Fünf Fragen an Takashi Murakami

"Japaner haben in fast allen Bereichen aufgegeben"

Der japanische Popkünstler ist jetzt auch Galerist – und verkauft Töpferware aus seiner Heimat. Keramikkunst sei ein Weg aus der Krise, sagt er im Monopol-Interview. Aber auch Kunsthandwerker brauchen Geld

Takashi Murakami, Sie arbeiten mit einem großen Stab von Mitarbeitern, drückt sich in Ihrem Interesse für japanisches Kunsthandwerk die Sehnsucht nach Einfachheit aus?
Nein, darum geht es nicht. Einer meiner liebsten Töpferkünstler ist Rosanjin. Er hatte eine Fabrik, in der viele Leute arbeiteten. Er gründete ein sehr erfolgreiches Restaurant und verstand sich gut mit den Stars. Auch sein Management und sein Produktionsapparat waren bemerkenswert. Aber seine Kunst ist unglaublich! Jeder hasste ihn, aber alle liebten seine Arbeiten. Ich habe viel von seiner Lebensweise gelernt.

Hat das Interesse an Keramik auch Ihr eigenes Werk beeinflusst?
Meine Werke bezogen sich auf japanischen Anime-Stil, heute gibt es Reverenzen an asiatische Meister. Ich genieße die Missverständnisse, die auftauchen, wenn man alte Kunst mit zeitgenössischen Mitteln bearbeitet. Es ist ein bisschen wie mit dem berühmt gewordenen Fresko, das eine spanische Rentnerin restaurieren wollte: Das Ergebnis ist lustig und süß und einfach ohne Bedeutung. An so etwas arbeiten wir im Atelier auch gerade. Ich möchte viel Zufall in meinem Werk zulassen. Und darum geht es auch in der Keramikkunst.

Umgekehrt verstehen die Töpferkünstler Sie nicht unbedingt, oder?
Sie kritisieren den Kapitalismus und meinen, sie würden kein Geld brauchen. Ich erkläre ihnen: „Ich akzeptiere eure Philosophie, aber dennoch braucht ihr Geld, etwa für die Renovierung des Brennofens.“ Nach einem Jahr, nach zwei Jahren geben sie zu: „Ja, wir brauchen Geld.“ Also treten wir in eine Geschäftsbeziehung. Hier geht es nicht um Kreativität, das ist ein Handel: Ihr kriegt eure Renovierung, ich bekomme Werke von euch. Schrittweise verstehen die Künstler, dass ich sie nicht betrüge. Für Japaner ist es unverständlich, warum für meine Werke bei Auktionen so hohe Preise bezahlt werden. Aber diese Preise sind nicht von mir, sondern von einem seltsamen Markt gemacht.

Japanische Keramik ist sehr von Tradition bestimmt, beobachten Sie dennoch Entwicklungen?
Das Platzen der Wirtschaftsblase 1990 brachte große Veränderungen. Während des Booms gab es Stücke für 200 000 Dollar zu kaufen. Heute sind schon 200 Dollar für eine Arbeit zu weit weg von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Wissen Sie, die Japaner haben kein Selbstbewusstsein mehr und in nahezu allen Bereichen fast aufgegeben, vor allem die jungen Leute. Sie schließen sich in sozialen Netzwerken zusammen, aber was dort passiert, halte ich nicht für tief gehende Kommunikation.

Keramik ist dann auch ein Weg aus der Krise?
Die Künstler umarmen die Armut und wollen sich von den wirtschaftlichen Bedingungen befreien, auch wenn sie keine Statements abliefern. Aber sie fangen an, über Geld nachzudenken. Wenn Töpferkünstler älter als 60 werden, sind sie körperlich kaum mehr in der Lage zu produzieren. Jetzt fragt mich auch die jüngere Generation nach Rat, wie man mit der Zukunft umgeht.

 Takashi Murakami betreibt unter anderen die Galerie Hidaro Zingaro in Berlin