Häsin mit Mission

Leiko Ikemura gestaltet exklusive Edition für Monopol

Die beschützende, hasenförmige "Usagi"-Figur von Künstlerin Leiko Ikemura ist durch die Welt gereist – und wird nun zur Monopol-Edition

Sie steht da wie eine Erscheinung, die Häsin mit dem Mädchengesicht, und lächelt ruhig. Die Ohren, hoch aufgerichtet, zeigen Richtung Himmel. Nach unten hin ist die Figur fest mit der Erde verwurzelt, ihr glockenartiger Rock mit kleinen Löchern übersät wie ein Sternenzelt. In diesem Rock ist das Universum zu Hause, und man kann sich darin verstecken wie in einer Höhle. Das ist eine "Usagi Kannon" von Leiko Ikemura.

"Usagi" ist das japanische Wort für Hase oder Kaninchen, und "Kannon" wird im japanischen Buddhismus eine weibliche Figur genannt, die der Kontemplation dient, die die Klagen der Menschen anhört und für das Mitgefühl steht. Sie hat nicht zufällig ihre Ohren in Richtung Himmel gerichtet. Denn sie sammelt damit die Energie des Universums ein, sie steht für Spiritualität und umfassende Empathie.

Mischwesen zwischen Mensch und Tier beschäftigen seit Anbeginn der Zeiten die Imagination der Menschen, sie tauchen kulturenübergreifend in Mythen und Erzählungen auf. Sie sind Gottheiten oder auch Monster, gut oder böse, immer aber übersinnlich und rätselhaft. Sie stehen für Transformation, für fließende Grenzen, dafür, dass die Dinge nicht immer so sind, wie sie scheinen. Ein Thema, das sich auch durch Leiko Ikemuras Werk zieht. Egal ob in Malerei, Zeichnung oder Skulptur, die Künstlerin sieht sich als Grenzgängerin zwischen Abstraktion und Figuration, zwischen östlicher und westlicher Ikonografie, und sie gibt den Betrachterinnen und Betrachtern poetische Rätsel auf.

Spirit Animal – Häsin

Ikemura, in der Stadt Tsu in Japan geboren, ging schon als Studentin ins Ausland, erst nach Spanien, dann in die Schweiz, nach Köln und schließlich nach Berlin, wo sie bis heute wohnt. Seit den 1980er-Jahren fordert sie die deutsche Kunstszene mit ihrer sehr eigenen künstlerischen Position heraus. Lange steckte sie viel Energie in ihre Lehrtätigkeit an der Universität der Künste in Berlin. Danach war es, als hätte sie eine neue Quelle angezapft. Das reife und empfindsame malerische und skulpturale Werk, das dann entstand, hat sie in den vergangenen Jahren zu einem internationalen Star gemacht hat. Und ihre Botschafterin ist die Häsin.

Die erste "Usagi Kannon" entstand 2011, als die Atomkatastrophe in Fukushima zahlreiche Menschen in Ikemuras japanischer Heimat tötete und überall auf der Welt die Menschen in Angst versetzte. "Die Skulptur sollte ein Hoffnungsträger sein", sagt Ikemura. Doch bald wurde ihr klar, dass die Katastrophe und die Suche nach Trost ein universelles Thema sind: "Es gibt Naturkatastrophen und menschengemachte Katastrophen überall."

Die Häsin, als kleine Skulptur geboren, wurde immer größer. Sie reinkarnierte in verschiedenen Materialien: Keramik, Wachs, bemalter Bronze. Es gibt verschiedene Versionen, mal hat sie eine Träne im Gesicht, mal das ruhige Lächeln. "Es ist eine ikonische Figur, sie hat eine Mission", sagt die Künstlerin. Und sie hat viele Bedeutungsebenen. "'Usagi' bedeutet auf Japanisch nicht nur ein gewöhnliches Kaninchen, sondern auch ein mystisches Wesen. Ich mag den Klang dieses Wortes. Es gibt Geschichten aus meiner Kindheit, in denen ein Usagi auf dem Mond war. Man kann einen Schatten auf dem Mond sehen, und die Leute würden sagen: Das ist Usagi, sie ist da und schaut dich an", erklärt die Künstlerin.

Kunsthistorische Vorfahren

Auch in der europäischen Kunstgeschichte spielt der Hase eine große Rolle, von Dürers berühmter Radierung bis zu Joseph Beuys, der dem toten Hasen die Kunst erklärte. "In der Folklore und in der Geschichte von 'Alice im Wunderland' werden Hasen mit Fruchtbarkeit in Verbindung gebracht. Unsere Vorstellungskraft ist reich genug, um uns in andere Welten zu führen. Dies ist vielleicht eine Botschaft von mir", sagt Ikemura.

