Lerato Shadi in Berlin

Eine Frage der Haltung

Die Südafrikanerin Lerato Shadi ist sich des Labels bewusst, dass ihr der weiße Kunstmarkt aufdrückt und thematisiert das in ihrer Kunst – mit vollem Körpereinsatz

Es ist eine Kunst mit vollem Körpereinsatz. Für ihre Performances atmet Lerato Shadi einen Tag lang ausschließlich in Ballons aus, fastet, isst Erde oder verwandelt über zehn Tage in einem Ausstellungsraum sitzend ein riesiges, rotes Wollknäuel in einen sehr langen Teppich. Letztere Performance mit dem Titel "Mosako Wa Nako" wurde erstmals 2014 im Neuen Berliner Kunstverein, dann in Südafrika und Brasilien gezeigt.

Ihre Soloschau "Maru a Pula Is a Song of Happiness" im Kindl – Zentrum für zeitgenössische Kunst wurde wegen Corona verschoben, nun ist die Südafrikanerin damit auf der Berliner Art Week präsent. Und das ist gut. Denn die Wiederkehr des Verdrängten, Identität, Sprache und Körperlichkeit sind Schlüsselbegriffe im Werk von Lerato Shadi – und auch solche der Gegenwart, des seltsamen und politischen Sommers 2020 also.

Geboren 1979 in Mafikeng, Südafrika, studierte Shadi an der Universität von Johannesburg. Ihr Masterstudium führte sie an die Kunsthochschule Weißensee. Seither hat die Künstlerin eine Vielzahl von Ausstellungen in Europa bestritten, gerade erst ging eine im Hamburger Kunstverein zu Ende, verbunden mit dem Kunstpreis der Villa Romana, deren Stipendiatin sie 2018 war. Es ist eine institutionelle Anerkennung, die nicht zwangsläufig dazu führt, sich im Kunstbetrieb komplett zu Hause zu fühlen.

Schon als Shadi in Südafrika anfing, Kunst zu machen, fiel ihr auf, "dass, was immer ich produzierte, es als die Arbeit einer schwarzen Frau gelesen wurde – eine Position, die ich entweder zurückweisen oder akzeptieren konnte". Ihr wurde klar, so die Künstlerin im Gespräch mit Tobias Peper, der ihre Schau im Hamburger Kunstverein kuratierte, "dass ich keine Universalität beanspruchen konnte. Mir wurde oft gesagt, mein Kontext sei sehr spezifisch. Aber ist nicht die Kunst von weißen, heterosexuellen, nicht behinderten Männern auch sehr spezifisch? Sie müssen sich nie erklären. Diese Rechte habe auch ich."

Shadis Werk ist selbstbewusst und unangepasst. Ihre Arbeiten sind meist nicht allein im generischen Kunstenglisch, sondern mit Setswana-Begriffen betitelt, ihrer Muttersprache. Auch das ein Statement: Shadi wuchs in einem Land auf, in dem weite Teile der Bevölkerung ihre eigene Sprache nicht in der Schule sprechen durften. Im Kindl-Zentrum werden zwei existierende Videoarbeiten zu sehen sein, darunter ein 2018 entstandener Film, in dem sich eine mit engem, rotem Stoff gekleidete Figur durch eine südafrikanische Landschaft bewegt, sowie eine aufgezeichnete Performance, die erst in diesem Sommer entsteht.

Wie wenig universell Kunst ist, wie unterschiedlich selbst einfachste Gesten gelesen werden können, davon handeln vier wandfüllende Fotografien mit dem Titel "I Know What a Closed Fist Means" von 2020. Im Jahr der Unruhe wissen wir tatsächlich, wie geballte Fäuste aussehen. Nur was sie bedeuten, darüber herrscht zum Glück weiterhin Uneinigkeit.