Fotoprojekt von Lina Scheynius

Eine Geschichte über das Gebären

In ihrem neuen Bildband dokumentiert die schwedische Fotografin Lina Scheynius die Schwangerschaft ihrer Freundin Amanda und die Geburt von deren Baby: ein Fotoessay voller Schönheit, Kraft und Poesie

Lina Scheynius hat ihre Freundin Amanda schon oft fotografiert, im Mai 2018 allerdings war Amanda hochschwanger und damit noch bemerkenswerter und schöner. Lina Scheynius, geboren 1981, macht seit vielen Jahren zarte, poetische Bilder aus ihrem Alltagsleben, von ihren Freunden, deren Freunden und Liebhabern. Dabei gehen bei ihr eine sonnige Verträumtheit und humanistischer Realismus diese erzählerisch toll ausbalancierte Verbindung ein.

Es sind intime Momente, wenn Amanda nackt und ungeschminkt unter einem blühenden Obstbaum steht und die Sonne den Schatten der Zweige auf ihren gewölbten Bauch wirft, zu intim vielleicht. Aber in verschiedenen Varianten des Motivs wird diese Verletzlichkeit auf einmal zu einer Stärke, und im Blütenzarten steckt plötzlich die ganze Power von allem, das erst noch kommt.

Bis zum Schluss ganz nah dabei

In ihrem neuen Fotobuch über ihre Freundin Amanda und die Geburt von deren Baby Ruby unterbricht Scheynius die ganze körperliche Intimität immer wieder gekonnt. Ansichten des Himmels, Schornsteine, Lichtflecken oder ein abgedeckter Tisch. Nichts davon ist besonders symbolträchtig, aber in dieser Geschichte über das Gebären muss man eben hin und wieder auch auf Nebensächliches kommen.

Scheynius bleibt bis zum Schluss sehr nah dabei. Die Ampullen mit dem Oxytocin, die Schläuche, das verschwitzte Laken nimmt sie mitfühlend aber undramatisch in die Bilderzählung auf. Die Nachgeburt, der kleine glänzende Körper von Ruby in den ersten Minuten ihres Daseins sind ganz klar das, worauf dieser Fotoessay hinzielt.

Ein unförmiges Zelt aus Amanda und ihrem Mann

Und doch ist das berührendste Bild eins kurz vor der Geburt: Amanda im Krankenhauskittel und ihr Mann halten einander, die beiden sind ineinander verknotet zu einem etwas unförmigen Zelt. Die Fotografin steht in einigen Metern Entfernung. Das Grobkörnige des Bildes erzählt mit seiner Diskretion und seinen Belichtungsschwierigkeiten mehr über die Magie dieses Moments als jeder Versuch, das Ereignis selbst dokumentarisch festzuhalten.

Lina Scheynius kennt sich mit Schönheit aus, mit Licht, mit Nacktheit und Intimität. Dafür ist sie bekannt geworden. Aber wovon sie am meisten versteht, und das macht sie zu einer der besten zeitgenössischen Fotografinnen, ist das feine Austarieren von Nähe und Distanz.