NSU-Prozess

Leerstelle im Zeugenstand

Der jahrelange Prozess zur neonazistischen terroristischen Vereinigung NSU hat viele Fragen hinterlassen. Der Künstler Sebastian Jung erinnert mit einem Holzrelief an der Fassade des Strafjustizzentrums in München an die Leerstellen

Im Oberlandesgericht München fand von 2013 bis 2017 das Hauptverfahren gegen die fünf Angeklagten des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) statt. Über Jahre hinweg hatte der Komplex um Beate Zschäpe in Deutschland Attentate verübt und gemordet. Vor einigen Wochen wurde das mehr als 3.000 Seiten umfassende Urteil in dem nun in erster Instanz abgeschlossenen Strafprozess vorgelegt, trotzdem bleiben viele Fragen zum NSU-Komplex unbeantwortet.

Von der Empore des Sitzungssaals beobachtete der Künstler Sebastian Jung das Prozessgeschehen und verarbeitet alles in seinen Skizzen. Schemenhaft zeigen sie den "NSU-Prozess an einem Tag im September 2017" - volle Ränge, angestrengte Strafverteidiger und müde Gesichter mit Comic-haft hypnotisierten Augen. Aus den flüchtigen Zeichnungen schuf er nun ein großformatiges Holzrelief für die Fassade des Münchner Strafjustizzentrums.

Das Kunstwerk soll die unbeantworteten Fragen thematisieren, die der Prozess hinterlassen hat, und auch den grundsätzlichen Umgang mit den Taten des NSU. In der Mitte des Reliefs befindet sich eine große Leerstelle. Sie markiert den Ort, an dem üblicherweise die Zeugenbefragung stattfindet. Jung will damit auch auf die Undarstellbarkeit der Verbrechen hinweisen. Die Intervention bringt den Prozess von innen nach außen und fordert damit zu einer öffentlichen Weiterbeschäftigung mit dem Thema auf.

Auch soll die Arbeit zum Nachdenken über die weitreichenden politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen des NSU-Komplexes anregen. Während den Künstler besonders die strukturellen Fragen hinter dem Komplex beschäftigen, will das NS-Dokumentationszentrum München mit der Intervention auch auf das Fehlen eines zentralen öffentlichen Orts, an dem an diese größte rechtsextremistische Mordserie der bundesdeutschen Geschichte erinnert wird, hinweisen.

Die Zeichnungen im Innenraum des Strafjustizzentrums und das großformatige Relief an der Fassade sind Teil der noch bis 18. Oktober zu sehenden Ausstellung "Tell me about yesterday tomorrow" des NS-Dokumentationszentrums München, gefördert von der Kulturstiftung des Bundes.