Medienschau

"Jeder leidet gerade"

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Galeriensterben in New York, der rätselhafte Tod eines Mäzens und Museumsbesuche mit Baby: Das ist unsere Presseschau am Dienstag

 

Kunst und Geld

In der "New York Times" schildert Julia Jacobs den Fall des Kunstmäzens Matthew Christopher Pietras, dessen versprochene Spende von 10-Millionen-Dollar an die New Yorker Metropolitan Opera als unrechtmäßig entlarvt wurde – kurz bevor er tot in seiner Wohnung aufgefunden wurde. Jacobs beschreibt, wie Pietras als junger Förderer umworben wurde, im Met-Vorstand aufstieg und Galas leitete. Laut der Autorin wirft der Vorfall Fragen nach der Prüfung großer Spenden auf; sie erinnert an den Fall Alberto Vilar, bei dem mangelnde Kontrolle zu erheblichen finanziellen Verlusten führte. Pietras' Tod und mögliche Rückforderungen setzen nun Met und Frick Collection unter Druck.


Museen

Kann ein Museumsbesuch mit Baby zur entspannten Kultur-Auszeit werden – oder ist er eher ein Spießrutenlauf? Im österreichischen "Standard" schildert Katharina Rustler ihre Selbstversuche in Wiener Kunsthäusern – vom umständlichen Zugang über versteckte Seiteneingänge und fehlende Barrierefreiheit bis zu strikten Regeln, die in manchen Häusern sogar das Stillen in den Ausstellungsräumen untersagen. Zwar seien Kinderwagen fast überall erlaubt, doch Aufzüge funktionierten oft nur nach mehrmaligem Klingeln – oder gar nicht. Was für Eltern mit Säuglingen ein temporäres Ärgernis sei, stelle für Menschen mit Rollstuhl oder Gehbehinderung eine gravierende Barriere dar, so Rustler. Positiv hebt sie Häuser wie das Belvedere hervor, das mit der Führung "Mit Baby im Museum" auf Eltern im ersten Lebensjahr eingeht. Auch das wiedereröffnete Wien-Museum am Karlsplatz sei mit barrierefreien Zugängen, flexiblen Rückzugsorten und kulantem Personal vorbildlich. Viele große Häuser hätten dagegen Nachholbedarf, wenn es um Angebote für Eltern mit Babys gehe. Inspiration könne sich Wien laut Rustler vom Kinderkunstlabor in St. Pölten holen, das sich bereits an Kinder ab null Jahren richte und zugleich Erwachsene mitdenke.

 

Kunstmarkt

Nachdem gerade Blum, Venus Over Manhattan und Kasmin ihr Ende angekündigt haben, schließt mit Clearing eine weitere New Yorker Galerie. In "Artnet News" erklärt der Betreiber Olivier Babin, warum nach 14 Jahren Schluss ist: "Jeder leidet gerade", sagt er, selbst große Galerien. Der Kunstmarkt sei kein "Zirkuszelt" mehr, die Käufer blieben aus, gleichzeitig gäbe es hohe Fixkosten. Babin betont, es habe "mehr Aufwand und weniger Belohnung" gebracht, sowohl finanziell als auch geistig. Früher habe er Ausstellungen vollständig ausverkauft, heute sei es ein Erfolg, 60 Prozent zu verkaufen. Bei einer Gewinnmarge von maximal zehn Prozent habe er "wortwörtlich keinen Cent verdient" und stehe nun "wieder bei null". Schlussendlich habe er "alles versucht" – und sei doch gescheitert.


