Medienschau

"Nun ist wieder Trump-Show, das große, ziemlich gefährliche Gesamtkunstwerk"

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Kunst eines unter Missbrauchvorwürfen stehenden Ex-Jesuiten in der Papst-Wohnung, Elon Musks "Hitlergruß" als Projektion am Brandenburger Tesla-Werk und im Jonathan-Meese-Vergleich: Das ist unsere Presseschau am Donnerstag

Debatte

Mit Bezug auf einen Buchtitel des Künstlers Philipp Ruch ruft Florian Illies in der "Zeit": Nein, es ist nicht 5 vor 1933! "Wir haben in Deutschland trotz all unserer parallelen Krisen des Januar 2025 noch nicht die brodelnde Problemlage vom Januar 1933, weder die Polarisierung noch die Zentrifugalkräfte haben die damalige Dimension erreicht." Und: "Die apokalyptische Zuspitzung einer Warnung vor 33 wird durch ihre Wiederholung nicht schärfer, sondern nutzt sich ab. Denn es ist nicht 5 vor 1933, sondern 92 Jahre danach. Keine Gesellschaft wird sich je in einen überwundenen historischen Zustand zurückbeamen. Und – das ist entscheidend – anders als damals haben wir in Deutschland die negative historische Blaupause immer vor Augen." 

Und nochmal Philipp Ruch: Seine Aktivistengruppe Zentrum für politische Schönheit (ZPS) und das Kollektiv Led by Donkeys haben am Mittwochabend Bilder gepostet, die Projektionen an der Fassade des Tesla-Werks in Grünheide zeigen: Unter anderem war zu sehen, wie das Wort "Heil" vor den Schriftzug Tesla projiziert wird. Darunter ist Tesla-Gründer Elon Musk während seiner umstrittenen Geste nach Trumps Vereidigung abgebildet, die viele Beobachter an einen Hitlergruß erinnerte. Zunächst sprach die Polizei von einem Fake-Foto, jetzt ermittelt aber die Staatsanwaltschaft, ironischerweise wegen des Anfangsverdachts der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Zeigte Elon Musk doch den Hitlergruß, fragt der "Tagesspiegel" süffisant. Zur Aussage der Polizei, der Wachschutz des Tesla-Werkes habe nichts bemerkt, sagte der ZPS-Sprecher dem Blatt: "Die wissen sehr genau, dass das stattgefunden hat. Tesla verfügt über ausreichend Überwachungskameras auf dem Werksgelände, um das herauszufinden."


Timo Feldhaus empfiehlt in der "Berliner Zeitung" anlässlich der Musk-Hitlergruß-Diskussion einen Blick auf einen Prozess, den der Künstler Jonathan Meese vor Gericht austragen musste und in dem es um die Frage ging, ob die Kunstfreiheit das Zeigen des Hitlergrußes unter Umständen abdeckt. Beide treibe der Wunsch nach Provokation. "Sorgen machen darf man sich dabei durchaus, denn Meese ist der selbsternannte Fürsprecher einer 'Diktatur der Kunst'. Und Musk und erst recht Trump wären ja recht unverhohlen gerne wieder die Diktatoren der Demokratie USA. Am selben Tag unterschrieb der amerikanische Präsident übrigens erste Dekrete – zum ersten Mal vor Publikum, auf einer Bühne. Nachdem er diese unterzeichnet hatte, warf er den Stift dem kreischenden Volk hin, das sich um die Reliquie stritt. Ja, nun ist wieder Trump-Show, ein Bühnenstück, das große, ziemlich gefährliche Gesamtkunstwerk. Wir sind die täglichen Zuschauer. Vor allem ist es aber auch eine kaum mehr fassbare Wirklichkeit."

In der Wohnung des Papstes Franziskus im vatikanischen Gästehaus Santa Marta hängt weiterhin ein Kunstwerk des unter Missbrauchsverdacht stehenden Ex-Jesuiten Marko Rupnik, wie katholisch.de anhand eines aktuellen Videos des Vatikans herausgefunden hat: "Das Werk des umstrittenen slowenischen Geistlichen zeigt den schlafenden Josef mit einem Engel. Nach katholisch.de-Informationen handelt es sich bei dem Gemälde um ein Detail eines größeren Kunstwerks für die Kapelle des Bischofs auf der kroatischen Insel Hvar, Ranko Vidović. Rupnik hatte die Arbeiten an der Kapelle 2023 persönlich beendet – trotz des Reise- und Arbeitsverbots, das ihm vor seinem Ausschluss aus dem Jesuitenorden auferlegt worden war." Rupnik werden seit Jahren verschiedene Formen des Missbrauchs vorgeworfen. "Unter anderem beschuldigen mehrere Frauen den Slowenen, er habe sie sich unter Ausnutzung seiner Autorität sexuell gefügig gemacht. Ermittlungen des Jesuitenordens unter Leitung des vatikanischen Glaubensdikasteriums endeten mit der Feststellung, dass die mutmaßlichen Verfehlungen Rupniks verjährt seien. Schließlich untersagte der Jesuitenorden Rupnik 2022 die öffentliche Ausübung seines Priesteramtes."

Museen

Zehn Jahre war Daniel Baumann Direktor der Kunsthalle Zürich, nach seinem Abschied zieht er im Podcast des Schweizer "Frida"-Magazins Bilanz: Er wirft einen kritischen Blick auf seine Zeit in Zürich, spricht über die inflationäre Unübersichtlichkeit der Kunstwelt und über die Arroganz und die Machtposition von Institutionen.

Brände in Los Angeles

Während in LA neue Brände neu aufflammen, schreibt Diedrich Diederichsen in der "taz" noch einmal ein kulturgeschichtliches Porträt der Stadt mit einem kurzen Abriss ihrer realen und fiktionalen Apokalypse. Er greift dabei nicht nur auf den in diesen Tagen viel zitierten Mike Davis zurück, sondern auch auf eine These, die er auch 2013 in der von ihm ko-kuratierte Ausstellung "The Whole Earth. Kalifornien und das Verschwinden des Außen" am Berliner HKW verfolgte: "L. A. ist der Ort, an dem die koloniale Eroberung Amerikas an die 'Mauer des Pazifiks' stieß, von wo aus daher die Kolonisierung des Innen, der Psychen und der Triebe ihren Anfang nahm: durch deren kapitalistische Verwertung und deren Einsatz der neu entstandenen Kontrollmechanismen (asiatische Religionsimporte, Kybernetik, New Age und Selbstoptimierung). In dieser Welt, die dann bald digitalisiert die Welt erobert, ist Kritik nur noch ein Genre neben anderen, das auch nur dazu beiträgt, das Kursieren und Distribuieren von Content am Rollen zu halten – nicht Fehlentwicklungen aufzuhalten. Allenfalls sind, wie wir jetzt wissen, manche Angehörige der kalifornischen Tech-Eliten besonders scharf darauf, die Ökoverbrechen, auf denen ein großer Teil der südkalifornischen Urbanität basiert, zu verschärfen, statt sie einzudämmen oder ihre Schäden zu reparieren. Letzteres, die drohende, nun auch inhaltliche Machtübernahme dieser Tech-Eliten in diesen Tagen und Jahren verleiht den aktuellen Bränden in L. A. den apokalyptischen Unterton, der jenseits von konkreter Empathie hierzulande gerade zelebriert wird."