Vienna Contemporary

"Die Erwartung an eine Kunstmesse hat sich geändert"

Foto: © Vienna Contemporary/Elsa Okazaki
Foto: © Vienna Contemporary/Elsa Okazaki
Christina Steinbrecher-Pfandt, künstlerische Leiterin der Vienna Contemporary

Am Sonntag ging die diesjährige Vienna Contemporary mit über 30.000 Besuchern zu Ende. Es war die letzte Ausgabe der Kunstmesse, die von Christina Steinbrecher-Pfandt als künstlerische Leiterin verantwortet wurde. Im Monopol-Interview zieht sie Bilanz

Christina Steinbrecher-Pfandt, wie würden Sie die Messe in drei Worten beschreiben?
Eine unikale Messe, eine Boutique-Messe. Wir sind sehr persönlich und legen sehr viel Wert auf den Service für unsere Galerien und Sammlern. Das wird jedes Jahr eine größere Herausforderung. Wir könnten unser VIP-Programm eigentlich doppelt anbieten, weil die Nachfrage danach so groß ist. Besonders die Führungen und Hausbesuche werden sehr gut angenommen.

Für Sie war dies die letzte Aufgabe unter Ihrer künstlerischen Leitung, bevor Sie in die USA gehen. Was hat sich in den sieben Jahren verändert und entwickelt, was ist ihr Ré­su­mé?
Erst einmal hat sich global etwas in der Kunstwelt verändert. Der Markt hat sich radikal gewandelt, aber für uns zum Besseren. Vor sieben Jahren hätten sich alle eine zweite Art Basel vor ihrer Haustür gewünscht, heute ist die Erwartungshaltung eine ganz andere, auch seitens Journalisten. Es geht viel weniger um große internationale Namen, sondern um die künstlerische Qualität aus der Region. Heute sagen Journalisten und Sammler, sie kommen nach Wien, weil sie hier etwas anderes sehen und viel Neues entdecken können.

Und was hat sich in Wien getan?
Bei uns haben sich vor allem die Konstanz und die Sicherheit geändert. Seit diesem Jahr haben wir einen Vertrag für die kommenden zehn Jahre in der Marx-Halle, außerdem einen festen jährlichen Termin. Das war lange Zeit nicht so. Wir haben eine super lokale Szene, die mitzieht und die Vienna Contemporary unterstützt. Und sie wächst weiter: Es haben viele Galerien aufgemacht in letzter Zeit. Die Frage, ob Wien eine Messe braucht und ob Osteuropa eine Messe braucht, stellt sich gar nicht mehr. Wir haben sie gemeinsam beantwortet.

Der Fokus auf die Brücke zwischen West- und Osteuropa war ja von Anfang an Ihr Alleinstellungsmerkmal. Hat sich das bewährt?
Absolut. Wir sind dabei geblieben, und das internationale Interesse daran ist auch stärker geworden in letzter Zeit, auch in den großen Institutionen. Dieser Schwerpunkt ist unsere Kernkompetenz. 

Was unterscheidet die Vienna Contemporary noch von anderen Messen?
Über die Zeit hat sich die Zusammenarbeit mit den Institutionen in Wien gut entwickelt. Das Vertrauen ist gewachsen. Alle erkennen, dass die Messe größer ist als jeder einzelne von uns. Viele Personen und Interessen müssen sich auf eine Sache einigen.

Was waren Ihre Messe-Highlights in diesem Jahr?
Wir haben die Spanne der Länder, die vertreten sind, besonders aus Osteuropa, sehr breit gefächert. Darauf bin ich stolz. Teilnehmer aus Serbien und Kroatien waren dabei, einige aus Rumänien. Außerdem gab es natürlich ZONE 1, unsere kuratierte Sektion für junge österreichische Künstler oder Künstler, die hier ausgebildet wurden. Und die Explorations, die kuratierten Stände einzelner Galerien, die waren einfach stimmig und gaben dem Ganzen noch mal einen anderen Flow. 

Dieses Jahr lag der Fokus auf Armenien.
Wir zeigten junge armenische Künstler. Sie sind durch das Programm der Armenian Art Foundation gegangen und haben Unterstützung bekommen, um die Arbeiten zu produzieren. Das ist auch das Besondere der Messe, dass der Fokus immer anders aussieht. Im letzten Jahr war es Ungarn. Da haben sich drei Galerien zusammengetan und einen fast musealen Stand zur Neo-Avantgarde gemacht. Davor hatten wir Off-Spaces aus Ex-Jugoslawien. Wir gehen immer vorab in die Länder und versuchen, zwischen den Kulturschaffenden dort zu vermitteln und sie dazu zu bewegen, bei uns mitzumachen, auch wenn sie noch ganz am Anfang stehen mit ihrer Galerie. 

Für Sie geht es jetzt in San Francisco weiter? Sind Sie traurig, Wien zu verlassen?
Ich habe in Wien tatsächlich erst gelernt, was Lebensqualität ist. Meine Tochter ist in Wien geboren, ich habe viele Jahre alle Energie, die ich hatte, in meine Position hier gesteckt. Das wird mir unglaublich fehlen. Wien hat wirklich alles. Ich habe in keiner anderen Stadt so gut gelebt wie hier. Das wird in San Francisco noch mal ganz anders. Ich freue mich aber auch darauf, zu sehen, ob es ein Leben außerhalb der Messewelt gibt!