Nachruf

In der "taz" erinnert Yelizaveta Landenberger an den ukrainischen Künstler und Aktivisten David Chichkan, der mit 39 Jahren an der Front gestorben ist. "David Chichkan träumte von einer 'sozialen Ukraine der Zukunft, die mit Freiheit und Gleichheit erfüllt ist'", schreibt die Autorin, "davon, dass 'der russische Imperialismus zerschlagen und die dem Kreml unterjochten Völker ihre Unabhängigkeit erlangen'". Chichkan sei als Granatwerferschütze nahe Saporischschja im Einsatz gewesen, wo er am zunächst schwer verletzt worden und am 10. August seinen Verletzungen erlegen sei. Landenberger erinnert daran, dass der russische Angriffskrieg in der Ukraine bereits mehrfach Künstlerinnen und Künstlern das Leben gekostet hat. "Chichkan ist einer von den zahlreichen ukrainischen Künstler:innen, die mittlerweile im Kampf gegen die russischen Invasoren gestorben sind, wie auch die Malerin Margarita Polovinko vor vier Monaten. Sie wurde nur 31 Jahre alt. Das ukrainische Kulturministerium zählte zuletzt 219 Kulturarbeiter:innen, die seit Beginn der Großinvasion als Sol­da­t:in­nen oder Zi­vi­lis­t:in­nen umgekommen sind."

 

Geburtstage

Der französische Architekt Jean Nouvel wird 80. In der "FAZ" würdigt Matthias Alexander den "Liebling der arabischen Welt", der sich selbst einmal als Meister der "Kontextualisierung“ beschrieben habe. Wichtigster Bezugspunkt sei dabei die Zeit, in der man lebe. Konstant in seinem Werk bleibe das Spektakuläre, "nicht abgeleitet aus dem Geist des Gefälligen, sondern verbunden mit dem Willen zum Unbedingten, Radikalen". Alexander verweist auf Bauten wie den streng gerasterten Justizpalast von Nantes, die Pariser Galeries Lafayette, das Louvre Abu Dhabi oder das Nationalmuseum von Katar in Form einer Sandrose, die Nouvels Ruf als Schöpfer architektonischer Wahrzeichen gefestigt hätten.


Und noch ein 80. Geburtstag: In der "Welt" beschreibt Boris Pofalla, wie Wim Wenders in seiner Bonner Retrospektive "W.I.M. – Die Kunst des Sehens" zu seinem runden Jahrestag einem Lebensgefühl nachspürt, das kaum noch existiere: dem klassischen deutschen Nachkriegsweltschmerz. "Der Himmel über Berlin" (1987) etwa fange mit seinen langen Schwarz-Weiß-Passagen und Blicken auf das West-Berlin von 1987 eine Melancholie ein, die aus heutiger Sicht unwiederbringlich sei: "Es ist der Sog der Zeit, der aus diesen Bildern herausgreift", schreibt Pofalla, "und dann wird einem bewusst, dass das ja alles hier längst vergangen und niemals wiederzubeschaffen ist: die mit der Schreibmaschine getippten Skripte und die Kindheitserinnerungen aus der Trümmerzeit, der ungebrochene Glaube an Gefühl und Ausdruck, an Rock'n'Roll, Sinnsuche und Selbsterfahrung, die Sehnsucht nach Amerika und Frankreich. Der klassische deutsche Nachkriegsweltschmerz ist dabei auszusterben, mitsamt seinen Bluesgitarren, 35mm-Kopien und den schönen alten Autos. Wim Wenders hat früh einen Sinn für Orte bewiesen, die bald darauf verschwinden würden, wie das West-Berlin des Jahres 1987." Auch "NZZ"-Autor Jörg Restorff würdigt Wim Wenders zu seinem 80. Geburtstag am 14. August. Die Kunstgeschichte, so schreibt er, habe den Regisseur weit mehr geprägt als die Filmtradition: Fast sei Wenders Maler geworden, stattdessen mache er "Filme wie Gemälde". Die Bonner Retrospektive zeige ihn als Universalgenie, das neben Kino auch Fotografie, Malerei und Collage betreibe. Besonders eindrücklich sei das "Pathos der Leere" in Arbeiten wie "Wyeth Landscape" (2000), einer Hommage an den amerikanischen Maler Andrew Wyeth, das Wenders' anhaltende Faszination für die melancholische Schönheit weiter Landschaften offenbare. Eine Rezension der Wenders-Schau von Monopol-Autor Daniel Kothenschulte lesen Sie hier.