Lob des Copy-and-Paste

Talent borgt, Genie stiehlt

Kopieren und einfügen
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Der Erfinder der Copy-and-Paste-Zwischenablage ist tot: Larry Teslers Innovation war mehr als eine der wichtigsten Ideen zur Bedienung von Computern, sie hat auch die Kunst vorangebracht. Eine Hommage an den US-Programmierer - erstellt mit seiner Kopier-Funktion

Natürlich, schon bevor Lawrence Tesler in den 70er-Jahren am Innovationslabor Xerox Parc im kalifornischen Palo Alto den Software-Code zur Copy-and-Paste-Funktion schrieb, wurde in der Kunst über Original und Kopie, Cut-up und Montage, Aneignung und Kontextverschiebung nachgedacht. Doch Teslers Erfindung traf mit dem Beginn der zitatfreudigen Postmoderne genau den Zeitgeist, kurz darauf wurde die Appropriation-Art erfunden, das Fake kunstgeschichtlich nobilitiert, Sampling hielt Einzug in die Rap-Musik und die Literatur.

Kopieren-Einfügen entwickelte sich zu einer schelmischen und kulturstiftenden Geste, die mit vielen technischen Hilfsmitteln in die Tat umgesetzt wurde, und bei voranschreitender Digitalisierung vor allem auch mit Teslers Copy-and-Paste. Erstmals in die Hände von Verbrauchern kam die Funktion in Apple-Computern. Apples Gründer Steve Jobs hatte bei einem Besuch am Xerox Parc die Bedeutung vieler dort entstandener Ideen wie der Bedienung des Computers per Maus und grafischem Interface erkannt.

Tesler arbeitete von 1980 bis 1997 bei Apple unter anderem an dem "Newton" - einem Assistenzgerät mit Handschrift-Erkennung, das visionär war, aber wegen seiner Schwächen floppte. Danach ging er unter anderem zu Amazon und Yahoo, bevor er sich vor gut zehn Jahren als Berater selbstständig machte. Am 20. Februar ist der Programmierer nun im Alter von 74 Jahren gestorben. Und wir kopieren und fügen fleißig weiter ein.

Warhol als Copy-and-Paste-Pionier

Von Andy Warhol wissen wir, dass er einen Commodore Amiga besaß und damit herumexperimentierte. So zeichnete er per Copy-and-Paste ein drittes Auge auf die "Venus" Botticellis. Warhol schien intuitiv begriffen zu haben, worum es bei Computern geht, was er mit ihnen anstellen kann. Diese Techniken waren gerade erst erfunden worden und noch nicht einmal am Markt, als er sie schon perfekt beherrschte und in ihnen Möglichkeiten erkannte, die die Programmierer noch nicht einmal geahnt hatten. Das Ausschneiden und Füllen von Farbfeldern kam seiner
Arbeitsweise dabei sehr entgegen.

Das Internet hat die Verfügbarkeit von Quellmaterial weiter beschleunigt. Auf YouTube kann etwa der Künstler Florian Freier dabei beobachtet werden, wie er Andreas Gurskys "Bahrain I" kopiert. Er ruft Google Earth auf, zoomt die Formel-1-Strecke des arabischen Königreichs heran, macht Screenshots und bearbeitet sie so, dass das Ergebnis wie Gurskys Fotografie aussieht. Seinen Print und die Videodokumentation nennt Freier "In the Eye of God – Recreating Andreas Gursky (Google Earth Remix)" und beansprucht Urheberrecht darauf.

Aneignung als dadaistisches Spiel?

Das Copyright und alles, was damit zu tun hat, entwickelt sich zu einer großen Herausforderungen unserer digitalen, vernetzten Zeit. Der Kulturtheoretiker Byung-Chul Han warb vor einigen Jahren in seinem viel diskutierten Buch "Shanzhai – Dekonstruktion auf Chinesisch" um Verständnis für den lockeren Umgang mit geistigem Eigentum: "Das Werk selbst ist in einem kontinuierlichen Wandel, einer permanenten Umschrift unterworfen. Es ruht nicht in sich. Vielmehr ist es fließend."

Vor allem in China werde nicht einfach stumpf kopiert, sondern kopierend verbessert und angepasst. Dem Tuschbild würden für die jeweilige Gegenwart brisante Motive hinzugefügt, das kopierte iPhone erkenne dann auch Falschgeld. "Es wird ein regelrecht dadaistisches Spiel mit Labels betrieben, das nicht nur eine Kreativität in Gang setzt, sondern auch eine parodistische oder subversive Wirkung gegenüber ökonomischen Macht- und Monopolstellungen entfaltet."

Wo beginnt die Ausbeutung fremder Leistungen?

Was die Kunst angeht hat Richard Prince in seinem Werk das ganze Für und Wider des Kopieren-Einfügen-Komplexes durchgespielt. Mit Appropriation-Art, also der Aneignung bereits existierender Bilder, ist er zu einem der berühmtesten Künstler der Gegenwart geworden. Er hatte einst auch vorgeführt, dass Kunst manchmal erst dort beginnt, wo Legalität aufhört. 1983 fotografierte er ein Bild von der nackten, stark geschminkten Kinderschauspielerin Brooke Shields ab, nachdem deren Mutter den Originalfotografen Gary Gross wegen Copyrightverletzungen verklagt hatte. Das Bild, das bei Prince "Spiritual America" hieß, thematisierte als Kunstwerk nun seinen eigenen Abbildcharakter und den konkreten Konflikt zwischen Shields und Gross. Eine weitere Drehung in diesem Spiel: Prince selbst blieb von einer Klage durch Gross verschont, weil dieser sich im Kampf mit Shields finanziell verausgabt hatte.

Richard Prince war damals ein mittelloser Künstler. Mit diesem Meisterstück der Appropriation-Art wurde er bekannt. Jetzt, da seine Arbeiten Millionen Dollar kosten, haben sich solche Akte der Aneignung allerdings verbraucht. Denn in der Kunst gilt: Collagen, Readymades und Appropriation-Art gelingen erst durch die Verschiebung von Zusammenhängen. Deshalb zählt auch – als ein weiterer Zusammenhang – der Status, den der aneignende Künstler selbst besitzt. Wenn Popstars für Musikvideos oder Artwork Bild-Ideen bei jungen Künstlerinnen kopieren (Beispiele gibt es genug, etwa hier, hier und hier) ist Aneignung keine rebellische Tat oder dadaistisches Spiel mehr, sondern nur noch Ausbeutung fremder Leistungen.

Dieser Text besteht zu einem großen Teil aus früheren Monopol-Texten und Dpa-Quellmaterial, kopiert und zusammengefügt mit Copy-and-Paste