Ihre Usagi-Figur schöpft klar aus der buddhistischen Tradition, aber auch aus der christlichen. Mantel-Madonnen sind ein bekanntes Motiv seit der Renaissance: Madonnen­figuren, die unter ihren großen Röcken barmherzig die Schutzsuchenden aufnehmen. "Die Skulptur ist eine Synthese zwischen den Kulturen", sagt Ikemura. Doch ihre Bedeutung solle offenbleiben: "Es gibt diesen mytho­logischen Hintergrund, im Westen und in Japan. Aber bei mir geht es auch darum, dass die Figur die Imagination öffnet. Es ist ein Gefäß, eine Behausung für Imagination."

Mittlerweile ist die Häsin eine Weltreisende geworden: Varianten waren schon in Valencia und in den Schweizer Bergen, in London, Tokio und Shizuoka zu sehen. Zur Art Basel Paris ist eine über vier Meter hohe "Usagi Greeting" zu Gast, unübersehbar zwischen dem Grand Palais und dem Petit Palais platziert.

Usagi-Kannon für daheim

Dass die Usagi-Figuren oft im öffentlichen Raum stehen, ist für Ikemura ein wichtiger Aspekt. "Ich finde es gut, dass die Figur reist und an verschiedenen Orten die Menschen anzieht. Es ist eine Kunst, die andere Möglichkeiten hat als ein Bild, das an einer Wand hängt. Sie hat die Möglichkeit einer positiven Seelenexpansion, sie kann die Menschen erreichen", sagt sie. Und während in diesem Herbst große Ausstellungen im Kunstmuseum Chur und in der Albertina in Wien Ikemuras künstlerisches Werk feiern, ist eine kleine, besonders kostbare Variante ihrer wichtigsten Skulptur entstanden: Leiko Ikemura hat für Monopol eine 17 Zentimeter hohe "Usagi Silber" als Edition geschaffen.

Auch die Edition ist für Ikemura ein Weg, ihre Kunst Menschen nahezubringen, in einer neuen Form. "Es ist interessant für mich, dass eine Skulptur so unterschiedlich präsentiert werden kann. Sie hat jedes Mal einen anderen Charakter. Erst war sie in Keramik, dann in Wachs und Bronze. Und jetzt in Silber", sagt Ikemura. Das Material hat sie sehr bewusst gewählt: "Silber verspricht Zeitlosigkeit. Und es steht zwischen Schmuck und Skulptur. Diese Grenzbereiche interessieren mich, wo ein Begriff in den anderen übergehen könnte. Silber ist als Material normalerweise nicht für Skulpturen vorgesehen. Und deshalb ist es interessant für mich", sagt sie.

Produziert wird die Edition in der renommierten Kunstgießerei St. Gallen. Mehrfach ist die Künstlerin dorthin gereist, um gemeinsam mit den Spezialisten vor Ort der Skulptur ihre perfekte Gestalt zu geben, mit mattem Finish außen und überraschendem Silberglanz innen im Rock. Ikemura hat ihre Usagi-Figur immer schon als Friedensbotschafterin verstanden – eine Reisende, der die Menschen ihre Sorgen und Hoffnungen anvertrauen können. Mit dem kleinen Format bekommt sie eine neue Qualität: "Die große Skulptur umarmt dich. Die kleine kannst du selbst mit deiner Hand umarmen", sagt Ikemura. "Es ist wie ein Trost in einer krisenhaften Zeit." Dass die kleine "Usagi Silber" dabei auch noch auf andere Weise Gutes tut, ist ihr sehr wichtig. Ein Teil des Erlöses soll der Organisation Ärzte ohne Grenzen zukommen.

 

Die Edition: Leiko Ikemura "Usagi Silber", 2025

Die Skulptur ist 17 Zentimeter hoch und besteht aus Reinsilber. Sie erscheint in einer Auflage von 20 Exemplaren (plus zwei AP) und kostet 22.000 Euro plus Mehrwertsteuer zuzüglich Versand. Ein Teil des Erlöses soll der Organisation Ärzte ohne Grenzen zukommen. Das Unternehmen Degussa Goldhandel unterstützt die Edition als Silberpartner. Die Edition können Sie unter editionen@monopol-magazin.de bestellen