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"Nur er selbst zu sein, war für Leigh Bowery auch eine Art von Performance", schrieb der britische Kunstkritiker Adrian Searle einmal in Monopol. "Aber Bowery war sich dessen bewusst und trieb sein Leigh-Bowery-Sein auf die Spitze. Sein Auftritt fand nie ein Ende."
Als der Performer Silvester 1994/95 an den Folgen von Aids starb, verging damit sein künstlerisches Material: sein Körper. Doch Searle hat insofern Recht, denn Leigh Bowery hat nachfolgende Generationen geprägt und sein Auftritt ging so in gewisser Weise weiter. Das kann man in der Titelgeschichte der März-Ausgabe von Monopol lesen: Statements von Weggefährten und jüngeren Kunstschaffenden wie Marc Brandenburg, Vaginal Davis und Alexandra Bircken zeugen von der andauernden Faszination, die Bowerys Werk und Persönlichkeit bis heute ausstrahlen.
Leigh Bowery verbrachte viel Zeit damit, sich grotesk herzurichten: Er steckte sich selbst in Kostüme, die an allen möglichen Stellen ausgebeult waren, trug Prothesen, Tutu, bizarre Hüte, Fetischkram aus Latex, gefährlich hohe Plateauschuhe oder Klumpfüße, übergroße Babykleidung, absurdes Clown-Make-up und Kunstpelz. "Leigh Bowery wurde als Modesigner, Fashioninkone und Clubpromoter bekannt", sagt Oliver Koerner von Gustorf in der neuen Folge des Monopol-Podcasts "Kunst und Leben". "Da hat man nicht gesagt 'Künstler', aber man hat ihn künstlerisch verstanden."
"Er hat gar nicht auf sich aufgepasst"
Geboren wurde Leigh Bowery 1961 in Melbourne. Nach dem Modedesign-Studium ging er 1980 nach London, wo er schnell ein Zentrum der queeren Szene wurde und im Maximus-Club am Leicester Square Mitte der 80er-Jahre die "Taboo"-Nächte veranstaltete, bei denen Gäste wie etwa Boy George oder John Galliano in schillernden Kostümen erschienen. 1988 stellte er sich in der Galerie Anthony d’Offay einige Tage vor einem Spiegel als Tableau vivant zur Schau. Berühmt sind Lucian Freuds Porträts des nackten Bowery, der sich als Modell für den großen Maler sogar die Piercings entfernte. Freud malte diesen voluminösen Körper in seiner ganzen Präsenz im Raum.
In der Thatcher-Ära, in dem die Gesellschaft von Staats wegen negiert wurde, provozierte Leigh Bowerys Zuspitzung auf das Individuum: Hier trieb jemand die Idee, er selbst zu sein, über die Grenzen sozialer Akzeptanz hinaus. Bowery habe "short livity" gemacht, habe sich völlig verausgabt, erklärt von Gustorf im Gespräch mit Moderatorin Sara-Marie Plekat. "Er hat gar nicht auf sich aufgepasst und auch ohne den Rückhalt von Institutionen gearbeitet." Die institutionelle Anerkennung gibt es jetzt immerhin 30 Jahre nach seinem Tod: Die Londoner Tate Modern widmet ihm gerade eine Retrospektive.
"Kunst und Leben" ist ein Monopol-Podcast in Kooperation mit Detektor.FM. Zweimal im Monat geht es um alles, was die Kunstwelt bewegt – von Künstler:innen und Kurator:innen bis hin zu politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen. Überall, wo es Podcasts gibt, und direkt hier: