Rothschilds Sammlerinnen in Lüttich

Kunst in Frauenhand

Eine Ausstellung im Museum La Boverie im belgischen Lüttich zeigt die bislang wenig bekannte Sammelleidenschaft und Liebe zur Kunst der Frauen aus der Rothschild-Dynastie

Seit dem 19. Jahrhundert steht der Name Rothschild für Erfolg in der Finanzwelt, aber auch für intellektuellen und künstlerischen Reichtum. Angefangen hat die Geschichte der Familie im jüdischen Ghetto von Frankfurt am Main. Dort begann mit dem Münzhändler Mayer Amschel (1744-1812) der Aufstieg zu einer der reichsten Familien Europas. "Nur" zehn von 19 Kindern mit seiner Frau Gutle Schnapper überlebten. Während die Töchter keinen Zugriff auf das Unternehmen hatten, platzierte der Patriarch seine fünf Söhne geschickt in London, Wien, Paris und Neapel und legte damit die Basis für ein weitverzweigtes Familienimperium, das sich vorwiegend mit Bankgeschäften einen Namen machte. Als Geschäftsmodell diente hierfür die Finanzierung von Staaten und die Vergabe von Krediten. Hinter den Kulissen hielten derweil die Frauen die Fäden in der Hand.

Jetzt ist ihnen eine ungewöhnliche Ausstellung gewidmet. Das Museum La Boverie im belgischen Lüttich präsentiert in Kooperation mit dem Pariser Louvre neun Frauen aus dem französischen Zweig der Familien-Dynastie, die sich als Spenderinnen, Mäzeninnen und Sammlerinnen hervorgetan haben. Die Biografien der Frauen, die in den letzten zweihundert Jahren angesiedelt sind, geben Aufschluss über den jeweiligen Zeitgeist. "Viele der oft übersehenen Rothschild-Frauen waren Frauen mit Talent, Geist und Überzeugungen, sie waren Schlüsselfiguren im kulturellen Leben sowie Wohltäterinnen für zahlreiche Museen", schreibt die Generaldirektorin des Louvre, Laurence des Cars, in ihrer Katalogeinführung. Mehr als 130.000 Werke vermachten sie durch Schenkungen oder Vermächtnisse den französischen Museen.

Eine Auswahl von 350 Objekten aus etwa 30 französischen Institutionen und privaten Sammlungen lädt nun zum – bezogen auf die museale Gestaltung mit Kunstrasen und falschen Rosenbüschen zum Teil kitschig anmutenden – Rundgang ein. So sind Gemälde von Cézanne, Renoir und Delacroix, Skulpturen, Schmuck und Porzellan, Möbel, afrikanische und fernöstliche Kunst ebenso zu sehen wie – für Frauen eher untypisch – Pfeifen oder Streichholzschachteln. Letztere waren bevorzugte Sammelobjekte von Alice de Rothschild (1847 Frankfurt/Main bis 1922 Paris). Dazu muss man wissen, dass Streichhölzer zu jener Zeit noch etwas Besonderes waren. Sie wurden erst ab 1832 industriell hergestellt und ab 1871 in Frankreich sogar besteuert, um die öffentlichen Finanzen, die vom Deutsch-Französischen Krieg strapaziert waren, aufzubessern. Als Alltagsgegenstände zeigen Rothschilds Schachteln Dekors, die zum Teil frivole Szenen zum Inhalt hatten.

Sammeln als Emanzipation

Streichholzschachteln gehörten sicherlich zu den Dingen, die vor 150 Jahren verhältnismäßig leicht zu sammeln waren. Schwieriger war es mit der Kunst. Im 19. Jahrhundert unterstanden die Frauen rechtlich ihrem Vater oder Ehemann. Sie hatten kein Recht auf privates Eigentum. Im Haushalt waren sie für die Verzierung zuständig. So etwa schrieb James – einer der Söhne von Mayer Amschel, Starbankier in Paris und verheiratet mit der Tochter seines Bruders Salomon –, in einem Brief: "Die Ehefrau ist ein wichtiger Teil der Möblierung". Immerhin ermöglichte das Sammeln von dekorativen Objekten den Damen, zu einer persönlichen Emanzipation zu gelangen und legitimierte zugleich die gesellschaftliche Position, als Mäzenin in Erscheinung zu treten. Allerdings mehr im Hintergrund, denn in der Öffentlichkeit. Im Rothschild-Clan wurden die Frauen oft nur im Rahmen von Schenkungen und Anschaffungen ihrer Ehemänner erwähnt, deren Wissen, Spezialisierung und Profession im Vordergrund standen.

