Medienschau

"Palast der Ausschweifungen und Kapriolen"

Monopol Medienschau

Ist Macrons große Vision für den Louvre nur ein Hirngespinst? Was taugt der neue MoMA-Direktor? Warum bleibt der Koalitionsvertrag in Sachen Kultur so vage? Das ist unsere Presseschau am Freitag

Kulturpolitik

Björn Hayer ist in der "Frankfurter Rundschau" enttäuscht von dem, was der Koalitionsvertrag von CDU und SPD für die Kultur vorsieht. Zwar betone der Vertrag die Bedeutung kultureller Teilhabe, Vielfalt und Antirassismus, doch konkrete finanzielle Zusagen fehlen weitgehend. "Während in dem vor Geschenken nur so strotzenden Bereichskapitel der Ampel nichts unerwähnt blieb, was es zu unterstützen galt – darunter die Clubszene, die Games-Industrie, die Künstlersozialkasse und die Bibliotheken –, halten sich CDU und SPD mit Festlegungen eher zurück. Statt innovative Schwerpunkte gezielt zu fördern, setzt man etablierte Programme wie 'Kultur macht stark' oder 'Kultur in ländlichen Räumen' fort und stellt anderes (so beiläufig, dass es kaum jemandem bei der kursorischen Lektüre ins Auge fällt) auf den Prüfstand." Fortschrittliche Projekte wie der Kulturpass oder eine strukturelle Verlagsförderung blieben hingegen ungewiss. Die Verantwortung für kulturelle Förderung werde teilweise auf private Sponsoren und Stiftungen abgewälzt, während etablierte Institutionen kaum Erwähnung fänden.​

Museen

Nach monatelanger Spekulation hat das Museum of Modern Art (MoMA) in New York Ende März überraschend bekannt gegeben, dass Christophe Cherix, bisher Chefkurator für Zeichnungen und Druckgrafik, im Herbst Glenn Lowry als Direktor ablösen wird. Diese Entscheidung sei für viele in der Kunstwelt überraschend gewesen und wurde auch mit Enttäuschung aufgenommen, schreibt Rachel Corbett in einem langen "Vulture"-Artikel mit Reaktionen auf die Wahl: "Viele Beobachter hofften, dass Lowrys Nachfolger jung - oder zumindest jünger - sein würde und vielleicht jemand, der nicht weiß ist. Viele dachten, das Museum würde eine Frau wählen." Unter den spekulierten Namen seien prominente Museumsdirektorinnen wie Thelma Golden, Sasha Suda und Suhanya Raffel gewesen. Stattdessen fiel die Wahl auf Cherix, einen 55-jährigen, in Genf geborenen Experten für konzeptuelle Kunst, der seit 18 Jahren am MoMA tätig ist, aber außerhalb des Hauses wenig bekannt war. Viele sehen in seiner Ernennung eine Fortsetzung von Lowrys Kurs. Cherix sei ruhig, zurückhaltend und bislang nicht administrativ in Erscheinung getreten. Dass er Lowry nahesteht, wurde als mitentscheidend für die Wahl gewertet. Die Reaktionen reichten von enttäuscht bis spöttisch. Während Performance-Künstlerin Marina Abramović den "sicheren" Charakter der Entscheidung betonte, kritisierten andere die mangelnde Ambition. Für viele symbolisiert die Personalie die Absicht, keine allzu großen Veränderungen zu riskieren – ein "weiter so" für ein ohnehin als elitär geltendes Museum.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat ein ambitioniertes Umbauprojekt für den Louvre angekündigt: Eine neue unterirdische Eingangsanlage samt eigener Halle für die "Mona Lisa", modernisierten Besucherbereichen und Raum für bis zu 12 Millionen Gäste jährlich. Die Direktorin Laurence des Cars hatte zuvor auf den maroden Zustand des Museums hingewiesen und ein Notprogramm gefordert. Doch während Macron das Projekt mit Notre-Dame vergleicht und auf Finanzierung durch höhere Eintrittspreise, Abu-Dhabi-Einnahmen und Sponsoring setzt, fehlten – vor allem angesichts der angespannten Haushaltslage – konkrete Zusagen, schreibt "The Art Newspaper". Kritik komme von Gewerkschaften und Medien: Sie bemängeln fehlendes Personal und werfen der Direktion sowie dem Präsidenten Symbolpolitik vor. Ein früherer Masterplan zur Sanierung wurde offenbar aufgegeben. Der neue Plan sei überdimensioniert und risikobehaftet – besonders wegen der Lage im hochwassergefährdeten Seine-Uferbereich. "In einem Artikel, in dem der Louvre unter Des Cars als 'Palast der Ausschweifungen und Kapriolen' bezeichnet wird, schlägt die Zeitschrift L'Express vor, dass die Besuchsbedingungen zu weitaus geringeren Kosten verbessert werden könnten, indem mehr Personal eingestellt, die im Laufe der Jahre geschlossenen Eingänge des Museums geöffnet und die Öffnungszeiten verlängert werden (die Säle des Louvre schließen um 17.30 Uhr)." Beobachter vermuten hinter Macrons Vorstoß den Versuch, kulturell zu glänzen, ohne dass bislang eine solide Finanzierung oder ein breiter Konsens zu seinen Plänen besteht. 

Porträt

Der New Yorker Performancekünstler John Giorno, einst Muse von Andy Warhol, rückt aktuell durch eine Ausstellung bei der Triennale Milano und seine kürzlich auf Deutsch erschienene Autobiografie neu in den Fokus. "Mehr als 50 Jahre, unzählige Schallplatten, ein Internet, diverse Social-Media-Netzwerke und eine neue, ganz andere Pandemie später hat Giornos Hauptwerk nichts an Poetik oder Relevanz verloren", meint Hilka Dirks in der "Taz". "Das bedingungslose Gefühl im Zentrum seines Werks, die Fürsorge, die Bescheidenheit und das stets Flüchtige, das sich bis zum Ende (fast) gänzlich der Marktlogik der Kunst entzieht, scheinen heute wieder progressiv und aktuell: '[…] Now that life is ravaged offer love from the same root of boundless compassion'."

Podcast

Das Gallery Weekend Berlin hat jetzt einen Podcast: In "The Art Podcast" sprechen die Kunstkritikerinnen Enuma Okoro von der "FT Weekend" und Silke Hohmann von Monopol mit Künstlern und Künstlerinnen der diesjährigen Ausgabe und ermöglichten tiefere Einblicke in deren Arbeitsweise. In der ersten Folge erzählt die britisch-kroatische Künstlerin Marianna Simnett von ihrer Kindheit auf einem Boot, ihrer engen Verbindung zu Tieren und ihrer feministischen Neubearbeitung griechischer Mythologie. In ihrem neuen Video "Leda Was a Swan" wird Leda nicht als Opfer, sondern als selbstbestimmte Heldin gezeigt. Dieses Werk ist Teil ihrer kommenden Einzelausstellung "Charades", die am 2. Mai in der Galerie Sociéte eröffnet. Weitere Podcast-Folgen mit Monica Bonvicini, Zuzanna Czerbatul, Melissa Joseph und anderen erscheinen bis zum Gallery Weekend wöchentlich, ab Mai dann monatlich.