstvereine eine enorm wichtige Aufgabe, die vom kommerziell geprägten Betrieb nicht übernommen werden kann.

In vielen Städten arbeiten aber auch die Kunsthallen an denselben Zielen – eine Konkurrenz für die Kunstvereine?
Auch Museen gründen Projekträume für junge Kunst, mischen also in Bereichen mit, die klassischerweise den Kunstvereinen gehören. Man kann das auch als eine Bestätigung sehen: die ureigene Aufgabe der Kunstvereine wird nun als zukunftsweisend von den größeren Institutionen erkannt. Die Institutionsformen mischen sich immer mehr. Gerade deshalb sollten Kunstvereine von der Stadt und den Mitgliedern getragen werden: um der eigenen Rolle treu zu bleiben und sie klar zu definieren. Um sich gegen Blockbuster und Retrospektiven einerseits und große Galeriemaschinen anderseits zu behaupten. Und darauf zu bestehen, dass eine bestimmte Art von (noch) nicht marktfähiger Kunst auch im 21. Jahrhundert ein Forum braucht.
 
Dennoch bröckelt das klassische Bildungsbürgertum – die Schicht, die die Kunstvereine trägt ...
Mitgliedersuche ist unbedingt ein Thema. Da will die ADKV auch helfen. Wie haben kürzlich in Heidelberg eine Mitgliederumfrage gestartet und die Daten auch anderen Kunstvereinen zur Verfügung gestellt. Junge Menschen kommen zu den Eröffnungen – aber werden nicht mehr so ohne weiteres Mitglied. Hier ein Interesse zu wecken und auch einem jüngerem Publikum klar zu machen, dass es sich auch aus ideellen Gründen lohnt, Mitglied eines Kunstvereins zu werden, dabei soll auch der Dachverband mit übergeordneter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit helfen.
 
Informationen zum ADKV  unter www.kunstvereine.de