Ist nicht das eigene Leben so banal? David Shrigley antwortet schmerzhaft, schön, bitter

Ihn zu lesen ist, als sehe man unverhofft das eigene pickelige Porträtfoto im alten Ausweis: Es paaren sich zustimmendes Erkennen und kalter Grusel. Da ist zum Beispiel dieser Cartoon mit dem Titel „Künstler über ihre Arbeit“: „Ich male meine Bilder nicht selbst, ich lasse sie von ein paar behinderten Kindern malen“, steht in der Sprechblase neben dem ersten gezeichneten Wicht.
„Ich verwende oft gefundene Materialien, meine letzte Arbeit sind 50 Paar Kinderschuhe, alle identisch, die ich in einem Wohltätigkeitsladen gefunden habe. Sie sind absolut brillant und haben nur 30 Pfund gekostet“, erklärt die hingestrichelte Frau darunter. Und der Letzte sagt: „Ich streife am Wochenende durch die Kneipen, fange absichtlich Streit an und lasse mir die Fresse polieren, während ein Freund von mir mithilft.“
„Schluck“, steht da sofort in der Denkblase über dem eigenen Kopf: Hat man nicht selbst auch schon mal solche Zynismen peinlicherweise mit Kunst verwechselt? Ist nicht überhaupt das eigene Leben so banal wie das der armen Strichmännchen in Shrigleys Welt, die ständig mit der endlosen Fallhöhe zwischen existenziellen Fragen und ärmlichen Scherzen gequält werden?
Doch zum Glück hat Shrigley auch Trost parat: Im tiefen Tal von Scham, Scheitern und Banalität ist man schließlich nie allein. Denn da sitzen zum Beispiel schon die „Männer im Loch“, die sich gegenseitig zuraunen, wie super es ihnen dort unten geht, so ganz ohne Frauen. Wenn man dann rauskommt aus den schwarzen Löchern, dann nur, um in einer schlampig gezeichneten Glaskugel seine Zukunft zu lesen: „Arthritis“.
Das Leben schmeckt bitter in den Zeichnungen, Cartoons und Sprüchen des 1968 geborenen Schotten, und genau dafür liebt man ihn. In letzter Zeit hat Shrigley, der auch schon Videos für Blur oder Will Oldham animierte und Plattencover gestaltete, sich seinen festen Platz im Ausstellungszirkus von Kunsthallen und Museen erobert: mit Installationen, die ähnlich schwarzen Humor und trockene Pointen aufweisen wie seine Cartoons und Zeichnungen. Doch Papier und Filzstift scheinen immer noch die Arbeitsmittel für diesen Meister des Understatements.
So darf sich die Monografie mit Zeichnungen und Fotografien, die jetzt bei Eichborn erschienen ist, mit allem Recht als „The Essential David Shrigley“ bezeichnen. Mit ihr hat man genau den Shrigley in der Tasche, den man braucht.

David Shrigley: „Äh ... was machst du da eigentlich?:The Essential David Shrigley“.Eichborn, 352 Seiten, 24,95 Euro