Insta-Watchlist: Fabian Treiber

"Auf Instagram fühle ich mich missverstanden"

In unserer Reihe "Insta-Watchlist" stellen wir Künstler vor, die uns auf Instagram aufgefallen sind. Diesmal: der Maler Fabian Treiber, der mit pastellfarbenen Interieurs die psychologischen Effekte von Räumen erforscht

Herr Treiber, Ihr Thema ist das Stillleben. Momentan wird viel über die Aktualität von Malerei gesprochen. Was macht Ihre Gemälde aktuell?

Ich habe mich dem Stilleben verschrieben, ja. Wenn man Malerei oberflächlich betrachtet, sieht man zuerst einmal Motive. Das führt schnell in eine Sackgasse. Jemand, der neueste Techniken verwendet oder beispielsweise ein brandneues iPhone malt, beweist damit nicht mehr Zeitgenossenschaft als jemand, der 2020 noch eine Blumenvase malt. Ich habe bewusst zugelassen, dass das Interieur zu meinem Thema wurde. In meinen Bildern verhandele ich klassische Fragestellungen der Malerei: Form und Struktur, Farbe und Komposition, Räumlichkeit und Flächenaufteilung. Was kann der gezielte Einsatz von Farbe und Struktur innerhalb der Leinwand evozieren? Mein Ausgangspunkt ist immer ein Farbklang. So schrullig es klingen mag, ich verhandele archaische Themen in meinen Gemälden.

Was sind das für Themen?

Ich frage mich beispielsweise: Wann wird eine Form ein Ding? An welcher Demarkationslinie entscheidet sich, ob sich eine bloße Farbfläche inhaltlich oder formal für den Betrachter auflädt und eine Lesbarkeit entwickelt? Ein gemalter Stuhl ist ja kein Stuhl, sondern erfüllt bestenfalls nur dessen typologische Eigenschaften, damit wir ihn als solchen identifizieren und zuordnen können. Ich kehre gewissermaßen an den Punkt zurück, an dem die Malerei sich langsam von der Wiedergabe der Realität gelöst und begonnen hat, aus sich selbst heraus Behauptungen aufzustellen.   

Sie arbeiten viel mit Pastellfarben. Da denkt man schnell an Tumblr und Pinterest in Verbindung mit Interieurs.

Genau. Obwohl ich mir nicht gedacht habe: Ah, Tumblr, geile Farbpalette! Natürlich stolpere ich täglich über Interieurs in den sozialen Medien, beim Malen kommen diese Einflüsse dann auf der Leinwand zusammen. Seit 2014 male ich Interieurs, damals habe ich noch in Öl gearbeitet. Als ich mit Materialien experimentiert habe, wurde meine Palette pastelliger. In meinen Bildern deutet alles darauf hin, dass die Räume hoch artifiziell sind. Nichts daran stimmt. An diesen Bruchstellen kann sich Malerei als Medium emanzipieren.

Wie macht sich die Emanzipation der Malerei bemerkbar?

Mit jedem Bild untersuche ich etwas. Ich gehe nicht von einem Motiv aus, also, da ist nicht die kalifornische Villa, die auf meine Leinwand muss. Ich trete in den Dialog mit dem Material, meiner Idee, inneren Bildern und vagen Vorstellungen von dem Bild. Das Motiv entwickelt sich, ich bin dauernd gefragt und muss mitgehen. Das Interieur gibt mir den Halt, weil der Rahmen vorgegeben ist. Dabei treffe ich die Entscheidungen immer formal und nicht narrativ. Das führt dazu, dass die Bilder irgendwie nicht stimmen, aber doch richtig sind. Der Effekt hier ist, dass das Falsche die Malerei emanzipiert. Innerhalb dieses Rahmens wiederum stellen sich weitere Fragen: Was machen leere Räume mit uns? Woran erinnern uns leere Räume?

Und was machen leere Räume mit uns?

Das muss jeder für sich selbst beantworten. Meine Räume sind ja nicht leer. Ich setze keine Menschen ins Bild. Alles zeugt jedoch von menschlicher Existenz. Mir gefällt die Idee, dass der Betrachter mit den Räumen und letztlich mit sich allein ist.

Wie erklären Sie sich das neue Interesse an Malerei im digitalen Zeitalter? In der Ausstellung "Jetzt" werden gerade die Werke von über 50 Malern und Malerinnen gezeigt. Was macht das Medium heute so aktuell?

