Medienschau

"Unsere müden Herzen sehnen sich nach einem Hauch des Erhabenen"

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Wer sind Anne Imhofs Performer? Wie rechts ist die KI-Ästhetik? Und treffen Caspar David Friedrichs Bilder einen Nerv im neo-romantischen Amerika? Das ist unsere Presseschau am Mittwoch

Debatte

Während Künstlerinnen und Künstler durch konservative und rechte Regierungen unter Rechtfertigungsdruck geraten, fragt Morgan Falconer im "Guardian", ob man Kunst abschaffen sollte - zugunsten einer radikaleren Vision von Kreativität. "Auch wenn die Forderung nach dem Ende der Kunst wie ein Mantra für verrückte Radikale oder Philosophen und Obskurantisten klingt, kann der Glaube an ihre Möglichkeit uns helfen, die Welt neu zu sehen." Mit Ausflügen in die Kunstgeschichte von Piet Mondrian zu Fluxus will Falconer seine Leserschaft ermutigen, Kunst nicht als etwas Starres zu sehen, "das nur jemand anderes besitzen darf. Behalten Sie die Kreativität."

Interview

Marco Evaristti will auf das Leid der Massentierhaltung aufmerksam machen und wollte zu diesem Zweck drei Ferkel verhungern lassen, wie unter anderem Monopol berichtete. Im Deutschlandfunk Kultur erzählt der chilenisch-dänische Künstler, dass die Ferkel jetzt in Sicherheit sind und als "Flüchtlinge" in einem Kloster in Dänemark leben sollen. Er zeigt sich sehr zufrieden, dass seine Ankündigung weltweit so viel Aufmerksamkeit erlangt hat.

Malerei

Die aktuelle Retrospektive von Caspar David Friedrich im Metropolitan Museum of Art in New York falle in eine Zeit, die von einem neo-romantischen Moment geprägt ist, findet Hakim Bishara in "Hyperallergic": "Friedrich und die Romantiker lebten in unsicheren Zeiten, die von schmerzhaften sozio- und geopolitischen Umwälzungen geprägt waren, so wie wir es heute tun. Sie lehnten sich gegen die Tyrannei der Vernunft und die schwindelerregenden Fortschritte der Technik auf, und das könnten wir auch. Und genau wie sie sehnen sich unsere müden Herzen und entfremdeten Seelen nach einem Hauch des Erhabenen." Doch Friedrichs Kunst habe auch eine düstere Seite: Im nationalsozialistischen Deutschland sei sie von den Nazis vereinnahmt worden, um eine völkische Ideologie zu fördern. "Diese Episode der Geschichte hat uns gelehrt, dass mit dem richtigen Demagogen der Abstand zwischen Nostalgie und Völkermord erschreckend kurz sein kann. Das ist die Gefahr, der wir heute mit dem Aufstieg der nationalistischen extremen Rechten in Europa und den USA erneut ausgesetzt sind."

Bücher

Im Mittelpunkt des neuen Romans "Die Richtige" von Martin Mosebach steht ein Maler: Louis Creutz sieht Frauen als "Subjekt" seiner Malerei, wobei er ihren Körper gesichtslos darstellt - was eine emotionale Verbindung verhindert. Creutz verachtet die moderne Kunstästhetik und strebt nach vollendeten Werken, die er monatelang bearbeitet, ohne Rücksicht auf das Durchhaltevermögen der Modelle. Seine neue Muse, die Schwedin Astrid Thorblén, wird jedoch zunehmend bewusst, dass sie Creutz nur als Medium seiner Kunst beachtet. Der Roman beschreibe "die Kehrseite dieser absoluten, hermetischen Künstlerexistenz", nämlich "das Fehlen menschlicher Empathie", meint Dieter Borchmeyer in seiner Besprechung in der "NZZ". "Alles und jeder wird von ihm dem gegenwärtigen Interesse seiner Kunst geopfert." Astrid wendet sich schließlich ab, Creutz reagiert mit einer Art "künstlerischer Rache", indem er das Bild, das er von ihr geschaffen hat, vernichtet. "Eine pessimistischere, um nicht zu sagen zynischere Entlarvung des Kunstbetriebs und des Absolutheitsanspruchs eines Künstlers, der sich doch immer wieder in das Netzwerk dieses Betriebs verstrickt, ist kaum denkbar. Mosebach schildert sie mit gnadenloser Objektivität. Das gelingt ihm umso fesselnder, als er selbst ein Malerdichter par excellence ist, der sich – wie in seinem letzten Roman 'Taube und Wildente', der ebenfalls um ein Gemälde kreist – an der gegenständlichen Objektivität der bildenden Kunst orientiert."

