Fotografie
Harf Zimmermann hat in Berlin fast drei Jahrzehnte lang viele Brandmauern fotografiert, in der "Berliner Zeitung" spricht er über den Begriff der Stunde, mit dem man auch die Abgrenzung der anderen Parteien zur AfD bezeichnet – was den Fotografen wundere. "Mal sehen, wozu der Begriff noch alles herhalten muss. Aber Brand und Mauer sind natürlich starke Worte – und darum geht es in der Politik, oder?" Was ihn an den realen Brandmauern interessiert? "Keine Mauer ist exakt wie die andere, egal wie akkurat die Maurer gearbeitet haben. Wenn sich über diese – sagen wir – individuellen Merkmale dann noch Spuren von Ereignissen legen, dann entsteht etwas Einzigartiges, Wunderbares. Die Mauern sind dann wie Dokumente. Sie erzählen in verschiedenen Schichten von ihrer Entstehung bis heute. Brandmauern sind nun noch mal ganz besondere Mauern."
Kunstmarkt
In der "FAZ" berichtet Ursula Scheer über die erste internationale Live-Auktion von Sotheby's in Saudi-Arabien: "Mit seiner Premierenauktion fügte sich Sotheby’s also in das aktuelle kulturpolitische Narrativ der Saudi-Dynastie ein, die nebenbei mit Unsummen für prestigeträchtige Sportveranstaltungen wie die Fußball-WM 2034 Imagepflege betreibt. Menschenrechtsverletzungen unter der absoluten Monarchie oder die Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi sind da schnell vergessen. Ein Auktionshaus ist allerdings auch kein politisches Unternehmen zum Zwecke des Demokratieexports, sondern will Handel treiben. In Saudi-Arabien trifft das Unternehmen des israelisch-französischen Geschäftsmanns Patrick Drahi dabei durchaus auf den Wunsch nach Weltoffenheit – und eine dynamisch sich entwickelnde Gesellschaft mit Hunger nach Luxus. Das ist der neben dem Immobilienhandel der Geschäftsbereich, der bei Sotheby’s zuletzt am besten lief."
Film
Innerhalb kürzester Zeit ist der Musical-Thriller "Emilia Pérez" vom größten Favoriten zum Buhmann der diesjährigen Oscar-Verleihung geworden. Schuld sind zum Teil sehr alte Tweets der Hauptdarstellerin Karla Sofía Gascón, die von einer Journalistin in Kanada jetzt - nur rund vier Wochen vor der Verleihung am 2. März in Los Angeles - entdeckt und ans Tageslicht gebracht wurden - und die vor Rassismus, Islamfeindlichkeit und auch vor bösartiger Kritik an Kolleginnen der Branche strotzen. Die Beiträge der Spanierin, die als erste Transfrau für den Oscar als beste Hauptdarstellerin nominiert wurde, lösten eine Welle der Empörung und des Entsetzens aus. Dabei hatte sich die 52-Jährige erst wenige Tage vor Ausbruch der Affäre über Attacken, Bedrohungen und Beleidigungen im Netz beschwert. Gascón bestritt im Prinzip die Echtheit der meisten ihr zugeschrieben Skandal-Tweets nicht. Sie schloss schnell ihren X-Account, entschuldigte sich auch. Den Totalschaden kann sie damit aber wohl nicht mehr verhindern. Branchenblätter und Experten sind sich einig: Gascón habe mit ihren von Journalistin und Podcasterin Sarah Hagi aufgedeckten Posts (eine Auflistung bringt "The Objective") nicht nur ihre persönlichen Hoffnungen zunichtegemacht, als Transfrau Filmgeschichte zu schreiben. Sie habe außerdem die Chancen der französischen Produktion, die mit 13 Nominierungen bei der 97. Oscarvergabe ganz vorn liegt, ernsthaft gefährdet. Organisationen wie der Rat für muslimische Öffentlichkeitsarbeit in Hollywood zeigten sich schockiert und forderten Konsequenzen. Selbst in der spanischen Heimat der wie Hollywoodstar Penélope Cruz in Alcobendas nahe Madrid geborenen Frau geht man mit Gascón hart ins Gericht. Sie habe "fast alle ihre Chancen und auch die des Films zu Grabe getragen", kommentierte am Sonntag die Zeitung "El País". "Ich bin sicher, dass der Film leer ausgeht", meinte der angesehene Filmexperte Pau Brunet. Bei den Wettbüros stürzten die Quoten des Streifens derweil in den Keller. Gascón beleidigte nach Berichten von Medien wie "El País" unter anderem Araber und Katalanen, den Islam und die katholische Kirche, Prominente wie Miley Cyrus, Adele und sogar ihre "Emilia Pérez"-Codarstellerin Selena Gómez. Auch vor einem Todesopfer der Polizeigewalt in den USA wie George Floyd, den sie als "Junkie" bezeichnet habe, machte die Frau demnach nicht Halt. "Ich bin ein Mensch, der auch Fehler gemacht hat, macht und machen wird, aus denen ich aber lernen werde", meinte sie in einem ihrer Statements. Ihre Entschuldigung blieb aber ohne die gewünschte Wirkung, unter anderem weil ihre Rechtfertigung, die Tweets seien ironisch und zum Teil aus dem Kontext gerissen worden, auf viele halbherzig gewirkt hat. Zudem sprach sie von einer "Kampagne des Hasses", die auf sie als Transfrau und auf ihre Arbeit abziele. In ihrem ersten Interview nach Ausbruch des Skandals sagte sie zu "CNN en Espanol": "Das Erste, was ich ohne Zweifel tun möchte, ist, mich bei allen Menschen zu entschuldigen, die sich durch meine Art der Ausdrucksweise möglicherweise beleidigt gefühlt haben (...) Man hat mir vorgeworfen, rassistisch zu sein, und das bin ich nicht." Sie benutze "viel Ironie, Sarkasmus, manchmal auch Übertreibung", sagte sie auch zu einer Verharmlosung von Adolf Hitler. Einige Tweets seien zudem von "einigen Medien erfunden" worden. Auf ihre Oscar-Nominierung wolle sie nicht verzichten, betonte sie. Ins Visier der Kritik geriet unterdessen nicht nur Gascón, die sich vor ihrem internationalen Durchbruch mit "Emilia Pérez" eher mit kleineren Rollen in zumeist weniger erfolgreichen spanischen und mexikanischen Filmen und TV-Produktionen begnügen musste und keineswegs als Star galt. Auch der Streamingdienst Netflix als Film-Hauptvertreiber und die United Talent Agency (UTA) als Vertreterin der Darstellerin werden zur Rechenschaft gezogen. "So viel Tolpatschigkeit ist schon erstaunlich. Die große Frage lautet: Wieso hat niemand die alten Tweets des neuen Weltstars überprüft?", schreibt "El País".
