Museumsneubau in Berlin

Wo soll nur die Kunst der Moderne hin?

In Berlin wird erbittert über das geplante Museum der Moderne gestritten. Nach der Explosion der Kosten wird es als megalomanes Sammler-Projekt abgetan. Das ist unfair. Und der Skandal ist ein ganz anderer

Mitten im Brexit-Chaos gibt es zurzeit wenig Grund, mit Neid in Richtung England zu blicken. Außer, wenn man die Kunstmuseen vergleicht. Die Tate Modern hat eine tolle Sammlung, 5,83 Millionen Besucher im Jahr, und was das Beste ist: Der Erweiterungs­bau, genauso wie der ursprüngliche Umbau zum Museum von den Schweizer Archi­tekten Herzog & de Meuron konzipiert, ist fertig gebaut und eröffnet. Ach, wären wir doch schon so weit!

Auch Berlin soll ja seinen Museumsbau aus dem Hause Herzog & de Meuron bekommen, und auf den Renderings sieht die luftige Agora ihres von Durchgangswegen kreuzförmig erschlossenen Foyers ein bisschen aus wie die Turbinenhalle in London. Als kürzlich jedoch bekannt wurde, dass der Bau statt der ursprünglich bewilligten 200 Millionen Euro rund 450 Millionen Euro kosten werde, gingen die Polemiken los: Andere würden für diesen Preis drei Museen bauen, man würde sich von Privatsammlern erpressen lassen, die eine schöne Hülle für ihre Schätze wollen, und überhaupt sei es Zeit, das Projekt noch mal zu überdenken und das Geld vielleicht für Sinnvolleres auszugeben – zum Beispiel für einen auskömmlichen Etat für die Institutionen, die es bereits gibt.

Bei der Kombination von Bauvorhaben und Berlin stellt sich Panik ein

Der Reflex ist völlig nachvollziehbar: Sobald die Begriffe großes Bauvorhaben und Berlin gleichzeitig im Raum sind, schleicht sich das böse Wort BER mit dazu, und Panik stellt sich ein. Und die Suadas über die Unfähigkeit der Entscheider (insbesondere die Stiftung Preußischer Kulturbesitz sowie Kulturstaatsministerin Monika Grütters) lasen sich auch sehr vergnüglich. Unfair waren sie trotzdem.

Es ist keine Megalomanie, sich ein Museum der Moderne in Berlin zu wünschen, und auch kein Einknicken vor den Sammlern. Nur gut ein Fünftel der Fläche des neuen Museums soll überhaupt an die Sammlungen Pietzsch und Marx gehen, den Rest wird die Nationalgalerie mit ihren eigenen Beständen bespielen, die eine Würdigung absolut verdienen. Und nein, mehr Etat für andere Institutionen in der Stadt wäre natürlich gut, aber kein Ersatz für ein gutes Museum der Moderne.

Ein Fehler mit dramatischen Konsequenzen

Wofür eine Suada dagegen völlig angebracht wäre, ist ein Fakt, der in der Diskussion gerade völlig untergeht: Der Raum für die Präsentation moderner und zeitgenössischer Kunst schrumpft demnächst dramatisch, denn Berlin hat es geschafft, die Rieckhallen am Hamburger Bahnhof zu verlieren. Der Mietvertrag mit der privaten Immobilienfirma CA Immo, der die Hallen und das Gelände darunter gehören, läuft Ende September 2021 aus – und man darf davon ausgehen, dass die Firma die Hallen abreißt und das Gelände, wie schon die ganze Umgebung, mit weiteren Luxusimmobilien überzieht.

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz lässt verlauten, man sei nun in Verhandlungen, um den Wegfall der Ausstellungsfläche zu kompensieren. Fragt sich nur, woher diese neuen Flächen kommen sollen. Welch ein Affront gegenüber dem Sammler Friedrich Christian Flick, für dessen Leihgaben und Schenkungen die Hallen aufwendig hergerichtet wurden. Welch ein Affront auch gegenüber dem Museum Hamburger Bahnhof, dessen Arbeit nicht geschützt und wertgeschätzt wird. Und was für eine Dummheit von Land und Bund, sich dieses Gelände durch die Lappen gehen zu lassen.