Porträt
Unter der Überschrift "Why Are Museums So Afraid of This Artist?" porträtiert M.H. Miller im "T Magazine" der "New York Times" den deutschen Künstler Hans Haacke. Die Antwort ist: "Mit beharrlicher Klarheit schien er ein halbes Jahrhundert vor allen anderen zu verstehen, was in der unbequemen Beziehung zwischen Kunst und Politik auf dem Spiel steht." Das mache die Arbeit des 88-Jährigen so prophetisch in einer Gegenwart, wo Begriffe wie "Artwashing" und "toxische Philanthropie" gang und gebe sind, um die Rolle zu beschreiben, die Museen und andere kulturelle Einrichtungen bei der Aufwertung des Images von Unternehmen und Milliardären spielen. Miller hat sich drei Mal hintereinander mit dem Künstler, der nach einer Operation gerade im Rollstuhl sitzt, in New York getroffen. "Haacke ist nicht verschlossen, aber er hat sein Bestes getan, um seine Arbeit für sich selbst sprechen zu lassen. Gelegentlich erklärt er sich zu Interviews bereit, aber in der Regel zeigt er sein Gesicht nicht auf Fotos. (Fotografiert zu werden 'wäre ein Problem für mich', sagte er, das einzige Mal, dass er einen leicht ernsten Ton anschlug). Er ist hager, hat einen ordentlich gestutzten grauen Bart und eine runde Brille und trägt ein locker sitzendes Flanellhemd. Es war schwierig, das, was ich über sein Werk wusste, das Reichtum und Macht unversöhnlich kritisiert, mit dem Mann selbst in Einklang zu bringen, der zurückhaltend, freundlich und manchmal so sanftmütig war, dass seine Stimme unter dem Geräusch der Busse, die ein paar Meter entfernt zum Stehen kamen, unhörbar war. Er ist einer der am meisten zensierten Künstler der letzten 100 Jahre, und doch schien er unfähig, Wut oder Ärger zu zeigen." Im November eröffnet Haacke eine große Ausstellung in der Schirn Kunsthalle in Frankfurt am Main.
Interview
Vor seiner Ausstellung im New Yorker MoMA hat Angelika Drnek für die "Zeit" mit dem Bildhauer Thomas Schütte gesprochen, ein Interview, das zwar im Teaser als "klein" angepriesen wird, aber dann doch ganz schön lang und tief ist. So geht es auch um das Altern und Sterben: "Gesund sterben ist das Ziel. Mit 82 ein Mal nicht aufpassen und die Treppe runterfallen. Langes Leiden ist nicht toll, und Selbstmord ist auch keine Lösung, hab ich mal probiert – vor 40 Jahren. Mit Pillen und einer Flasche Ballantine's. Nach zwei Tagen rief mich meine Mutter an, ich habe abgehoben, die Ärzte haben mich ausgelacht. Aber die Hilflosigkeit im Alter ist schon ziemlich erniedrigend, denke ich. Wenn man nichts mehr selber kann. Deshalb bin ich ganz froh, wenn ich alle paar Wochen mal eine Putzsession mache. Ich habe ja keine Putzfrau, da muss man sich schon selber bücken." Putzen helfe gegen Angst und Verzweiflung, denn "in Putzmitteln ist ordentlich Droge drinnen, vor allem in den bunten Flaschen. Ich denke, den eigenen Dreck wegzumachen, das ist schon ein Anfang."
Ausstellung
Was würde der verstorbene Aktionskünstler und Theatermacher tun, wenn er noch lebte? Mit dieser - etwas müßigen - Frage sieht sich Philipp Bovermann in der Ausstellung "Christoph Schlingensief – Deutschlandsuche" in der Berliner Galerie Crone konfrontiert: "Es liegt nun schon der Abstand eines Zeitalters zwischen heute und dem Jahr 2010, als er starb", schreibt Bovermann in der "SZ". "Und eines ist klar: Wenn Christoph Schlingensief mit einer Zeitmaschine in die Gegenwart käme, dann nicht, um uns zu retten. Macht es gefälligst selbst, hätte er gerufen." Dennoch seien heute überall Schlingensief-Strategien am Werk: "Alle bedienen sich heute bei Methoden der Medienmanipulation, die Schlingensief damals ausprobiert hat wie ein Kind beim Spielen mit einer rosa glitzernden Kriegswaffe. Seine Erben finden sich beim 'Zentrum für Politische Schönheit' oder dem 'Peng Kollektiv', im breiten Graubereich zwischen Aktivismus und künstlerischen Interventionen, wenn irgendwo ein historischer Ausbeutungshintergrund nicht ausreichend 'kritisch' berücksichtigt wurde, vor allem aber in den politischen Bewegungen, die mit der Haltung antreten, der gemeinsame Kontext politischer Debatten – die Gegenwart – sei eine Erfindung und sie erfänden nun einfach einen neuen. Was leider fast so sexy ist wie damals bei Christoph Schlingensief, mit dem Unterschied, dass sie sich die Täuschung selbst glauben. Niemand scheint mehr über den Dingen zu schweben. Nur dieser Text und sein Autor vermögen es, jawohl." Das Wiedersehen mit Schlingensief und seinen politischen Inszenierungen tue weh, schreibt Rüdiger Schaper im "Tagesspiegel": "Weil man diesen irren Typen vermisst, der einmal sagte: 'Wir suchen vielleicht deshalb immer nach etwas, an das wir glauben können, weil wir das Vertrauen in uns selbst verloren haben.' Und weil vieles, was seinerzeit trotz aller Lautstärke und Intensität doch nicht so ernst genommen wurde, jetzt bittere Realität ist."
Kunstmarkt
Kerstin Schweighöfer erinnert in der "Zeit" an die Kunstsammlerin Helene Kröller-Müller (1869–1939), die ihrer Zeit weit voraus gewesen sei: "Keine versnobte Industriellengattin, die sich nur aus Langweile mit Kunst beschäftigte, sondern eine wahre Enthusiastin. Hier fand sie, was sie dringend suchte: einen tieferen Sinn für ihr Leben. Und ließ nichts unversucht, andere mit ihrer Begeisterung anzustecken. Die Kunst wurde ihre Mission."
Debatte
Der Kultursektor will ressourcenschonender arbeiten und seinen Beitrag zur ökologischen Umgestaltung der Gesellschaft leisten. Aber wie läuft das in der Praxis? Das war Thema des Panels mit dem Titel "Green Deal für die Kultur", das das Monopol-Magazin in Zusammenarbeit mit der E.ON Stiftung zur Berlin Art Week veranstaltete. Es diskutieren die Künstlerin Antje Majewski, Jacob Sylvester Bilabel vom staatlich geförderten Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit sowie Stephan Muschick, Geschäftsführer der E.ON Stiftung. Die Moderation hatte Monopol-Chefredakteurin Elke Buhr. Hier können Sie die Aufzeichnung der Veranstaltung sehen: