Yad Vashem identifiziert fünf Millionen Holocaust-Opfer, Documenta-Kuratorin Beckwith an der Kunsthochschule Kassel und männliche Gewaltfantasien in KI-Videos:
Kunstbetrieb
In der "HNA" berichtet Mark-Christian von Busse über den ersten Auftritt der neuen Documenta-Leiterin Naomi Beckwith an der Kunsthochschule Kassel, wo sie sich als Gastprofessorin vorstellte. Im Gespräch mit Studierenden erklärte sie, Kunst sei für sie vor allem "conversation", ein Dialog, in dem viele Stimmen zusammenkommen wie in einem Chor. Ihre Rolle als Kuratorin sehe sie darin, "Sie diese Ideen sehen zu lassen", also Verbindungen sichtbar zu machen. Beckwith betonte, dass Wissen heute leicht verfügbar sei, wirklicher Austausch aber nur im Gespräch entstehe. Auch in der Lehre wolle sie selbst lernen und reisen, um, wie sie sagte, "Kulturen aus ihrer eigenen Sichtweise heraus zu verstehen". Kunst habe, so Beckwith, "ein sehr langes Gedächtnis" – und bleibe gerade dadurch politisch.
Laut Donald Trump durchleben die USA gerade ein "goldenes Zeitalter", aber wie Margaret Carrigan auf "Artnet News" berichtet, gilt das nicht für das furchtbare Goldkunstwerk Castello Cube des deutschen Künstlers Niclas Castello. Der österreichische Investor Klemens Hallmann, der 32 Prozent an der 400 Pfund schweren Skulptur aus 24-karätigem Gold hält, muss seinen Anteil im Zuge seiner Insolvenz verkaufen. Der Würfel, 2022 im New Yorker Central Park präsentiert wurde, war ursprünglich "not for sale" und diente als PR-Vehikel für Castellos Kryptowährung Castello Coin. Hallmanns finanzieller Zusammenbruch verwandle den Würfel nun, so Carrigan, "von einem Symbol der Spekulation in ein Lehrstück über Liquidation". Der Künstler selbst spricht von einem Werk, das "beyond our world" existieren solle – jetzt ist es tief in der realen Ökonomie gelandet.
Im Gespräch mit Maik Novotny beschreibt der Bukarester Galerist Marian Ivan seine Heimatstadt in der "Fallstaff"-Serie "Living" als "eine spontane Stadt voller Humor, mit cooler Energie und vielen Überraschungen". Bukarest habe sich in den letzten Jahren stark verändert, so Ivan – mit neuen Galerien, Ateliers und Museen sei eine lebendige Kunstszene entstanden. Entscheidend seien nicht die großen Institutionen, sondern kleine, flexible Initiativen wie Tranzit, Salonul de Proiecte oder die Malmaison Studios. Seine eigene Galerie gründete Ivan 2007, "weil viele Künstler:innen ihre Arbeiten nicht in staatlichen Museen zeigen wollten". Heute zählt sie zu den wichtigsten Adressen der Stadt – und Bukarest, sagt Ivan, sei "ein perfekter Ort für die Kunst".
Museen
Der "Grumpy Guide" im Düsseldorfer Kunstpalast ist im "Guardian" angekommen: Der Kunsthistoriker Carl Brandi führt als ruppige Kunstfigur Joseph Langelinck Besucher durch die Sammlung – und beschimpft sie dabei genüsslich. "Ich beleidige sie als Gruppe, um sie so unwissend wie möglich fühlen zu lassen", erklärt Brandi dem "Guardian"-Korrespondenten Philip Oltermann. Die 70-minütigen Führungen, beworben als "hochgradig unangenehm", sind seit Monaten ausverkauft. Inspiriert von "rude waiter"-Restaurants, dreht Brandi das Machtverhältnis zwischen Museum und Publikum um: "Menschen finden es erfrischend, wenn jemand sagt, dass das Museum keine Ahnung hat." Selbst Gescholtene wie die Besucherin Corinna Schröder geben zu: "Ich fühlte mich wie zurück in der Schule – aber es war sehr lustig."