Performance

Die Malerin Eliza Douglas, eine der Protagonistinnen in Anne Imhofs dreistündiger Performance "Doom: House of Hope" in der New Yorker Park Avenue Armory, stellt auf "Artnet" ihre Mitstreiterinnen vor, darunter Coco Gordon Moore, die Tochter von Sonic Youths Kim Gordon und Thurston Moore. In dem lose choreografierten Stück bewegen sich die Künstler und Tänzerinnen in der riesigen Halle zwischen großen schwarzen Autos, Musikinstrumenten und Sitzgruppen, während das Publikum dazwischen herumlaufen kann. 

KI

Wie rechts ist die KI-Ästhetik? Das fragt Annekathrin Kohout in ihrer "taz"-Kolumne "Feed Interrupted". "In den Social Media und in medienanalytischen Texten werden sie oft abwertend als 'Slop' (Abfall, Ausscheidungen) bezeichnet: als kultureller Schund. Und sie werden zunehmend als 'Ästhetik der Rechten', als hilfreicher visueller Bullshit-Generator und Propagandainstrument wahrgenommen und kritisiert." Obwohl Kohout das nicht so ohne Weiteres mitgehen will, mahnt sie doch am Ende: "Statt diese visuelle Goldgrube Rechten und Autoritären zu überlassen, sollte die progressive Kultur aufhören, sich vor der demokratisierten Bildmacht zu fürchten. Es geht jetzt darum, sie innovativ zu nutzen. Andernfalls werden wir in einer grotesken kulturpolitischen Schleife gefangen bleiben: Während wir über die vermeintlich 'rechte' Slop-Ästhetik theoretisieren, erobert die Rechte ungestört die Bildwelt des 21. Jahrhunderts."

Stadtplanung

In der "SZ" nervt Architekturkritiker Gerhard Matzig, dass Deutschland sich mit kleinen, eher symbolischen Änderungen wie der Neugestaltung von Zebrastreifen beschäftigt, während die Infrastruktur des Landes dringend umfassende, tiefgreifende Erneuerung benötige: Wohnungsnot, marode Schulen, verrottende Straßen, unterfinanzierte Kulturbauten und eine überlastete Verwaltung seien größeren und dringenderen Infrastrukturprobleme des Landes. Er fordert eine ernsthafte, zielgerichtete Verwendung der geplanten 500 Milliarden Euro für echte, strukturelle Verbesserungen. "Infrastruktur ist die 'Kunst des kollektiven Wollens' (Hanno Rauterberg). Auch das kollektive Können wäre etwas Schönes. Bis dahin kann der Zebrastreifen erst mal so bleiben wie der in der Abbey Road. Vier Typen sind seinerzeit ohne größere Schäden drübergegangen."

US-Politik

Die Zukunft einer riesigen Sammlung von Kunstwerken im öffentlichen Raum ist ungewiss, da die Trump-Administration plant, Mitarbeiter zu entlassen, die mehr als 26.000 Werke im Besitz der US-Regierung bewahren und pflegen, darunter Gemälde und Skulpturen berühmter Künstler, von denen einige bis in die 1850er-Jahre zurückreichen. Mitarbeiter der General Services Administration berichteten der "Washington Post", "dass mindestens fünf Regionalbüros in der vergangenen Woche geschlossen wurden und dass mehr als die Hälfte der rund drei Dutzend Mitarbeiter der Abteilung in Erwartung ihrer Kündigung abrupt beurlaubt wurden. Die Mitarbeiter äußerten die Befürchtung, dass die Kürzungen eine Sammlung wertvoller Kunstwerke bedrohen, die in Bundesgebäuden im ganzen Land untergebracht sind, darunter Alexander Calders 'Flamingo' von 1974 im John C. Kluczynski Federal Building in Chicago und Michael Lantz' 'Man Controlling Trade' von 1942 vor dem Gebäude der Federal Trade Commission in D.C."