In der "Berliner Zeitung" wirft Behzad Karim Khani, Mitherausgeber der hauseigenen "Weltbühne", dem "Zeit"-Magazin erneut vor, aus Angst vor Unbequemem den chinesischen Künstler Ai Weiwei zensiert zu haben. Das Magazin hatte dessen Text "Was ich gern früher über Deutschland gewusst hätte" nicht veröffentlicht – mit der Begründung, er passe "nicht zum Ton der Rubrik". Eigentlich okay, wimmelt der Text schließlich von Klischees und Pauschalisierungen, aber Khani nennt die Ablehnung symptomatisch für einen deutschen "Mainstream, der Gemütlichkeit mit Erkenntnis verwechselt" und nur lese, "um sich bestätigt zu fühlen". Dass das Magazin stattdessen die ZDF-Moderatorin Andrea Kiewel zu Krieg und Politik interviewte, wertet er als Beleg für diese "Selbstprovinzialisierung". Wer Ai Weiwei um einen Beitrag bitte, müsse auch seine Antworten aushalten, so Khani: "Wer von Ai Weiwei einen Wohlfühl-Text erwartet, hat Ai Weiwei nicht verstanden." Die "Weltbühne" veröffentlichte den Text schließlich mit großer Geste selbst, begleitet von einem Pathos, das eher Selbstdarstellung als wirkliches Risiko verrät ("Ich bin stolz darauf"). Auf "Hyperallergic" ist der Text auf Englisch erschienen.
Und noch einmal Meta-Medienkritik: Mark-Christian von Busse kritisiert in der "Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen" ("HNA") die Reaktion des "Spiegel" auf eine Ausstellung der künftigen Documenta-16-Leiterin Naomi Beckwith im Pariser Palais de Tokyo. Das Magazin sieht darin eine Art "Mini-Documenta" und sucht – vor dem Hintergrund der Debatten um die letzte Documenta – nach möglichen antisemitischen Bezügen. Beckwiths Schau "Echo Delay Reverb" (bis 15. Februar 2026) thematisiert die transatlantische Zirkulation von Ideen französischer Denker wie Foucault, Derrida oder Glissant und deren Einfluss auf US-Künstler seit den 1970er-Jahren. "Der Spiegel" hatte zwei "Irritationen" hervorgehoben. Im Katalog bezeichnet der US-Autor Adam Shatz das Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 als "Operation" und "Militäroffensive". In der Ausstellung liegt außerdem ein Buch des kamerunischen Theoretikers Achille Mbembe, dem in Deutschland Antisemitismus vorgeworfen wurde. Von Busse bewertet den "Spiegel"-Beitrag als Ausdruck einer Fixierung deutscher Medien und Kulturpolitik, die nach möglichen Skandalen suchten, sobald Israel-Bezüge auftauchen. "So fragwürdig, ja abwegig Shatz‘ Formulierungen und Mmembes Positionen sein mögen – reicht das aber, um Beckwith‘ Kuratorentätigkeit zu skandalisieren? Wie 'Der Spiegel' die Ausstellung inspiziert, demonstriert wohl eher die Hypernervosität angesichts möglicher Antisemitismusvorwürfe – ein Phänomen, das viele Kulturinstitutionen derzeit beschäftigt." Beckwith selbst weiche dem Thema Nahost nicht aus, werde aber offenbar vorschnell in Verdachtsdebatten hineingezogen.
Kunstmarkt
In "ARTnews" berichtet Sarah Douglas, dass mehrere namhafte Galerien – darunter Miguel Abreu, Chantal Crousel, Alison Jacques, Peter Kilchmann, Luisa Strina und Lia Rumma – ihre Teilnahme an der Art Basel / Miami Beach 2025 abgesagt haben. Zwei weitere, Altman Siegel und Tilton, mussten wegen Schließung verzichten. Abreu erklärte, "drei Messen im Herbst wären zu viel", man habe sich für Frieze Masters entschieden. Händler klagen über hohe Kosten und einen schwächelnden Markt. Trotz allem erwartet die Messe laut Veranstalter über 200 Rückkehrer und eine Rekordzahl lokaler Galerien wie Nina Johnson und Voloshyn Gallery. Ein Sprecher betonte, die Änderungen seien "Standard in den letzten Planungsphasen" – doch der Glanz von Miami Beach scheint zu bröckeln.
