Oscars für "Parasite"

Ein verdienter Punktsieg

Das Team von "Parasite" nimmt den Oscar für den besten Film entgegen
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Das Team von "Parasite" nimmt den Oscar für den besten Film entgegen

Die Auszeichnung als bester Film für die südkoreanische Thriller-Satire "Parasite" zeigt, dass in Hollywood langsam ein Umdenken stattfindet. Die diesjährigen Preise sind außerdem ein klares Signal des Kinos an den Streamingdienst Netflix

"Parasite" ist eine hinreißende Tragikomödie um den Zusammenprall zwischen Arm und Reich. Aber ein Film kann noch so großartig sein: Erfolg in Hollywood ist auch eine Frage der Herkunft. So war das jedenfalls bisher. Doch nun hat Bong Joon Hos Meisterwerk nach der Goldenen Palme von Cannes nicht nur den Auslands-Oscar der 92. Academy Awards gewonnen. "Parasite" ist überraschend in Los Angeles als bester Film ausgezeichnet worden, obwohl er in Südkorea produziert wurde. Außerdem hat Joon Ho den Regie-Oscar gewonnen, und er und sein Mitautor Han Jin Won heimsten im Dolby Theatre den Drehbuch-Preis.

"Parasite" ist der Abräumer dieser Oscar-Nacht. Mit vier Trophäen ist es ein verdienter Punktsieg. Diesmal hatte man wirklich das Gefühl, dass Erzählkunst und schillernde Charaktere zählen. Ob Qualität wirklich der Maßstab für die Jury war, bleibt trotzdem fraglich. Denn einige Filme haben es den Akademie-Mitgliedern leicht gemacht, sie zu ignorieren. Dabei spielt der Selbsterhaltungstrieb der Kinowirtschaft eine erhebliche Rolle.

Zunächst aber zu "1917", dem zweiten großen Oscar-Sieger. Sam Mendes’ Regiearbeit glänzte mit dem Gimmick eines (scheinbar) in einer Einstellung gedrehten Films um zwei britische Soldaten an der Westfront des Ersten Weltkriegs. "1917" ist Überwältigungskino, stark, immersiv, aber auch technizistisch und gefühlskalt wie ein Computerspiel. Mit  drei Oscars – in weniger zentralen Kategorien als bei "Parasite" – können die Macher mehr als zufrieden sein.

Allmähliches Umdenken in Hollywood

Schon mit den sechs Nominierungen für "Parasite" zeichnete sich ab, dass man in Hollywood allmählich umdenkt.  Die südkoreanische Produktion ist erst die sechste in der Oscar-Geschichte, die sowohl für den besten internationalen Film als auch den besten Film überhaupt nominiert ist. Und der erst zwölfte nicht englischsprachige Film mit der Chance auf den Hauptpreis "Bester Film". Alfonso Cuaróns mexikanisches Drama "Roma" hatte 2019 nur den Auslands-Oscar gewonnen. Aber "Roma" war eine Netflix-Produktion: Der Streamingdienst bedroht die Kino-Kultur, daher konnten Netflix-Filme auch nicht zu den großen Siegern gehören.

Martin Scorseses an sich fantastisches Mafia-Epos "The Irishman" war in zehn Kategorien nominiert und ging völlig leer aus. Das lag nicht nur an Netflix. Der Altmeister schimpfte über Studios wie Marvel und ihre, so Scorsese, "Themenpark"-Filme. Apropos Marvel und Superhelden: Mit "Joker" gewann ein Film aus dem DC-Comic-Universum ohne positiven Helden immerhin zwei Oscars – für die in Berlin lebenden Komponistin Hildur Guðnadóttir und Joaquin Phoenix, der in der Titelrolle seit den Venedig-Festspielen Aufsehen erregt hatte.

Stärkste Rolle seit langem für Brad Pitt

Ebenfalls mit zwei Trophäen – und angesichts von elf Nominierungen – unerwartet schwach schnitt "Once Upon a Time in Hollywood" ab. Quentin Tarantinos Version einer tragischen Nacht in Beverly Hills wurde in der Kategorie Szenenbild und für den besten Nebendarsteller ausgezeichnet: Brad Pitt in seiner stärksten Rolle seit langem. Eine andere Hollywood-Story – die tragische Geschichte von Judy Garland –  ist wegen Renée Zellweger interessant – der Star aus "Judy" bekam den Darstellerinnen-Oscar.

Für Filmemacherinnen war es eine enttäuschende Oscar-Saison. Die Wut der Frauen entlud sich im #OscarsSoMale-Protest. Es ist ein schwacher Trost, dass Laura Dern ihren ersten Oscar bekam – für ihre Nebenrolle als Scheidungsanwältin, die in "Marriage Story" (auch hier sprang wegen Netflix nur ein Preis heraus) herrlich-bissig über Machos wettert.