Andro Wekuas Malerei in Berlin

"Ich mache gar nichts explizit"

In seiner neuen Einzelausstellung bei Sprüth Magers in Berlin zeigt Andro Wekua verrätselte Malerei. Im Gespräch vor der Eröffnung erzählt der Künstler, warum man davon keine Handyfotos machen soll und warum wir uns ohne Instagram weiterentwickeln müssen

Am Ende antwortet Andro Wekua auf die Frage, was er Besucher und Besucherinnen mitgeben würde, bevor sie in die Ausstellungen gehen: "Keine Handyfotos machen und einfach anschauen." Die Rezeption will der Künstler so wenig wie möglich beeinflussen – eigentlich gar nicht, aber das ist dann auch wieder nicht möglich.

Wekuas Einzelausstellung "It Seems Like That" bei Sprüth Magers, die zum Gallery Weekend Berlin eröffnet wird, zeigt neue Arbeiten, wobei dieses Mal ausschließlich Malerei zu sehen ist. Der in Berlin lebende Künstler arbeitet üblicherweise mit einem Panorama an verschiedenen Medien. Besonders charakteristisch in seinem Werk sind die androgynen, zwischen kindhaft und jugendlich schwankenden Skulpturen, die er unter anderem im Garage Museum of Contemporay Art in Moskau und in der Kunsthalle Zürich ausstellte.

Die rätselhaften, an Science-Fiction oder Psychothriller erinnernden Figuren existieren mal als ominöse Zentralpunkte im Raum, mal als Umrahmungen der Ausstellungsfläche. In "It Seems Like That" existieren sie gar nicht. Zumindest nicht physisch. Während sich Wekuas sonstige Praxis in Skulpturen, Film, Collagen, Installationen und Malerei materialisiert, beschränkt er sich nun also auf Letzteres. Eingeschränkt hat ihn das aber in keinem Fall – im Gegenteil: "Ich habe mich befreit gefühlt. Vielleicht habe ich mich auch vorher nicht getraut, eine Ausstellung mit nur einem Medium zu machen oder hatte auch einfach nicht das Bedürfnis."

Seine neuen Malereien sind sowohl vollkommen abstrakt, spielend mit diversen Farben und nicht entzifferbaren Formen, als auch klar figurativ. Eine der Arbeiten zeigt eine junge Person, offenbar nicht älter als 14 Jahre, vor einem weißen Hintergrund. Der Körper der genderlosen Figur ist in einem leuchtend kühlen Blau umrandet. Hier sind sie also wieder: Wekuas mystische Heranwachsende. Zwar in einem anderen Stil – nicht so hyper-zeitgenössisch, auf künstliche Intelligenzen und Roboter anspielend wie die Skulpturen –, aber mit dem gleichen undurchdringbaren Charakter, der eine schleierhafte Atmosphäre kreiert. Ausdrücklich gewollt ist das aber alles nicht. "Ich mache gar nichts explizit. Viele Arbeiten entstehen aus meinem Gefühl und eigenen Verständnis heraus", so Wekua. Aus diesem gewollten Nicht-Wollen scheint auch sein Anspruch zu erwachsen, Betrachter und Betrachterinnen in ihrer Wahrnehmung seiner Arbeiten nicht lenken zu wollen.

Krieg, Trauma, Migration

Die Art und Weise der Betrachtung seiner Werke bleibt genauso im Verborgenen wie deren Substanz selbst. Sie muss von jedem selbst erforscht werden, ist eine ähnliche Entdeckungsreise wie das Heranwachsen eines Kindes, die mit möglichst vielen Freiheiten – jedoch in einem gesetzten Rahmen – unternommen wird. Und dieser Rahmen besteht bei der Ausstellung dann eben aus Pressetext, Ausstellungsraum und Wekua selbst, der – auch wenn er das nicht direkt beabsichtigt – einen gewissen Kontext vorgibt.

Eine ausschlaggebende Rolle spielt hier nicht einmal unbedingt Georgien, wo der Künstler 1977 zur Zeit der Sowjetunion geboren wurde. Viele Interpretationen seines Werkes arbeiten aber genau mit dieser gedanklichen "Schublade": Krieg, Trauma, Migration. In den 1990er-Jahren zieht Wekua in die Schweiz und studiert dort an der Kunstschule in Basel. Seine Herkunft ist natürlich auch Teil seiner Arbeit, "sie aber nur auf Basis dessen zu beurteilen, ist ein viel zu einfacher Zugang."

Ein kleines, auf den ersten Blick unscheinbares Werk der Ausstellung zeigt ein Farbgemisch aus Violett-, Blau- und Grüntönen, aus dem ein junges Gesicht mit geschlossenen Augen herausscheint. Die sonst abstrakten Formen erinnern an fließende Gesteine, die man vielleicht auch in den Gebirgslandschaften von Georgien oder in den Schweizer Alpen so finden kann. Im Zeitalter der digitalen und visuellen Schnelllebigkeit sind Wekuas Arbeiten ein Wiederentdecken von bewusster Langsamkeit.

Authentisch und unverfälscht

Deswegen auch sein Tipp, keine Handyfotos zu machen. Und deswegen hat der Künstler wohl auch keinen Instagram-Account: "Ich finde Instagram nicht schlecht, und es ist interessant, wie das vor allem junge Künstler*innen nutzen, aber für mich persönlich hat es keinen Vorteil. Es würde mich ablenken, und die kontinuierliche Bilderflut des Mediums empfinde ich als aggressiv."

Für nahezu alle aktuell Heranwachsenden ist Instagram aber Teil des Lebens und somit auch des Entwicklungsprozesses. Bei vielen schwimmt heute gar nichts mehr im Verborgenen, stattdessen ist alles in den offenen Gewässern von Stories, Highlights und Co. Die Figuren in Wekuas Arbeiten entziehen sich dem und schöpfen genau daraus ihren unverwechselbaren Charakter, von dem auch die Werke, in denen keine Körper oder Gesichter erkennbar sind, gestreift sind. Sie haben nicht das Bedürfnis, sich ständig mitteilen zu müssen oder ein explizites Bild ihres Selbst zu produzieren.

Sie sind einfach da. Authentisch und unverfälscht – nicht das nächste Abbild einer anderen Kopie, deren Original schon längst untergegangen ist.