Fokus Südafrika: Siemon Allen

"Einige Spuren südafrikanischer Geschichte findet man eher in London als in Durban"

Sie haben Südafrika vor 14 Jahren verlassen. Warum nur?

Ich bin in Durban aufgewachsen, und dort habe ich an der Kunsthochschule meine zukünftige Frau kennengelernt, eine Amerikanerin, die dort lehrte. Danach hatte ich die Möglichkeit in Richmond, Virginia, zu unterrichten. Dort wohnen wir jetzt gemeinsam.

Und aus Heimweh haben Sie begonnen, Zeugnisse südafrikanischer Geschichte zu sammeln?

Ich habe mit dem Sammeln schon in Afrika angefangen, 1993. Ich stellte damals Artefakte meiner Kindheit und Jugend aus: Kinderbücher, meine Briefmarkensammlung, ein paar R.E.M.-CDs, Doc-Martens-Schuhe, solche Geschichten. Ich wollte davon erzählen, was es bedeutet, in Südafrika aufzuwachsen. Aber es stimmt schon, als ich dann in Amerika wohnte, habe ich alle südafrikanischen Schallplatten und Bücher gekauft, die ich in die Hände bekommen habe. Plötzlich hatte ich ein wachsendes Archiv mit kulturellen Artefakten.

Gibt es so viel Südafrika in den USA?

Ja, es lebten so viele ANC-Aktivisten während der Apartheid dort. Die Initialzündung war diese Platte von Miriam Makeba aus dem Jahr 1965, die habe ich in einem Trödelladen gefunden. Auf deren Hülle war ein politischer Text abgedruckt, der mich bewegt hat, und da wollte ich dann alle ihre Alben haben. Ich fand toll, wie sie ihre Anti-Apartheid-Botschaften in die Welt trug – auf Platten mit Millionenauflage. Ich wollte diese Botschaft dokumentieren und zurück nach Südafrika bringen. Wenn ich in meiner Heimat bin, gehe ich gerne auf Flohmärkte. Aber es scheint, dass das interessante Zeug aus den 50er- und 60er-Jahren eher im Ausland überlebt hat. Man findet einige Spuren südafrikanischer Geschichte eher in London oder New York als in Durban.

Woran liegt das?
Vielleicht daran, dass Südafrikaner im Ausland den Dingen aus ihrer Heimat mehr Bedeutung schenken? Es kommt immer auf den Kontext an – und darum geht es auch in meiner Arbeit. Bei manchen Objekten, die ich sammele, ist auch ein wenig Nostalgie dabei. Zu anderen Dingen habe ich hingegen keine intensive Verbindung. Es gibt Platten, da interessiert mich nicht einmal die Musik, die darauf ist, sondern nur die Geschichte des Gegenstandes. Oder sie gehört einfach in mein Archiv. Manchmal ist eine Platte auch visuell interessant, sie ist verkratzt oder hat ein seltsames Cover.
 

Sie machen die Arbeit eines Museums ...
Ein wenig schon. Natürlich bin ich nicht ausgebildet und ausgerüstet wie eine professionelle Institution. Mein Hauptziel im Moment ist, eine Website aufzubauen, als Archiv für südafrikanische Musik und andere Audiodokumente – etwa Sportkommentare oder politische Reden. Meine Plattensammlung – ich besitze allein 600 Schellackplatten – möchte ich irgendwann einer südafrikanischen Institution überlassen.
 

Manche Platten, die sie sammeln, sind sehr selten. Interessiert Sie auch dieser Aspekt?
Es ist ein interessantes Moment. Jetzt habe ich von einigen Platten Scans gemacht, die ich ausgedruckt und auf Leinwand aufgezogen habe. Ich mache aus seltenen Platten limitierte Print-Auflagen. Das Matroschka-Prinzip.
 

Meistens aber arrangieren Sie die Objekte selbst in aufwendigen Installationen ...
Ich bin als Bildhauer ausgebildet, da ist es mir wichtig, das taktile Erleben der Objekte zu ermöglichen. Manchmal ist es aber auch eine Bürde, mit dem Material selbst zu arbeiten. Viele Dinge, die ich sammle und ausstelle – Briefmarken, Zeitungsartikel, Plattenhülle, Sammelkarten, Comics – , bestehen aus Papier, das konservatorisch gesehen sehr anspruchsvoll sein kann.
 

Sehen Sie sich eigentlich als südafrikanischen Künstler?
Vor allem in den Staaten werde ich als Südafrikaner betrachtet. Und meine Arbeit ist komplett mit diesem Land verbunden. Obwohl ich mir der Ironie bewusst bin, dass ich in Amerika lebe und mich permanent mit Südafrika beschäftige ...

Mehr zu den Archiven des Siemon Allen unter www.siemonallen.org