Kapwani Kiwanga in München

Vom Gang der Jahreszeiten

Im Münchner Haus der Kunst kontert die Künstlerin Kapwani Kiwanga die Geschichte mit Licht und Farbe. Durch den Lockdown geriet das Ausstellungskonzept des Prozesshaften dramatischer, als es zuerst gedacht war

Ständige Veränderung, das war das Konzept der Ausstellung, die die kanadische Künstlerin Kapwani Kiwanga im Münchner Haus der Kunst geplant hatte. Ständig sollte die Wärme des Lichts verändert werden, verschiedene Türen sollten sich öffnen, die einen leichten Luftzug an die deckenhohen,mit pastelligen Farbübergängen besprühten Vorhänge lassen sollten; und mehrmals wollte man die exotischen Pflanzen tauschen, die in aufblasbaren Skulpturen stecken.

Das alles hat so nicht geklappt.

Das Haus der Kunst musste in den Lockdown. Also: Licht aus, Tür zu, Pflanzen in Sicherheit bringen. Das Ausstellungskonzept des Prozesshaften geriet so dramatischer, als es zuerst gedacht war. In Kiwangas Stoffvorhängen – sublimen Himmeln wie bei Caspar David Friedrich, die transparent genug sind, um als reale Filter für Instagram-Porträts zu dienen – geht eigentlich nur die Sonne auf und unter. Jede Oberkante knüpft farblich an die nächste Unterkante an. Eine weitere Inspiration war der Gang der Jahreszeiten im Englischen Garten, dessen Anblick am anderen Ende des Vorhang-Labyrinths wartet.

Für Transformationen hat dieses Museum ja eine Vorliebe. Einst ein Bauprojekt Adolf Hitlers, ist das Haus der Kunst  ein Ort der Aufarbeitung. Viele Künstler nehmen den Faden der Architektur dankbar auf: Kapwani Kiwanga etwa mit bunten Laternen an der Außenfassade, außerdem mit bunten Bannern, wie sie früher jährlich zum "Tag der deutschen Kunst" mit Hakenkreuzen darauf zu sehen waren. Kiwangas Farbübergänge erobern den Raum zurück. Die Laternen spenden ein buntes statt rotes Licht, es soll dem Kulturbetrieb eine warnende Präsenz im Münchner Stadtbild verschaffen.

Aber Kiwanga beschränkt sich nicht auf die NS-Zeit. Ihr historischer Regenbogen setzt schon davor an. Mit den durchsichtigen aufblasbaren Skulpturen spielt sie auf den 1854 errichteten, 1931 abgebrannten Münchner Glaspalast an. Und die Pflanzen in den Skulpturen, einst hinter Glas um die Welt geschifft, sind merkwürdige Ableger des deutschen Kolonialismus. Sie sind hier in doppelter Hinsicht Fremdkörper, erstens in diesen Breitengraden und zweitens im Inneren eines Museums, wo es ihnen – selbst bei Vollbetrieb – doch immer an Licht fehlen wird.