Debatte
Oskar Piegsa geht in der "Zeit" noch einmal der Aufregung um das Kunstwerk "Dexter and Sinister" in den Hamburger Deichtorhallen nach - und will es diesmal besser machen, ausführlicher, ausgewogener sein als in einem seiner früheren Artikel über den Fall. Zur Erinnerung: Ein Schild, das das Kollektiv New Red Order neben seine Arbeit in der seit Mai geöffneten Ausstellung "Survival in the 21st Century" aufgestellt hat, zog Antisemitismusvorwürfe auf sich. "Nach dem ersten Artikel in ZEIT und ZEIT ONLINE stellten die Künstler eine detaillierte Chronik ihrer Wahrnehmung des Konflikts zur Verfügung und äußerten sich ausführlich in einem Interview per Videocall. Anschließend wurden die Kuratoren und die Leitung der Deichtorhallen mit strittigen Punkten konfrontiert. Auf Grundlage dieser Dokumente, Gespräche und E-Mails entstand dieser zweite, deutlich ausführlichere Artikel als Versuch, ein vollständigeres Bild des Konflikts zu zeichnen. Es ist die Schilderung eines Einzelfalls, der aber vielleicht symptomatisch ist für die Konflikte im Kulturbetrieb nach dem 7. Oktober 2023. Ein Bericht darüber, wie ein ambitioniertes kuratorisches Projekt von den Ereignissen des Zeitgeschehens überholt wurde – und wie ausgerechnet eine Ausstellung, die sich als eine politische versteht, an einer politischen Meinungsverschiedenheit zu zerbrechen drohte."
Podcast
Olaf Scholz, Bodo "Rhabarberbar" Wartke, Annalena Baerbock – alle kommen in den Podcast "Hotel Matze" und jetzt auch Jonathan Meese. Er soll hier die Frage beantworten: "Wie können wir Deutschland retten?" Muss Deutschland gerettet werden? Und wer ist "wir"? Man könnte den Podcast einfach hören, aber die Ankündigung klang dann aber eher abschreckend, sodass "wir" es erstmal gelassen haben: Meese erkläre, "wie er 'sein Ich herausfurzt', was er nach eigener Aussage regelmäßig tut. Wir sprechen über den Unterschied zwischen dem Ich und dem Selbst, über Ängste, Ideologien und Gefühlskollektivierung, es geht um Freiheit, Liebe und Träume und darum, Türen in türlosen Räumen zu suchen." Aber Meese beim Meesesein und dem Verfertigen seiner Kunstsprache zuzuhören, ist ja eigentlich immer toll.
KI
Fallen Museen auf Refik Anadol herein, fragte Monopol vor gar nicht langer Zeit. Nun eröffnet der Künstler sein eigenes Museum: Dataland, das weltweit erste KI-Kunstmuseum soll in Los Angeles eröffnen und eine "Schnittstelle zwischen menschlicher Vorstellungskraft und dem kreativen Potenzial von Maschinen" beleuchten, berichtet unter anderem der "Guardian": "Mit Dataland, so Anadol, hoffen er und sein kleines Team von Künstlern und Technologen, das Museum für das Zeitalter der künstlichen Intelligenz neu zu erfinden und gleichzeitig die innovative Arbeit digitaler Künstler hervorzuheben, die von traditionelleren Kunsteinrichtungen lange Zeit mit Skepsis betrachtet wurden, sowie einen Raum für die laufende wissenschaftliche und technologische Forschung zu bieten."
Performance
Triggerwarnungen und Awareness-Konzepte sind ihre Sache nicht; ja, das Zeitalter "der politischen Correctness, in der wir leben", erinnert Marina Abramović sogar an das kulturelle Klima zu Zeiten des Kommunismus in ihrem Heimatland Jugoslawien. Und dass sie für ihre Retrospektive in der Londoner Royal Academy vergangenes Jahr einige ihrer frühen Performances – etwa "Imponderabilia", bei der das Publikum sich zwischen zwei nackten Performern hindurchquetschen muss – entschärfen sollte, ging ihr gehörig gegen den Strich. Doch klein beigeben war für die Extremperformerin noch nie eine Option, was auch ihr neuestes Projekt zeigt: In Manchester will Abramović nächstes Jahr eine erweiterte Version ihres "Balkan Erotic Epic" aus dem Jahr 2005 aufführen, das jahrhundertealte folkloristische Rituale erforscht. In einem davon, so erzählte sie jetzt dem britischen "Telegraph", liefen die Frauen des Dorfs – "von 15 bis zu alten Frauen in den 80ern" – auf die Felder, hoben ihre Röcke und "zeigten ihre Vagina", um die Götter zu erschrecken, damit der Regen aufhörte. "Die Vorstellung, dass die Macht einer Vagina den Regen stoppen kann, ist unglaublich", so Abramović. In Manchester will sie das Ritual mit 24 Tänzerinnen und Tänzern durchführen – "Sie können sich die Wirkung auf die Engländer also vorstellen."
Museen
Der Louvre hat einen Clip mit Lady Gaga veröffentlicht, in dem die US-Sängerin durch das nächtliche, leere Pariser Museum wandelt. Es ist ein Ausschnitt aus dem Video zu ihrer neuen Single "The Joker", der den zweiten Teil des "Joker"-Films bewirbt, in dem Gaga eine Hauptrolle spielt. In dem Clip malt sie in der Rolle von Lee Quinzel alias Harley Quinn mit einem Lippenstift ein Lächeln auf das Sicherheitsglas vor Leonardos "Mona Lisa", sodass sich ihr Lächeln in ein scharlachrotes Grinsen verwandelt. "Le Figaro" findet die Aktion nicht so gut: Diese Geste erinnere an Vandalismusakte, die in den letzten Monaten in mehreren Einrichtungen an Gemälden, darunter auch auf die Mona Lisa, verübt wurde. Das Museum verteidigt sich, dass es sich um eine "rein fiktive" Szene als "Hommage" handele, an die Figur des Jokers, einen der Feinde Batmans im DC-Comic-Universum, aber auch an Leonardo da Vinci: "Zur Zeit ihrer Entstehung konnte dieses Lächeln auch als onomastisches Spiel interpretiert werden: giocondo bedeutet auf Italienisch 'glücklich'. Die Gioconda ist also eine glückliche Frau, deren natürliches Attribut das Lächeln ist. Der Joker und die Mona Lisa haben eine gemeinsame Etymologie: jocus auf Lateinisch. Ein Zufall, mit dem der Louvre ein Spiel anbietet." Der Clip promotet so auch die Malerei-Ausstellung "Figures du Fou" (Figuren des Wahnsinnigen), die am 16. Oktober im Louvre eröffnet.