Vom Fauxpas Karla Sofía Gascóns dürften in erster Linie "Der Brutalist" (mit dem Musical "Wicked" hinter "Emilia Pérez" mit je zehn Oscar-Nominierungen an Platz zwei) profitieren: Adrien Brody brilliert in Brady Corbets Drama als jüdischer Architekt und Holocaust-Überlebender, der in den USA neu anfängt. Während Jens Hinrichsen in seiner ausführlichen Monopol-Kritik begeistert ist von dem Film, fällt das Urteil von Kunstkritikerin Eva Díaz bei "ArtReview" verhaltener aus. Eine "neoliberale Fantasie" sei der Film, denn "die reduzierte Darstellung eines ausgebeuteten kreativen 'Genies'" mache die "Individuation zum entscheidenden Merkmal der Existenz".
Mode
Der Designer Kilian Kerner verteidigt in der "taz" die Berlin Fashion Week gegen ihre Kritiker: "Die Berlin Fashion Week hatte schon immer ihre Höhen und Tiefen. Nach ihrem Start 2007 gab es zwischen 2010 und 2014 eine richtig krasse Hochphase, in der wir international viel Aufmerksamkeit bekommen haben. Seit sich Mercedes als Sponsor 2022 zurückgezogen hat, hat man sich hier komplett neu aufgestellt. Ich finde das sehr gut. Klar, die Presse schreibt immer wieder, dass es in Berlin nicht gut laufen würde. Aber wir als Designer würden ja nicht jedes Jahr zweimal teilnehmen und sehr viel Geld dafür ausgeben, wenn es uns nichts bringen würde. Wir Designer sehen das glaube ich nicht so wie die Leute, die darüber schreiben."
Kulturpolitik
Auch 2026 muss der Kulturbereich überproportional viel sparen, wie der kulturpolitische Sprecher der Grünen, Daniel Wesener, in der "Berliner Zeitung" zusammenfasst: "Die zusätzlichen Kürzungen im Kulturetat in Höhe von 34 Millionen Euro im Jahr 2026 würden zwar etwa im Durchschnitt liegen, summierten sich aber mit den Beschlüssen im 3. Nachtrag auf ein Minus von fast 170 Millionen Euro im kommenden Jahr auf: 'Das ist eine Kürzung der Kulturförderung um rund 20 Prozent zum ursprünglichen 2025er Planansatz. Das macht natürlich nichts einfacher', so Wesener." Auch eventuelle Rücklagen sind in einem Jahr dann wohl aufgebraucht, warnt Autorin Susanne Lenz.
"ZDF aspekte" hat am Freitag eine ganze Sendung über die Sparpläne für die Kultur des Berliner Senats ausgestrahlt. Zu Gast war dort auch die Band Tocotronic, die im ebenfalls bedrohten Kunstverein Schinkel Pavillon in der aktuellen Sigmar-Polke-Ausstellung ihren neuen Song "Bleib am Leben" aufführte. Eine Botschaft auch an den Kunstbetrieb: Durchhalten!
Der besondere Ort
Mehr Berghain wagen! In der "Berliner Zeitung" hat allein ein Autor (Stefan Hochgesand) in den vergangenen acht Wochen elf Artikel zu dem Berliner Club geschrieben. Erläutert werden Fragen wie die, ob 14 Euro für einen Espresso-Martini angemessen sind oder ob man beim Feiern Handys benutzen sollte oder nicht. Hier noch ein paar Ideen, das ist noch nicht auserzählt: Werden Historiker eines Tages auf die Zurückweisung von Elon Musk an der Berghain-Tür zurückblicken wie auf die Ablehnung Hitlers durch die Kunstakademie? Wann kommt die Seniorenkarte für Rave-Veteranen? Und wieviel Clickbait gibt eine Subkultur her, die sich der Verwertungslogik eigentlich entziehen will?