Karlsruhe ist "Creative City of Media Arts"

Die Welten auf den Kopf stellen

Foto: dpa
Foto: dpa

Xenorama "Walls of Perception", 2019

Die Unesco hat Karlsruhe als ersten deutschen Ort zur "Creative City of Media Arts" ernannt. Die Stadt wird damit in ein Netzwerk mit Medienkunst und Kreativstädten weltweit eingebunden

Kopfüber hängen sie, die 99 leuchtenden Globen vor dem Karlsruher Rathausbalkon. Der Lichtkünstler Rainer Kehres hat sie "mit dem globalen Süden nach oben" installiert, als sichtbares Zeichen für einen veränderten Blick auf die Welt. Zu einem solchen Perspektivwechsel könnte auch Karlsruhe in Zukunft beitragen. Als Teil des weltweiten UNESCO-Netzwerks Creative City of Media Arts will die Stadt sich intensiver international austauschen, mit mehr lebendigen Dialogen und Kooperationen mit Partnern aus Ländern des globalen Südens.

Kehres’ Installation, die er in Anlehnung an die Wasserspiele, wie sie in der barocken Residenzstadt einst zu Feierlichkeiten üblich waren, "Kaskade" genannt hat, wurde im Dezember eröffnet und ist noch bis Mitte Februar zu sehen, quasi als Vorgeschmack darauf, wie Karlsruhe seine neue Rolle als Creative City of Media Arts ausfüllen möchte. Viele Aspekte des Konzepts schwingen in ihr mit, die lokale Verankerung wie die globale Ausrichtung, aber auch der niedrigschwellige, partizipative Charakter der Installation ist programmatisch zu verstehen.

Dass Karlsruhe über eine besondere Kompetenz an der Schnittstelle von Kunst und Technologie verfügt, von der seit mehr als 30 Jahren das Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) zeugt, hat gewiss schon vorher niemand bezweifelt. Dass die Stadt seit dem 30. Oktober offiziell den UNESCO-Titel trägt, soll dies nun vor allem international weiterverbreiten. Primär als globales Netzwerk sind die Creative Cities zu verstehen. Derzeit sind 246 Städte Teil davon, allesamt Orte, in denen Kreativität als entscheidender Wirtschaftsfaktor wirkt und die sich mit der Mitgliedschaft verpflichten, ihr kulturelles Erbe zu schützen und Kultur und Kreativität in den Fokus ihrer Stadtentwicklungsstrategien zu stellen.

Medienkunstprojekte und internationale Netzwerkaktivitäten

Für den über einjährigen Bewerbungsprozess konzipierte Karlsruhe einen Aktionsplan für die Jahre 2020 bis 2023, inklusive praktischer Maßnahmen wie der Einrichtung zusätzlicher Arbeitsräume und städtischer Beratungs- und Betreuungsangebote für Kultur-, Kreativ- und Medienschaffende. Seit Mitte Januar hat die Stadt ein Budget für lokale, auch kleinere Medienkunstprojekte wie auch für internationale Netzwerkaktivitäten ausgeschrieben. Der Gemeinderat will dafür pro Jahr zusätzlich 100.000 Euro zur Verfügung stellen. Was sich damit tatsächlich realisieren lässt, wird sich zeigen.

Vielversprechend klingt ein schon über die Bundeskulturstiftung finanziertes Projekt, welches das Badische Staatstheater gemeinsam mit dem Berliner Phonogramm-Archiv des Ethnologischen Museums betreibt: "De-Linking Sounds. Eine transkulturelle und mediale Plattform" will koloniale Strukturen des Internets erforschen und die Ergebnisse auf einer digitalen Plattform zur Verfügung stellen. Auch künstlerische Produktionen sollen auf diese Weise entstehen. Bereits in Arbeit ist eine auf Algorithmen beruhende, partizipative Kammeroper des Komponisten Georg Hajdu.

Lichtspiele am Schloss

Auf ein breiteres Publikum zielt Karlsruhe mit Festivals wie den Schlosslichtspielen, für die im Sommer die Fassade des Schlosses mit Lichtprojektionen verziert wird. Auch das Medienkunstfestival Seasons of Media Arts ist für das Publikum frei zugänglich. 2019 fand es zum ersten Mal statt – mit interaktiven Erlebniswelten, Virtual- Reality-Arbeiten und weiteren Medienkunstinstallationen im gesamten Karlsruher Stadtgebiet, damals zu den Themen Open Data und Smart City.

Open Data wiederum ist auch das Thema der ZKM-Ausstellung "Open Codes", die mittlerweile als Wanderausstellung durch die Welt zieht, von einer Creative City zur nächsten. In Shanghai war sie 2019 bereits zu sehen, noch bis zum 26. Januar gastiert sie in Bilbao. Nächste Ziele sind unter anderem Seoul und Ljubljana. Ganz neu sind solche internationalen Kooperationen gerade für das ZKM freilich nicht. Mit der Einrichtung eines Fonds und gezielter Förderung soll das nun aber noch verstärkt werden.