Schwierige Frage. Bewegungen und Diskurse verlaufen nie eindimensional. So erkläre ich mir, dass es innerhalb der Malerei wieder sehr viele ausdifferenzierte Strömungen gibt, aber auch wieso das Interesse am gemalten Bild im digitalen Zeitalter wieder zunimmt. Vielleicht steckt dahinter auch ein Missverständnis, wenn auch ein sehr konstruktives. Gemalt wurde ja immer, und ich halte das Medium in seiner einzigartigen Sprache für unerlässlich. Das Interesse könnte ebenso ein Nebeneffekt der Bildersucht und des vermeintlich Niederschwelligen sein, der Aufmerksamkeitsökonomie beziehungsweise dem Streben jedes Einzelnen nach grenzenloser Individualität. Diese Sehnsucht erfüllt dann vielleicht nur die Kunst, im Speziellen die Malerei.

Malerei ist auch sehr präsent auf Instagram. Sie haben fast 13.000 Follower. Seit wann sind Sie auf Instagram?

Erst seit 2016, also bin ich relativ spät dazu gekommen. Ein Freund hat mir auf einer Autofahrt von Instagram erzählt. Kenne ich nicht, habe ich nie gehört, sagte ich zu ihm. Er bestand darauf, dass ich mich damit beschäftige. Von Beginn an habe ich die Plattform als Werkzeug für mich verstanden. Ich habe meinen Followern zuerst einmal Einblicke in meinen Arbeitsalltag und damit in die Entstehung meiner Werke gewährt. Nicht jeder kann mein Atelier besuchen: So sieht es bei mir aus, so gehe ich vor, sage ich auf Instagram. Anfangs fand ich es viel geiler. Heute überlege ich mir: Kann ich das überhaupt posten? Ist das interessant? Passt das Gemälde zum Bild davor? Ich bin dem Medium gegenüber sehr skeptisch. Auf Instagram fühle ich mich missverstanden. Was meine Arbeiten ausmacht, ist auf Instagram nicht zu erkennen: die Details, die Oberfläche, das Material. Das digitale Abbild kann das nicht leisten.

Sie zeigen trotzdem auf Instagram ausschließlich Ihre Arbeiten.

Mein Leben ist nicht so spannend. (lacht) Wenn ich mich neben ein Gemälde stelle, bekommt das Posting mehr Likes. Erschreckend! Ich zeige mich trotzdem ungern selbst. Ich bin kein Selbstdarsteller. Instagram funktioniert für mich über Motive. Ein monochromer Maler wird auf Instagram keinen Erfolg haben. Da ist dann ein gelbes Bild und noch ein gelbes Bild und noch eins. Meine Motive triggern die Menschen auf Instagram.

Weil die Räume ein Gefühl von Vertrautheit schaffen?

Ja, weil sie einladend wirken, weil wir sie zu kennen glauben, weil sie uns erinnern. Obwohl es eher instabile Prototypen einer uns bekannten Realität zu sein scheinen, fühlen wir uns hingezogen. Gleichzeitig scheinen sie zu verstören, weil sie widerspenstig sind. Sie scheinen auf eine sehr archaische Weise etwas in uns auszulösen. Diese Gefühle – Hingabe, Ablehnung, das Störende, das Seltsame oder Unbehagen – sind unglaublich produktiv und sehr verführerisch.

Funktionieren Ihre Bilder auch so gut auf Instagram, weil gerade das Interieur so allgegenwärtig ist?

Das mag sein. Die Leute zeigen ihr eigenes Arkadien. Sie kaufen sich einen Blumenstrauß, den sie in eine fancy Designervase stecken und fertig ist das Posting. Ich übe daran keineswegs Kritik, mich irritiert dieses Phänomen eher ein wenig. Ich verliere das Interesse, wenn die Gegenstände in meinen Gemälden zu konkret werden. Bei mir geht es um die Idee von einer Pflanze. Ich muss keine Monstera malen. Wenn der Betrachter stockt, um genauer hinzusehen, bleibt er am Bild hängen. Das mag eine krude Vorstellung von mir sein, aber ich habe das Gefühl, dass etwas, das aussieht wie eine Blumenvase, und beispielsweise viel zu klobig und groß geraten ist, viel zuträglicher für die Malerei ist als ein klar erkennbarer Gegenstand.