Bücher
In der "London Review of Books" widmet sich Rosemary Hill Martin Parrs autobiografischem Bildband "Utterly Lazy and Inattentive", der auf Gesprächen mit Wendy Jones basiert. Der Titel geht auf ein Schulzeugnis zurück, in dem Parr als "völlig faul und unaufmerksam" bezeichnet wurde – ein Urteil, über das er heute, wie Hill schreibt, "stolz" ist. Sie zeichnet nach, wie der Fotograf aus der Beobachtung des Alltäglichen ein Werk von präziser sozialer Satire formte. Hill betont, dass Parr seine Form von Humor aus britischer Satire und Künstlern wie Tom Lehrer oder Tony Hancock ableitet, aber "einen unerbittlich kalter Blick“ auf seine Motive richte. Die Autorin vergleicht ihn mit Hogarth – als Beobachter ohne Empathie, der die britische Gesellschaft zwischen Spießigkeit und Spektakel entlarvt.
Gedenkkultur
Die israelische Gedenkstätte Yad Vashem hat fünf Millionen Jüdinnen und Juden namentlich identifiziert, die während des Holocaust ermordet wurden. Dies sei ein Meilenstein nach sieben Jahrzehnten intensiver Forschungs- und Dokumentationsarbeit, teilte die Einrichtung in Jerusalem mit. Die Namen seien in der zentralen Datenbank von Yad Vashem verzeichnet und online in sechs Sprachen zugänglich. Die Datenbank umfasse auch Hunderttausende "Personenakten", die Auskunft über Leben und Schicksal einzelner Opfer geben. Diese Informationen hätten es zahlreichen Familien ermöglicht, verschollene Verwandte zu finden und ihrer Angehörigen zu gedenken. Die Namen von etwa einer Million Holocaust-Opfern seien noch unbekannt, "viele werden wohl für immer im Dunkeln bleiben", hieß es in der Mitteilung. Das Team von Yad Vashem arbeite aber daran, mit Hilfe Künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen rund 250.000 weitere Namen zu ermitteln. "Fünf Millionen Namen zu identifizieren, ist sowohl ein Meilenstein als auch eine Mahnung an unsere noch nicht erfüllte Verpflichtung", sagte der Vorsitzende von Yad Vashem, Dani Dayan. "Hinter jedem Namen steht ein Leben, das zählte – ein Kind, das nie erwachsen wurde, ein Elternteil, der nie zurückkehrte, eine Stimme, die für immer verstummte. Es ist unsere moralische Pflicht, dafür zu sorgen, dass an jedes Opfer erinnert wird, damit niemand in der Dunkelheit der Anonymität zurückbleibt."
KI
Alexandra Zykunov warnt im "Spiegel" vor der Flut täuschend echter KI-Videos seit Markteinführung von Sora 2 durch OpenAI. Sie beschreibt, wie Prompts heute "perfekt gefakte" Clips erzeugen — oft "gewaltvolle und sexistische Erniedrigung" gegen Frauen und Mädchen — und befürchtet, dass dadurch "eine ganze Generation von Mädchen und Frauen sich aus dem digitalen Raum zurückzieht". Zykunov zitiert die Tech-Expertin Aja Jaff: "Das ist also das Ökosystem, aus dem Maschinen lernen, was ›Intimität‹ ist." Sie berichtet, dass Deepfakes überwiegend Frauen treffen und besonders Junge die Videos konsumieren; indirekt warnt sie, dass solche Inhalte sexuelle Gewaltfantasien normalisieren. Als Verzweiflungsbild endet der Text mit der Empörung einer Bekannten: "Oh Gott, ich möchte Social Media und AI abfackeln."