Debatte um Biesenbachs MOCA-Berufung

Klausification

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Klaus Biesenbach 2012 auf Besuch in Berlin

An der Ernennung des deutschen Kurators Klaus Biesenbach zum neuen Direktor des MOCA Los Angeles entzündet sich eine lebhafte Debatte

Keine Witze mit Namen, lautet eine der eisernen Regeln des Journalismus, wie man ihn einst in respektablen Redaktionen lehrte. In den sozialen Medien ist diese Regeln eher nicht von Interesse. So wurden in den letzten Tagen in der Kunstszene die Meme der kalifornischen Künstlerin Lissa Corona freudig geteilt, die Fotos des Kurators Klaus Biesenbach mit verschiedenen Wortneuschöpfungen kombinierten: "Too Klaus for comfort"; oder auch: "L.A. got me feelin' klaustrosized".

Nun kann man sich vorstellen, dass der Name Klaus für amerikanische Ohren ein gewisses Seltsamkeitspotential hat. Doch es steckt mehr hinter der spöttischen Bilderserie. Der Ernennung des deutschen Kurators Klaus Biesenbach, zur Zeit noch Chief Curator at Large am New Yorker Museum of Modern Art und Chef des MoMA PS1, zum nächsten Direktor des Museum of Contemporary Art (MOCA) in Los Angeles begegnet die dortige Kunstszene nicht durchgehend mit Begeisterung. Das erste Problem: Er repräsentiert die als arrogant wahrgenommene Kunstszene der Ostküste.

Dass die "New Yorker"-Kunstkritikerin Andrea K. Scott maliziös anmerkte, dass das MOCA mit Biesenbachs Ernennung zum dritten Mal in acht Jahren auf einen Direktor aus New York setzt (nach dem New Yorker Kunsthändler Jeffrey Deitch, der 2013 mit einem Celebrity-Programm krachend scheiterte, und dem vorherigen Leiter der DIA Art Foundation, Philippe Vergne), hat nicht gerade geholfen.

Und Biesenbach setzte sich mit seinem allerersten Interview gleich in die Nesseln, als er der "New York Times" sagte, Los Angeles sei gerade "das neue Berlin", weil so viele Künstler dorthin zögen. Man fand das eurozentrisch, und Christopher Knight von der "L.A. Times" hielt ihm entgegen, dass er die reiche Geschichte der Kunstszene der Stadt offenbar übersehen habe.

Sarah Russin, Direktorin des lokalen Projektraumes Los Angeles Contemporary Exhibiton, ließ dem Neuzugang in einem Artikel auf "Artnet News" ausrichten: "Hör auf, LA mit anderen Orten zu vergleichen, als wäre es ein Provinznest statt des kreativen Zentrums des Landes. Lerne, Künstler aus LA als Angelenos wahrzunehmen, nicht als Transplantierte von anderswo, die billige Ateliers suchen."

Und die Kunstredakteurin Shana Nys Dambrot fragte wütend auf Facebook, ob das Board denn niemand anders kenne: "Keine Frauen, keine people of color …?"

Womit wir bei der zweiten Frage wären, die viele in LA umtreibt: Warum schon wieder ein weißer Mann? In Los Angeles sind mittlerweile rund fünfzig Prozent der Bevölkerung Latinos, nur noch eine Minderheit von unter 30 Prozent der Bevölkerung sind so genannte "Non Hispanic Whites", also Weiße, die keine lateinamerikanischen Wurzeln haben. Doch noch sind die Weißen in den Führungspositionen der Stadt überall in der Mehrheit, auch die Kunstinstitutionen der Stadt spiegeln die demografische Realität nicht.

Die aktuelle Krise des MOCA, die den Führungswechsel erst nötig machte, hatte als ein "Diversity-Problem begonnen: Im Februar sagte Mark Grotjahn seine Teilnahme an der glamourösen Fundrising-Gala ab, weil er nicht der nächste in einer langen Reihe von weißen, heterosexuellen, männlichen Künstlern sein wollte, die dort geehrt wurden.

Im März musste dann die MOCA-Chefkuratorin Helen Molesworth gehen, die sich um eine Revision des Kanons bemüht, weiße Marktlieblinge zurückgedrängt und mehr Künstlerinnen und Künstler anderer Herkunft gezeigt hatte. Ihr Chef, Direktor Philippe Vergne, trat im Mai dieses Jahres zurück. Ein Teil der Szene hatte gehofft, dass jetzt der Weg frei wäre für einen grundlegenden Wechsel. "Die große Angst der Leute ist, dass das Programm des Museums  taub für die Schwingen der diversen Kunstszene von LA sein wird", sagte Pilar Tompkins-Rivas, die Direktorin des Vincent Price Museums, im "Artnet News"-Interview.

Biesenbach selbst versucht, die anbrandende Kritik mit Verweis auf die sehr diverse Liste von Künstlerinnen und Künstlern abzuwehren, die er in den letzten Jahren ausgestellt hat. "Es kommt auf das Programm an", sagte er der "New York Times".

Zu Biesenbachs Verteidigern gehören allerdings nicht nur die – natürlich weißen – reichen Sammler im Museumsboard, die das Museum finanzieren, sondern beispielsweise auch die fest in der lesbischen Szene verwurzelte  Künstlerin Catherine Opie, die ebenfalls im MOCA-Board sitzt: "Ich möchte, dass jeder in unserer Community weiß, dass wir begeistert davon sind, dass Klaus Biesenbach zu uns kommt. Es herrscht ein großes Vertrauen zwischen den Künstlern und Künstlerinnen und ihm, was entscheidend ist für das, was das Museum heute macht und hoffentlich in der Zukunft machen wird", hieß es in Opies Statement.

Klaus Biesenbach erwartet in Los Angeles aber nicht nur die Aufgabe, die lokale Kunstszene zufrieden zu stellen und gut mit Künstlern zusammenzuarbeiten. Vor allem muss er den stetigen Fluss an Spenden und Sponsorengeldern sichern, auf die das fast komplett privat finanzierte Haus angewiesen ist. Kunstberater Stefan Simchowitz macht ihm schon mal keine großen Hoffnungen darauf, dass ihn am Ende alle lieben werden. "Es ist ein undankbarer Job", sagte er "Artnet News". "Wenn eine Gruppe in LA einen mag, dann hasst einen die andere."