Medienschau

"Die tristen Dandyallüren des Meisterkünstlers"

artikelbild_monopol-medienschau

Markus Lüpertz über seine Zeit als Rektor der Kunstakademie, Klaus Lederer zerlegt Weimers Plädoyer für mehr Kunstfreiheit – dazu Interviews mit Zasha Colah, Arne Glimcher und Marion Ackermann: Unsere Presseschau am Dienstag

Debatte

Klaus Lederer begrüßt im "Tagesspiegel" zwar Wolfram Weimers Bekenntnis zur Kunstfreiheit (siehe unsere Medienschauen von vergangener Woche hier, hier und hier), kritisiert jedoch dessen Beitrag als pathetisch und inhaltlich schwach. Weimer inszeniere sich als ideologiefreier Verteidiger der Mitte, blende dabei aber autoritäre Tendenzen eben dieser Mitte aus. Seine Kritik an "Kulturkämpfen" sei einseitig und ignoriere rechte Angriffe auf Kunstfreiheit zugunsten einer Schelte gegen progressive Milieus. Lederer warnt, wer sich ideologiefrei gebe, verdecke oft eigene Machtpositionen. Zudem vermisst er klare Aussagen zu materiellen Bedingungen künstlerischen Schaffens – eigentlich Weimers Aufgabe. Die Inszenierung konservativer Stimmen als Opfer linker "Cancel Culture" hält er für überzogen. Die eigentliche Gefahr für die Freiheit der Kunst gehe nicht von "Wokeness", sondern von rechtsautoritären Kräften aus. Weimers Appell wirke deshalb kraftlos: "Sein Leuchtfeuer bleibt ein schummriges Teelicht".

Kunstausbildung

In einem Interview mit der "Welt am Sonntag", das nun online steht, sprechen Nils Emmerichs und Cornelius Tittel mit Markus Lüpertz über dessen Zeit als Rektor der Kunstakademie Düsseldorf. Lüpertz, der die Akademie über zwei Jahrzehnte leitete, erklärt darin, er habe eine Kunstschule nach dem Vorbild von Raffaels "Schule von Athen" geschaffen – mit einer "philosophischen Hintertreppe". Er betont: "Ich bin Meister, und der Meister hat Schüler", und widersetzt sich zeitgenössischen Begriffen wie "Studierende". Fotografie sei keineswegs vernachlässigt worden, so Lüpertz, man habe mit den Bechers bewusst auf Exklusivität gesetzt. Pädagogisches Talent war für ihn bei Berufungen zweitrangig – entscheidend sei künstlerische Größe gewesen. Den Konflikt um Joseph Beuys schilderte Lüpertz als politisch motiviert und betonte dessen "schamanenhafte" Wirkung. Kritik übt er am heutigen Kunstbetrieb: Viele Museen seien karriereorientiert und risikoscheu. Er setze hingegen auf eine "Rückkehr der Malerei", die Fantasie wecke, statt Erklärung zu liefern. Schriftsteller Rainald Goetz kommentierte das Interview auf Instagram: Lüpertz würde lauter "herrliche Sachen" sagen, "dabei hält er äußerlich an den tristen Dandyallüren des Meisterkünstlers fest, die er seit Menschengedenken kultiviert, was aber durch die Frische des von ihm Gesagten wie ein Witz wirkt, den er selbst über die öffentlich kursierende Lüpertz-Figura macht." Eine Langfassung des Interviews erscheint demnächst im Kunstmagazin "Blau International".

Kunstmarkt

In der "NZZ" schildert Arne Glimcher im Gespräch mit Rico Bandle seinen Weg vom unbekannten Galeristen zum Gründer der weltbekannten Pace Gallery. Der 87-Jährige erinnert sich, man habe ihn einst für verrückt gehalten, weil er Künstler wie Warhol oder Rothko unterstützte. "Kaum jemand erkannte die Bedeutung dieser avantgardistischen Werke", sagt Glimcher rückblickend. Auch heute sei sein Antrieb nicht der Markt, sondern die persönliche Beziehung zu den Künstlern. Jasper Johns' Werk "Three Flags" verkaufte er 1980 für eine Million Dollar – ohne Provision. Die Kunst habe ihn "mit Ekstase und Hoffnung" erfüllt, etwa in Momenten der finanziellen Not. In unsicheren Zeiten glaube er an die Kraft der Kunst: "Irgendwo da draussen ist die neue Kunst bereits da – wir wissen es einfach noch nicht."

Berlin Biennale

In einem Interview mit Radio 3 spricht die Kuratorin Zasha Colah über ihre 13. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst. Als Ausgangspunkt diente ihr eine Begegnung mit einem Fuchs – für sie ein Symbol für Flüchtigkeit und das Wandern von Bedeutungen zwischen Menschen. Colah beschreibt die Biennale als kollektive "Technologie, um Denken und Entscheidungen zu verlangsamen" – ein Gegenmodell zur Beschleunigung durch Künstliche Intelligenz. Viele der gezeigten Werke stammen von Künstlerinnen und Künstlern aus Krisenregionen, auch aus Gefängnissen oder dem Untergrund heraus geschaffen. Die Kuratorin betont, dass Kunst auch dort entstehe, wo sie kaum sichtbar sei. Berlin sei dafür ein idealer Ort – "saturiert mit Kunst, Kultur, Diskurs und widerständigem Denken", so Colah. Der Titel "Pass the Fugitive on" sei dabei als Handlungsanweisung zu verstehen: Kunst als "glühende Kohle", die man weitergeben müsse – vorsichtig, erinnernd, überdauernd.

Museen

Im Interview mit der "Berliner Zeitung" spricht Marion Ackermann, neue Präsidentin der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, mit Timo Feldhaus über Herausforderungen und Ziele ihrer Amtszeit. Sie wolle die Reform der SPK vorantreiben, internationale Partnerschaften ausbauen und Museen stärker in gesellschaftliche Debatten einbinden. Ackermann betont: "Eine national-chauvinistische Haltung haben wir uns zum Glück abgewöhnt" und setzt auf Kooperation und Restitution auf Augenhöhe. Sie sieht Museen als "Schulen des Sehens", auch im Umgang mit KI. Zudem will sie Frauen gezielt fördern und die deutsche Einheit im Kulturbereich weiterdenken. Die SPK verstehe sie als "lernende Institution".

Pop

In der "Zeit" fragt Tobi Müller, ob das Musikvideo als Kunstform vor dem Aus steht. Früher Avantgarde und Identitätsmedium des Pop, wird es heute durch Fanvideos, Eventmitschnitte und Social-Media-Clips verdrängt. Müller beschreibt, wie Budgets schwinden, Stars wie Beyoncé auf Fanmaterial setzen und Plattformen wie TikTok Intimität statt Inszenierung fordern. Höhepunkte wie Adeles "Hello" oder Childish Gambinos "This Is America" seien selten geworden. Dennoch sieht Müller Hoffnung: In Tanzclips, körperlicher Präsenz und DIY-Ästhetik könnte das Musikvideo als Ausdruck von Widerstand und Fantasie neu auferstehen: "Tanzen heißt auch, den normierten Bewegungszyklen von Schlafen, zur Arbeit fahren, Sitzen, nach Hause fahren, Streamen und wieder Schlafen etwas entgegenzusetzen."