DVD "Medienkunst"

Linien, Flächen, Enten: Die Avantgardefilme des Bauhauses

Sie wollten nie von oben, aus irgendeinem Elfenbeinturm, auf die da unten herunterschauen. Im Gegenteil: mit Kunst Gebrauchsprodukte für die Massenkultur herstellen, das war das Anliegen des Bauhauses. In der Medienkunst aber ließ sich dieser Anspruch weniger erkennen. Immer wieder warfen Kritiker der Institution vor, zumindest mit den avantgardistischen Filmen am Ziel vorbeigelenkt zu haben. Zum ersten Mal erscheint nun, zum 90. Geburtstag der Schule, eine DVD aus dem Material solcher abstrakten Kurzfilme: „Medienkunst“, aus der Reihe „Bauhaus Edition“ und herausgegeben von der Stiftung Bauhaus, zeigt ausgewählte Arbeiten von Schülern der Einrichtung wie Werner Graeff oder Kurt Kranz, sowie Bildstreifen von Hans Richter oder Viking Eggeling, dem Bauhaus nahestehenden Künstlern.
 
Es sind meist Farblichtspiele und Abfolgen geometrischer, oft monochromer Körper, Linien und Flächen. Teilweise sind die Bilder mit Musik unterlegt – mal leise, sacht, mal anschwellend bedrohlich. Die zwei- bis 22-minütigen Form-, Farb- und Rhythmusexperimente sind zudem häufig strophisch aufgeteilt oder folgen zumindest einem eigenen melodischen Muster. Manche Arbeiten sind weniger reduziert: explodierende Farbfelder, pulsierende Kreise, Tupfer, Spiralen, ineinander übergeblendet, etwa bei Kurt Kranz’ „Zwanzig Bilder aus dem Leben einer Komposition“. Wie bei einem Blick durch ein Kaleidoskop taucht der Betrachter ab in Fantasiegebilde.
 
Die meisten der Filme schufen die Künstler in der Wirkungszeit des Bauhauses. Allerdings konnten einige erst nach dem Krieg realisiert werden – von den Künstlern selbst umgesetzt und nach ihren früheren Partituren. Viele liegen nur noch fragmentarisch vor. So wurde fast das gesamte Werk von Heinrich Brocksieper bei einem Bombenangriff zerstört. Eine Rarität: Die drei einzig erhaltenen Stücke sind ebenfalls auf der DVD zu sehen. In „Flächen, perpelleristisch“ drehen sich eindimensionale Trapezformen vor schwarzem Hintergrund und lösen so einen Nachbildeffekt auf der Netzhaut aus. Nur in wenigen Sequenzen des gesamten Materials bilden sich aus Linien Formen und aus Formen Gestalten. In Brockensiepers animierter „Ente“ jedoch mutiert eine gezeichnete Flasche, windet, verformt sich, wird zu einem Vogel. Eine Ver- und Zurückwandlung in Endlosschleife produziert.
  
Mit der Geschichte, die Kurt Kranz in „Schwarz: Weiß / Weiß: Schwarz“ erzählt – verschieden breite Stäbe bringen die Vertikalordnung durcheinander –, wollte er den Zuschauer in absolute Verwirrung stürzen, was vielleicht damals tatsächlich möglich war. Heute, in zeitgenössischen Medienumwelten, zündet die Pointe nicht recht. So wie Kranz’ serieller Bildfolge in Aquarell, ergeht es einigen Filmen auf der DVD – das Ergebnis scheint manchmal ins Gegensätzliche verkehrt: Sich in einen psychedelischen Trip hineinzuversetzen, ist das Äußerste an aufwühlender Gefühlsregung, die die ein oder andere Arbeit hervorruft. Manche mag sogar beruhigend wirken.

Die Spuren, die das Bauhaus hinterlassen hat, sind heute so präsent, dass allein deshalb die experimentellen Arbeiten anders wahrgenommen werden müssen als vor 70 oder 30 Jahren. Nicht nur ist die Welt schnelllebiger geworden, in viele unserer Alltäglichkeiten haben Elemente des Bauhauses längst ihren Weg gefunden. Sei es in Videoclips oder wenn geometrische Formen als Schoner über den Computerbildschirm laufen. Die avantgardistischen Filme sind dann doch noch in die Lebenswirklichkeit vorgerückt.


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"Edition Bauhaus: Medien-Kunst" wird herausgegeben von der Stiftung Bauhaus Dessau, erscheint bei absolut Medien und kostet 19,80 Euro. Weitere Informationen unter absolutmedien.de/film-1352