Interview mit Max Hollein

"Museen wie das Met sind wichtiger als je zuvor"

Das New Yorker Metropolitan Museum hat seinen berühmten Rockefeller-Flügel mit afrikanischer, ozeanischer und lateinamerikanischer Kunst neu eröffnet. Hier spricht Direktor Max Hollein über die kuratorischen Veränderungen und sein Museum unter Trump

Das Met in New York feiert die Neueröffnung ihrer Sammlung afrikanischer, ozeanischer und lateinamerikanischer Kunst mit großem Aufwand und Co-Gastgebern aus Neuseeland, Mexiko und dem Senegal. Fünf Jahre lang und mit der enormen Summe von 70 Millionen Dollar, davon 14 Millionen von der Stadt New York, wurde der sogenannte Rockefeller-Flügel nicht nur renoviert, sondern auch neu konzipiert - ein delikater Balanceakt inmitten der Debatte um Dekolonisierung, Provenienz und Restitution. Wir haben dazu ein Gespräch mit Museumsdirektor Max Hollein geführt.


Herr Hollein, der Rockefeller Flügel wurde nicht nur renoviert, sondern auch "re-imagined" - was man mit "neu konzipiert" übersetzen könnte. Was bedeutete das für die Sammlung?

Vor rund 40 Jahren, als der Rockefeller Wing eröffnet wurde - und die Basis davon war eben die große Sammlung von Nelson Rockefeller über diese drei großen Kulturen - war das sicherlich ein Meilenstein in der Geschichte dieses Museums, vielleicht aber auch in der Geschichte von großen enzyklopädischen Institutionen überhaupt. Denn zum ersten Mal wurde die Kunst Afrikas, die Kunst Ozeaniens, die Kunst aus Lateinamerika in einem Museum wie dem Met nicht nur aufgenommen, sondern auch auf derselben Ebene zelebriert und gesehen wie andere Kulturen, zum Beispiel die griechische und die römische. Und jetzt, über 40 Jahre später, wollen wir natürlich diese Geschichte fortsetzen. 

Aber anders?

Wir haben nicht nur sehr viel mehr über diese Kulturen gelernt, wir wissen auch, dass wir unsere Perspektive fundamental erweitern müssen. Schon allein über die Kunst Afrikas, die vor 40 Jahren mehr als eine einzige Region gesehen wurde, wo wir in der Neuaufstellung natürlich deutlich die verschiedenen Regionen, die verschiedenen Kulturen hervorheben, wo wir insbesondere aber auch den Künstler selbst in den Vordergrund rücken. 

Wie das?

Wie im europäischen Mittelalter kennen wir oft den Namen nicht, aber wir können sehen, wer diese Werke gemacht hat und welche Kontexte wir damit herstellen können. Es geht aber auch darum, die Werke in der bestmöglichen Weise zu zeigen und die neuesten Informationen über Provenienz zu haben. Um das zu tun, haben wir nicht nur sehr eng mit vielen Kollegen zusammengearbeitet, sondern auch mit anderen Künstlern, Autoren und Gelehrten aus den verschiedenen Regionen. Insofern ist das Ganze eine Präsentation, die von der großen Zusammenarbeit geprägt ist, von vehementem Austausch, aber auch, und ich glaube, das ist ganz wichtig, von großem Stolz darüber, dass das hier in dieser Form des Austauschs im Met gezeigt wird; mit dieser Form des Respektsdes Wissens und der Information.

Das konnte man sehr genau bei dem senegalesischen Dichter Baaba Maal spüren, der beim Festakt auf den Zusammenhang zwischen der Ausbildung von Künstlern in seinem Land und den fehlenden Mitteln dafür hingewiesen hat. Das Met ist da natürlich in einer anderen Position und spielt auch eine andere Rolle. 

Das Met ist kein Nationalmuseum. Wir sind ein Weltmuseum im besten Sinne. Diese Künstler haben eine sehr enge lokale Verbundenheit. Sie dürfen aber nicht nur lokal gesehen werden, weder physisch noch interpretatorisch. Das ist etwas ganz Wesentliches, was auch in der Form der Präsentation, aber auch einfach in der Möglichkeit, die das Met bieten kann, hervortritt. Das war ein ganz wesentlicher Beweggrund, dass nahezu alle der wesentlichsten Forscher, der wesentlichsten Kollegen aus den jeweiligen Regionen und Ländern mit uns zusammengearbeitet haben, um das hier weiterzuentwickeln.

Gab es eine Diskussion, ob die Kunstwerke rechtens hier sind? Sie haben in ihrer Eröffnungsrede über Urheberschaft gesprochenWem gehört eigentlich die Kunst, und sollten diese Kunstwerke nicht besser dort gezeigt werden, wo sie herkommen

Das ist natürlich eine große und breite Diskussion, die jetzt seit Längerem geführt wird. Ich glaube, dass sie man die verschiedenen Facetten sehen muss. Viele der Objekte, die hier sind, sind de facto gemacht worden, um weiterzureisen. Andere sind fast schon Botschafter ihres Landes. Andere sind Objekte, die an ihrem Ursprungsort quasi nie dafür gedacht gewesen waren, als Objekte "weiterzuleben", sondern Teil eines Rituals waren, über das Entstehung und Vergehen. Was uns wichtig ist: dass die Integrität und die Authentizität sowohl des Werks als auch des Autors in aller Form gewährleistet ist. Die Form aber, wo es ist und in welcher Form es sowohl die künstlerische als auch die kulturelle Kraft weiter entfalten kannist eine andere Frage. Ich glaube, die können wir hier sehr gut und sehr positiv beantworten. Und genau so wird es auch gesehen. 

Haben Sie schon mal daran gedacht, ähnlich wie das Louvre und das Guggenheim Ausläufer in anderen Ländern zu betreiben, um diese Kunst dort zu zeigen? 

Nein, das machen wir nicht. Ich glaube, dass New York ein guter Ort dafür ist. Einmal, weil an diesem Ort viele Kulturen zusammenkommen. Man darf nicht vergessen, dass die Artefakte für viele Mitglieder der Schwarzen Bevölkerung kulturelles Erbe sind. Schauen Sie, wie viele mexikanische Kollegen hier sind. Und unsere Kuratoren kommen aus 60, 70 verschiedenen Ländern. Wir sprechen 130 verschiedene Sprachen hier.

Machen Sie sich im Moment Sorgen - mit dieser Trump-Regierung, die die Kunstfreiheit angreift?

Wir sind eine private Stiftung. Wir sind ein Museum, das sich in dem Sinne ganz breit mit der Welt verbindet und der Welt verbunden ist. Und insofern ist unsere Aufgabe, besonders auch in der heutigen Zeit, ein Ort der Zusammenkunft zu sein, ein Ort des Verständnisses und der Begegnung der verschiedensten Kulturen als eine große Community. Deshalb glaube ich, dass Museen und besonders ein Museum wie das Met, gerade in der jetzigen Zeit noch wichtiger als je zuvor sind. Wenn wir von einem Umfeld umgeben sinddas sehr stark in Grenzen und besonders auch in nationalen Grenzen denkt, steht das Met natürlich genau auf der anderen Seite des Spektrums.