Hamburger Bahnhof

Klar, brutal, düster

Die Schenkung einer eindrucksvollen Rauminstallation nimmt das Berliner Museum für Gegenwart, der Hamburger Bahnhof, zum Anlass für die erste große und damit überfällige Bruce-Nauman-Ausstellung in Berlin. „Room with My Soul Left Out, Room That Does Not Care“, 1984 erstmals in der Leo Castelli Galerie in New York eingerichtet und nun vom Künstler neu auf die Berliner Verhältnisse zugeschnitten, ist eine der düstersten von Naumans Korridor-Installationen. Vier schwarze Gänge, von schwachen orangenen Lichtern erleuchtet, gehen kreuzförmig aufeinander zu. Im Zentrum steht der Betrachter auf einem Gitter, unter ihm ein Abgrund. Isolation und Angst finden hier Ausdruck in den klaren, ja brutalen Formen der Arbeit.

Die Schenkung aus der Sammlung Flick, die permanent im hintersten Raum der Rieckhallen bleiben wird, ist definitiv eine Bereicherung für die Sammlung, zumal sie die überbordende „Gartenskulptur“ von Dieter Roth als weitere Dauerinstallation mit ihrem strengen Minimalismus ausbalanciert: Dies sind zwei geradezu gegensätzliche Methoden, existenziellen Motiven auf die Spur zu kommen.

Gelungen ist auch, wie die Sammlungspräsentation in den Rieckhallen aus diesem Anlass auf Nauman hin umorganisiert wurde. Immer wieder sind wichtige Werke des 1941 geborenen Amerikaners eingestreut und führen ein lebhaftes Gespräch mit Zeitgenossen und auch Jüngeren.
 
Werke von Donald Judd und John McCracken machen minimalistische Ästhetik als Ausgangpunkt von Naumans Schaffen sichtbar – und wie weit er sich mit seinen Konzeptarbeiten davon entfernt. Raue Architekturmodelle Naumans treffen auf ähnlich nonchalante Holzbauten von Manfred Pernice. Nauman summt im Video Unverständliches, sich im Kreis drehend, und eine Videoinstallation des israelischen Künstlers Absalon antwortet aus einem Kelleraum mit einem Brüllen. Und Naumans hängende Bronze-Köpfe finden ein überraschendes Gegenüber in einer Vitrine von Kippenberger, in der eine Faust aus einem Fettklumpen herausragt.
 
Freiheit verheißendes Licht
Die zentrale Halle des Hamburger Bahnhofs gehört nur Bruce Nauman, und hier haben die Kuratoren neben einigen Neon-Arbeiten und den ergreifenden Videos von schreienden Clowns eine ganze Reihe von großen Installationen konzentriert - wichtige Beispiele der „Erfahrungsarchitekturen“, mit denen Nauman seit den frühen 70er-Jahren experimentierte. Ein gekrümmter Korridor etwa, der erstmals auf der von Harald Szeeman kuratierten Documenta 1972 zu sehen war ("Kassel Corridor: Elliptical Space"), in den man nur einzeln hineindarf: Freiheit verheißend fällt Licht hinein, aber wer ihm folgt, bleibt unvermeidlich im sich verjüngenden Gang stecken.
 
Auch ein frühes Bespiel der Video-Korridore ist zu begehen, bei dem man das eigene Bild immer nur auf dem Bildschirm kurz erhaschen kann, den man gerade nicht voll sehen kann ("Nick Wilder Installation", 1970), dazu noch gegenüberstehende Tribünen mit Holzsitzen, auch dies ein Werk mit dem Titel „Indoor Outdoor Seating Arrangement“. Damit wollten die Kuratoren Eugen Blume und Gabriele Knappstein eine ganze Nauman-Stadt einrichten. Die allerdings lässt die klare Linien und formale Reduktion, für die Nauman berühmt ist, etwas vermissen: Die große Halle wirkt eher vollgestellt als optimal bespielt, ein wenig mehr Raum für die großen Installationen wäre gut gewesen.
 
Ausblick statt Durchblick
So sorgt die Ausstellung zwar nicht unbedingt für Durchblick, aber immerhin für Ausblick: Seit Jahren steht das „Double Cage Piece“ von 1974, zwei ineinander verschachtelte Drahtkäfige, hinter dem Hamburger Bahnhof, jetzt gibt es endlich ein Gucklock im Fenster der Halle, so dass man diese typisch Nauman'sche Meditation über die Ausweglosigkeit auch bemerkt.
 
Informationen unter www.hamburgerbahnhof.de