Mit Alice' Nichte, Béatrice de Rothschild (1864 Paris bis 1934 Davos), rückt ein anderer Typ Frau in den gesellschaftlichen Fokus. Nur ein Jahr nach ihrer Trennung (1904) von ihrem Ehemann Maurice Ephrussi, einem Milliardär russischer Abstammung, erbt Béatrice einen Teil des Vermögens ihres Vaters. Genug, um im wahrsten Wortsinn darauf zu bauen. So lässt die resolute Mittvierzigerin auf der südfranzösischen Halbinsel Cap Ferrat eine Villa im Stil der Renaissance errichten, die alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt. Eigenhändig und autoritär plant sie Fassaden, Gärten und Inneneinrichtung. In der Tradition der Rothschilds stehend, ist auch Béatrice eine eklektische Sammlerin. Sie erwirbt Gemälde französischer Impressionisten und solche aus dem 15. und 16. Jahrhundert. Außerdem verzieren kostbare Teppiche, Möbel und Porzellanobjekte ihr neues Heim. Am Ende wohnt sie nur kurz in dem Haus. 1933 vermacht sie es samt Kunstsammlung der französischen Akademie der Schönen Künste mit dem Wunsch, dort ein Museum einzurichten.

Kunst spenden

Mit Alix de Rothschild (1911 Frankfurt/Main bis 1982 Reux) tritt erstmals eine Sammlerin auf den Plan, die sich als Förderin von zeitgenössischer Kunst positioniert. Alix entstammt dem deutschen Zweig der Rothschilds in Frankfurt. 1929 heiratet sie Kurt Krahmer, einen Bankdirektor aus Dresden, der sieben Jahre später stirbt. Sie verlässt Nazi-Deutschland und heiratet in Paris ihren Cousin Guy de Rothschild – eine durchaus übliche Praxis bei den Rothschilds, um das Vermögen in der Familie zu halten. Um dem Antisemitismus zu entkommen, lässt sich das Paar 1941 in New York nieder.

Nach dem Krieg kehrt Alix bis zu ihrer Scheidung 1956 nach Paris zurück. Sie wird Mäzenin für den Spanier Javier Vilató sowie den israelischen Maler Avigdor Arikha und fördert lokale Künstler durch Ankäufe und Ausstellungen. In Reux (Normandie) verwaltet sie ab 1974 fast 30 Jahre lang als Bürgermeisterin die Gemeinde. Als Kunstkennerin ist ihre Expertise auch in verschiedenen musealen Freundeskreisen gefragt. 1962 wird sie Vorsitzende der Gesellschaft der Freunde des anthropologischen Musée de l'Homme in Paris. Außerdem übergibt sie zahlreiche Werke an unter anderen die Museen von Le Havre und Caen. Für ihren Einsatz erhält sie mehrere französische Auszeichnungen, darunter zwei "Chevaliers". Nach ihrem Tod wird ihre über 2000 Exponate fassende Sammlung, die vor allem der Zweiten Schule von Paris zuzurechnen ist, zu einem Großteil auf mehrere Museen verteilt.

Mit der Bankierstochter Liliane Fould-Springer (1916 Paris bis 2003 Abtei von Royaumont) wird die Jüngste der in Lüttich präsentierten Kunstsammlerinnen vorgestellt. 1942 heiratet sie ihren Kindheitsfreund Éli de Rothschild per Ferntrauung, da sich dieser zu diesem Zeitpunkt in deutscher Gefangenschaft befindet. Im Lauf der Jahre sammelt sie bevorzugt Kunstwerke und Möbelstücke aus dem Besitz der französischen Königin Marie-Antoinette. Ab den 1960er Jahren spendet Liliane de Rothschild dem Museum Carnavalet, dem Schloss von Versailles, dem Nationalen Keramikmuseum von Sèvres sowie einigen Provinzmuseen regelmäßig Kunstwerke.

Insgesamt haben Rothschild-Schenkungen in Frankreich über 300 Museen mit Zehntausenden von Werken bereichert. Auch die dunklen Jahre des Nationalsozialismus, in denen die Familie zum Symbol für antisemitische Verfolgung und Enteignung wurde, konnten ihrem künstlerischen Engagement keinen Abbruch tun.