LISTE-Chef Bläuer im Interview

"Wir sehen unsere Aufgabe darin, Künstler bekannt zu machen"

Alle reden von den schwierigen Bedingungen gerade für junge Galerien. Die LISTE Art Fair Basel ist ein Modell, das sich bewährt hat, findet der scheidende Messedirektor Peter Bläuer

Herr Bläuer, die Situation für jüngere und mittelgroße Galerien wird mit Sorge betrachtet, wie sehen Sie die Lage aktuell?
Seit der Banken- und Wirtschaftskrise 2008 wird weniger junge Kunst gekauft. Generell ist die Welt "konservativer" geworden, so auch das Kaufverhalten der Sammler. Man zahlt lieber etwas mehr, wählt bekanntere Namen und denkt dann, man habe mehr Sicherheit. Auch sind seit 2008 viele Sammler verschwunden, die aus von der Krise stark betroffenen Ländern kamen, wie Spanien oder Griechenland. Und dann haben wir das Phänomen, dass immer weniger Leute in Galerien gehen, um Kunst zu kaufen, sondern alle rennen auf Events wie die Messen.

Der Galerist David Zwirner machte ja den Vorschlag, dass große Galerien eine solidarische Abgabe zahlen sollen, um jüngeren oder weniger zahlungskräftigen Galerien eine Messeteilnahme zu ermöglichen. Ist die Idee gut?
Solidarität und Unterstützung ist immer gut! Aber all die Reaktionen auf Davids Bemerkung waren ja sehr zurückhaltend, viel "Ja, aber …" und eigene Probleme. Auf der LISTE unterstützen die etablierteren seit über 20 Jahren die jungen Galerien finanziell. Hinter der LISTE steht kein Messeunternehmen, das auf Gewinnmaximierung aus ist, sondern wir versuchen, so günstig wie möglich zu sein.

Sie haben eine abgestufte Preise und bemessen die Standmiete nach Jahren der Teilnahme. Hat sich das bewährt?
Das hat sich sehr bewährt! Es geht dabei vor allem darum, dass eine Galerie, die neu beginnt, nicht mit zu hohen Kosten belastet wird. Hätten wir im ersten Jahr hohe Preise, könnten es sich viele Galerien gar nicht leisten, auf die LISTE zu kommen. Dabei haben sie diese Unterstützung besonders am Anfang nötig, wenn es wichtig ist, Kontakte zu Sammlern und Museumsleuten zu knüpfen, um in den internationalen Markt zu kommen. Mir haben viele Galerien gesagt, dass sie durch die Teilnahme an der LISTE  einige Jahre gewonnen haben und viel schneller wichtige Kontakte knüpfen konnten.

Wie sieht Ihre Preisstruktur konkret aus?
Galerien, die ganz am Anfang stehen und zum ersten Mal auf die LISTE kommen, bezahlen circa 7000 Schweizer Franken für einen Messestand, der Betrag erhöht sich mit jeder Teilnahme und endet bei circa 12.000 Franken. Galerien, die über acht Jahre alt sind, zahlen dann nochmals etwas mehr, und Solopräsentationen sind günstiger als Gruppenpräsentationen.

Sie sind mit der LISTE ein Inkubator für die zukünftigen Highlights auf dem Kunstmarkt, wie sehen Sie diese Rolle, auch aus wirtschaftlicher Sicht?
Wir vergessen gerne, dass ein großer Teil der Künstlerinnen und Künstler von ihrer Arbeit nicht leben können. Wenn man auf der LISTE ist, bekommt man viel schneller die nötige Aufmerksamkeit. Wir sehen unsere Aufgabe darin, Künstler bekannt zu machen. Viele haben auf Grund ihrer Präsenz auf der LISTE anschließend Ausstellungsbeteiligungen oder Einzelpräsentationen in Museen erhalten. Natürlich geht es auch darum, zu verkaufen. Aber auf der LISTE geht es vor allem darum, sich vorzustellen. Museumsleute sind sehr wichtige Besucher, die nach neuen, jungen und interessanten Künstlern suchen. Die großen Museen und Kunsthallen kommen alle zu uns.

Welche Maßnahmen könnten noch getroffen werden, damit die experimentierfreudigen, künstlernahen Galerien weiter prosperieren können?
Es geht schon vor allem darum, die anderen Kosten für die Galerien niedrig zu halten. Wir organisieren zum Beispiel günstige Privatunterkünfte für unsere Aussteller, wir geben nicht viel Geld für Einladungen, und teure Events aus. Zusatzkosten wie Nägel, etwas Farbe oder das Ausleihen von Bohrmaschinen oder Leitern werden gratis oder zum Selbstkostenpreis abgegeben. Der Katalog wird über Inserate finanziert und das Performanceprojekt mehrheitlich über Stiftungen und Gönner. Im letzten Jahr haben wir einen Freundeskreis gegründet, um unsere Galerien finanziell noch mehr zu unterstützen. Wir konnten so für zehn Galerien, die ein besonderes Projekt vorschlugen, den Standpreis um je 2000 Franken verringern. Der Mitgliederbeitrag beträgt zwischen 50 und 500 Franken. Ich habe die 250 weltweit renommiertesten Galerien in einem persönlichen Brief, nicht Email, gebeten, Mitglied zu werden und ihre jungen Kolleginnen und Kollegen damit zu unterstützen. Was denken Sie, wieviel Galerien Mitglied wurden? Gerade mal zehn! Ich verrate jetzt nicht, ob David Zwirner dazu gehört, der ja 1996 auf der ersten LISTE ausstellte. Man kann sich übrigens auf der Website der LISTE als "Friend of LISTE" jederzeit anmelden. Das Geld kommt ausschließlich den Galerien zugute.

Sie beenden Ihre Aufgabe bei der LISTE nach 23 Jahren, was war für Sie in Ihrer Zeit besonders wichtig?
Eine Struktur für die LISTE zu schaffen, die weiterhin nicht gewinnorientiert ist und sich noch vermehrter um die Förderung von jungen Galerien kümmert. Ich hatte das Glück, dass sich eine Gruppe von Persönlichkeiten aus Basel sich zum Ziel gesetzt hat, die LISTE zu sichern, zu erwerben und als Eigentümerin der Messe eine gemeinnützige Stiftung zu etablieren.  Das wird sehr spannend und eine interessante neue Aufgabe für die neue Direktion: sich noch intensiver um die Förderung der wenigetablierten Galerien und ihrer Kunstschaffenden zu kümmern.

Stand der David-Zwirner-Galerie in den 90er-Jahren auf der LISTE