Kunstmesse Viennacontemporary

Etwas ist anders, aber was?

Die Viennacontemporary wirkt in diesem Jahr leichter, durchlässiger – und setzt auf Kollaboration: mit fast 100 Galerien, neuen kuratierten Sektionen und überraschenden künstlerischen Positionen. Ein Rundgang über die Messe

Etwas ist anders, aber was? Die Viennacontemporary fühlt sich luftiger und angenehmer an als im letzten Jahr, sie beweist Blick für Details. Das messetypische Raster aus weißen Stellwänden ist von einer weniger vorhersehbaren Anordnung abgelöst worden, die angeblich an das Gassengewirr im ersten Bezirk der österreichischen Hauptstadt erinnern soll (Standdesign: Claudia Cavallar, Preisträgerin des Hans-Hollein-Kunstpreises für Architektur). Unter die Kunst gemischte Stationen von lokalen Restaurants, Kaffeeröstern und Eismanufakturen sollen dafür sorgen, dass man nicht vergisst, in Wien zu sein. Warum auch, die Stadt ist ein Touristenmagnet, damit kann und will man wuchern.

Knapp 100 Galerien sind dieses Jahr dabei, wobei österreichische besonders gut vertreten sind. Gleichzeitig holt die Viennacontemporary gezielt internationale Positionen ins Boot: Allein zehn Galerien aus Polen, aber auch aus Belgien, Italien, Spanien, Norwegen oder Mexiko treten neben Häusern aus der Ukraine oder dem Baltikum auf. Wien ist, von Deutschland aus betrachtet, das Tor nach Zentral- und Osteuropa.

Ein Schwerpunkt der Ausgabe ist Kollaboration

Unter der neuen Leitung von Abaseh Mirvali setzt die führende österreichische Kunstmesse weiter auf Entdeckung: In den kuratierten Sektionen "Statement, Zone 1" für Künstlerinnen und Künstler unter 40 Jahren mit Bezug zu Österreich und "Contest" treten so viele junge Galerien auf wie nie zuvor. Neu ist die Sektion "VC Vault", kuratiert von Antonia Lia Orsi mit acht jungen internationalen Teilnehmern.

Ein Schwerpunkt der diesjährigen Ausgabe ist Kollaboration. Die Messe vergibt gemeinsam mit Partnerinstitutionen vier Preise, die Künstlerinnen, Künstler und Galerien direkt fördern. Vor allem der "Münze Österreich Prize" sticht heraus: Er richtet sich an Kunstschaffende in der Mid-Career-Phase, die nicht mehr ganz am Anfang stehen, aber noch nicht etabliert sind. Der Preis ist mit 35.000 Euro dotiert und ermöglicht eine Ausstellung im MAK – Museum für angewandte Kunst zur nächsten Messe im Herbst 2026. In der Jury sitzen unter anderem Lilli Hollein (MAK Wien), Helmut Andexlinger (Münze Österreich) und Yilmaz Dziewior (Museum Ludwig Köln).

 

 

Kollaboration gibt es nicht nur zwischen Institutionen und Galerien, sondern auch zwischen Künstlerinnen und Künstlern. Die "Zusammengesetzte Figur" des Österreichers Walter Pichler von 1999 enthält einen Kopf aus Schokolade, der 1980 von Dieter Roth geschaffen wurde und der als einziger Bestandteil der Figur von einem Glassturz geschützt wird (Krinzinger). Es gibt viel Surreales zu sehen: Die an Max Ernst und Post-Internet-Grotesken geschulte Malerei des in Bulgarien lebenden Mitch Brezounek ist etwa in der Doza Gallery zu sehen, wo fleischrosa Körperfragmente zu einem einzigen, langgliedrigen Wesen zusammengewachsen sind ("Trêve", 2025, 4500 Euro).

"Wittgensteins Neffe" heißt jetzt "Wittgensteins Nichte"

Christine Gironcoli, die Witwe des in Österreich weltberühmten Bildhauers Bruno Gironcoli, hat lange als Restauratorin gearbeitet und dabei die sogenannte doublierte Leinwand kennengelernt, eine Art Verstärkungsschicht, die dafür sorgt, dass die alte Leinwand nicht rissig wird. Diese Zweitleinwände werden normalerweise einfach ersetzt und weggeworfen – Gironcoli jedoch hat sie gesammelt und zum Material ihrer Kunstwerke gemacht, die teils an asiatische Landschaftsmalerei erinnern (Kai Middendorff Galerie).

Das Wiederverwerten wird auch bei Huda Takriti großgeschrieben, wenn auch mit völlig anderer Ästhetik. Takriti ist sowohl am Stand von Crone Wien als auch in der kuratierten "Zone 1" vertreten. Die 1990 in Damaskus geborene Künstlerin fertigt digitale Fotomontagen, für die sie Textilien verwendet, die ihre Großmutter in den 1960ern in Kuwait anfertigte. Wobei das Scannen der Stoffe selbst zu einem künstlerischen Akt wird und die Prints frei von der Wand hängen (4800-6700 Euro netto).

Erst auf den zweiten Blick offenbart sich die Fotografie von Daniela Comani. "Bookshelf" aus dem Jahr 2024 zeigt die Cover von teils schon recht alten Ausgaben bekannter Literaturklassiker, die sie digital retuschiert und frontal in ein Billy-Regal eingefügt hat (Galleria Studio G7). Doch statt "Wittgensteins Neffe" heißt Thomas Bernhards Roman hier "Wittgensteins Nichte", Christopher Isherwood ist der Autor von "A Single Woman" und auf Peter Handkes Suhrkamp-Einband ist vom "Nachmittag einer Schriftstellerin" die Rede – eine feministische, kontrafaktische Erzählung, die gleichzeitig eine Verbeugung vor den Buchgestaltungen des 20. Jahrhunderts ist.