Offener Brief

Kulturschaffende unterstützen Kritik an BDS-Resolution der Bundesregierung

Die Initiative "GG 5.3 Weltoffenheit" bekommt prominente Unterstützung: In einem offenen Brief fordern 1000 Künstlerinnen und Künstler die Bundesregierung auf, die israelkritische Bewegung BDS nicht pauschal als antisemitisch einzustufen

Das Schreiben mit dem Titel "Wir können nur ändern, was wir konfrontieren " bezieht sich auf die BDS-Resolution des Bundestags von 2019, mit dem die israelkritische Bewegung "Boykott, Divest, Sanction" (BDS) als antisemitisch eingestuft wird. Diese setzt sich wegen der israelischen Siedlungspolitik im Westjordanland für einen Boykott israelischer Waren und Kulturveranstaltungen mit israelischer Finanzierung ein. Die Bewegung und ihre Unterstützer sollen laut der Resolution kein Geld mehr von der Bundesregierung erhalten.

Der offene Brief fordert nun, die Resolution zurückzunehmen. Damit solle die Bundesregierung ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte achten, das laut der Unterzeichner "die Kriminalisierung von Israel-bezogenen Boykottaufrufen ablehnte und gegen eine Verfolgung gewaltloser Aktivist*innen entschied sowie Boykotte als legitime Ausübung von Meinungsfreiheit bestätigte". Kein Staat solle von Kritik ausgenommen sein, heißt es in dem Schreiben. Unabhängig von einer persönlichen Haltung zum BDS gebe es ein Recht darauf, "gewaltfreien Druck auf Regierungen auszuüben, die Menschenrechte verletzen".

Zu den Unterzeichnenden des Briefs gehören auch zahlreiche prominente Künstlerinnen und Künstler wie Hans Haacke, Ayse Erkmen, Lawrence Abu Hamdan, Candice Breitz, Yael Bartana, Julieta Aranda, AA Bronson, Danh Vo, Martha Rosler und die Kollektive Forensic Architecture und Slavs and Tatars. Auch Intellektuelle wie Donna Haraway und Paul B. Preciado haben unterschrieben.

Der Brief ist auch eine Solidaritätserklärung mit der Intiative "GG 5.3 Weltoffenheit", mit der sich mehrere deutsche Kulturinstitutionen für eine offene Debatte einsetzen und davor warnen, den Vorwurf des Antisemitismus zu missbrauchen, um kritische Stimmen aus dem öffentlich Diskurs auszuschließen. In dem neuen Appell heißt es nun: "In diesem Klima wurden bereits einige wertvolle Stimmen – wie die von Achille Mbembe, Kamila Shamsie, Peter Schäfer, Nirit Sommerfeld und Walid Raad - dämonisiert, was die notwendige kollektive Beurteilung sich überkreuzender Formen und Wirkungen von Gewalt behindert, die unsere Gegenwart weiterhin prägen." Der BDS-Beschluss der Bundesregierung ignoriere die Vielfalt jüdischer Meinungen innerhalb und außerhalb Deutschlands. Außerdem verschärfe er die Polarisierung der Kunstszene in einer Zeit der erstarkenden rechten Nationalismen, die Geschlossenheit verlange.

Die Intiative spricht sich gegen Antisemitismus aus und betont, "das Bekenntnis Deutschlands zu seiner historischen Verantwortung für den Holocaust" anzuerkennen und zu schätzen. "Gleichzeitig verurteilen wir die ungeheure Nachlässigkeit des deutschen Staates, wenn es darum geht, die deutsche Täterschaft für vergangene koloniale Gewalt anzuerkennen. Der Kampf gegen Antisemitismus kann nicht nach Belieben von parallelen Kämpfen gegen Islamophobie, Rassismus und Faschismus entkoppelt werden."

Die Bundesregierung hatte nach den Forderungen der Initiative "GG 5.3 Weltoffenheit" mitgeteilt, an ihrer Haltung zu BDS festhalten zu wollen. "Ständige Boykottaufrufe sind ignorant und diffamierend", sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Martina Fietz am vergangenen Freitag in Berlin. Sie betonte jedoch, sie äußere sich ganz grundsätzlich zu der Resolution. "Die aktuelle Initiative ist erneut ein Beispiel dafür, welchen Gratwanderungen die Kunstfreiheit in Artikel 5 des Grundgesetzes mitunter ausgesetzt ist", sagte Fietz. "Auch für streitbare und kontroverse Debatten gelten aus Sicht der Bundesregierung bestimmte Regeln. Dazu zählt im Hinblick auf Israel die unmissverständliche Anerkennung des Existenzrechts Israels." Ein Sprecher des Auswärtigen Amts sagte, man habe jegliche Zusammenarbeit mit der BDS-Bewegung bereits vor der Resolution ausgeschlossen und keine Projekte gefördert, die der Unterstützung der Bewegung dienten.