Museen
In "The Art Newspaper" berichtet Ruth Lopez, dass laut dem neuen Bericht von Museums Moving Forward (MMF) Beschäftigte kleinerer Museen in den USA zufriedener sind als jene in großen Häusern. Obwohl Löhne niedrig und Burn-out verbreitet bleiben, zeigen kleinere Institutionen mit Budgets unter 15 Millionen Dollar "bessere Werte für Wohlbefinden und Arbeitskultur" – selbst bei geringerer Bezahlung. "Zufriedenheit hängt nicht nur vom Geld ab", sagt MMF-Direktorin Mia Locks, die eine "massive Welle" gewerkschaftlicher Organisierung beobachtet: 55 Prozent aller Museumsgewerkschaften seien erst in den letzten fünf Jahren entstanden. Dennoch verdienen nicht gewerkschaftlich organisierte Beschäftigte im Schnitt nur 78 Prozent ihrer Kollegen und Kolleginnen. MMF will bis 2030 vier Berichte veröffentlichen – mit dem Ziel, "in unserem Leben noch Bewegung in die Museumswelt zu bringen".
In "Wallpaper" meldet Anna Solomon die Fertigstellung des Grand Egyptian Museum bei Gizeh. Das von Heneghan Peng Architects entworfene Haus, "größtes Museum für eine einzelne Zivilisation", zeigt über 5.000 Objekte; die Tutanchamun-Galerie öffnet am 1. November 2025. Mit fächerförmigen, radialen Achsen richtet sich der Bau auf die Pyramiden aus; eine sechs Stockwerke hohe "Grand Staircase" mit Monumenten (u. a. Statuen Senusret I.) führt chronologisch durch die Geschichte bis zur koptischen Zeit. Co-Gründerin Róisín Heneghan spricht von einer "einmlaigen gelegenheit" und davon, die Verbindung von "Geschichte und Ort" zu stärken. Das Landschaftsarchitekturbüro West 8 gestaltete weitläufige Gärten; 17 spezialisierte Labore bilden eines der größten Konservierungs- und Forschungszentren der Welt. Nachhaltigkeit: Tageslicht wo möglich, thermisch regulierender Beton.
Kunstszene
In einem NDR-Beitrag von Celine Schäfer öffnet Jonathan Meese gemeinsam mit seiner 95-jährigen Mutter Brigitte die Türen zu seinem chaotischen Berliner Atelier – und zu seiner Weltanschauung. "Die Ordnung, die ich brauche, ist das Chaos. Und das Chaos ist die Ordnung", sagt Meese, für den Unordnung kein Mangel, sondern schöpferische Energie ist. Seine Mutter dagegen sorgt regelmäßig für Struktur, sortiert und katalogisiert. "Wenn er ein Zimmer so vollmüllt, dass man es nur noch zumachen kann, tut es mir leid. Aber ich muss es ertragen", sagt sie. Meese sieht in dieser Spannung ein System: "Das Chaos, was ich habe, ist die Ordnung meiner Mutter." Seine wütend-bunten Gemälde und Schriftbilder nennt er "totale Ordnung in der Unordnung". Auch inhaltlich will er Begriffe "entkontaminieren" – selbst den Hitlergruß, über dessen Verwendung Mutter und Sohn seit Jahrzehnten streiten. Für ihn bedeutet Chaos nicht Zerstörung, sondern Neuanfang: "Man muss aufräumen, klären, die Welt lüften." Doch am Ende bleibt auch eine leise Frage: "Was kommt nach Mami?"