Der Hintergrund der Gemälde ist abstrakt: Farbe läuft und tropft, bunte Farbwolken fließen ineinander. Davon heben sich die Figuren ab – ein Mann mit Engelsflügeln beim Billardspielen, eine Frau, die sich müde an ein Fenster lehnt. Die Figuren sind präzise realistisch gezeichnet, bis auf die Farbgebung: Sie leuchten in Gelb. "Diese Arbeiten kommen aus einer sehr persönlichen Frage: Was, wenn Schwarz das hellste Ding im Raum wäre?"
Ken Nwadiogbu, 1994 im nigerianischen Lagos geboren, studierte auf Wunsch seiner Eltern zunächst Ingenieurswissenschaften. "Ich komme aus einer typischen nigerianischen Familie", erzählt er lachend. "Meine Geschwister und ich wurden kräftig gepusht, wir sollten Anwalt, Arzt oder Ingenieur werden." Doch neben dem Studium entdeckte Nwadiogbu die hyperrealistische Malerei – und war fasziniert: "Ich verliebte mich komplett ins Malen, in die Möglichkeiten der Kunst. Kunst ist so aufregend. Nichts ist vorgegeben. Man kann alles selbst kreieren, aus seinem eigenen Geist, von vorne bis hinten."
Auf Instagram bekam er früh Aufmerksamkeit, gestaltete unter anderem ein Plattencover für den Grammy-Gewinner Burna Boy, bevor er sich – nach dem Abschluss als Ingenieur – ernsthaft der Kunst verschrieb. Er studierte schließlich Malerei am Royal College of Art in London, wo er auch heute noch lebt. Seine erste Liebe als Künstler, den Hyperrealismus, hat er nicht vergessen, noch immer sind seine Figuren mit großer Präzision gemalt. Doch seit er den großen abstrakten Maler Frank Bowling einmal im Atelier besucht hat, kombiniert und kontrastiert er Realismus mit Abstraktion – "eine interessante Art, mit Spannungen und Gefühlen umzugehen und sich frei zu fühlen", sagt er.
"Ich glaube, dass man das umdrehen kann"
Seine Malerei gründet in Emotion und Erfahrung – in dem Gefühl, als Schwarzer in Europa zu leben und Projektionsfläche für rassistische Vorstellungen zu sein. Dem setzt er seine leuchtenden Porträts Schwarzer Menschen entgegen. "Jeder Migrant kennt das Gefühl: Man gehört nicht hierher. Aber wir müssen verstehen, dass wir dazugehören, dass wir interagieren, dass wir existieren können, egal wo wir sind. Migration zieht viele starke Gefühle nach sich. Aber ich glaube, dass man das umdrehen kann. Davon handelt mein Werk", sagt er.
Künstlerisch versucht Ken Nwadiogbu, die Möglichkeiten der Malerei selbst experimentell zu erweitern. Er kreiert ganze Rauminstallationen oder malt auf Akwete, einem traditionellen, handgewebten nigerianischen Stoff. Die Designs der Akwete-Stoffe, so findet Nwadiogbu, seien an sich schon künstlerisch. Er respektiert das – und malt auf die Rückseite. So schafft er ein doppeltes Kunstwerk. Er verbindet nicht nur Abstraktion und Figuration, sondern auch Kulturen und Kontinente – mit größter Leichtigkeit.
Dieser Artikel erschien zuerst in Monopol 11/2025