Hauser & Wirth, New York

Mehr als leere Koordinaten. Zur Wiederaufführung von Allan Kaprows "Yard"

Als Allan Kaprow 1961 den Hinterhof der Galerie Martha Jackson in New York mit Hunderten alten Autoreifen ausstaffierte und das Publikum dazu einlud, sich in dieser Installation auszutoben, kreierte er eines seiner ersten environments: eine Arbeit zwischen Kinderspielplatz und Schrotthalde, ein Wegbereiter für die uns heute so vertraute Installationskunst.
 
Fast 50 Jahre danach eröffnet das Schweizer Galerienimperium Hauser & Wirth seine erste US-Filiale, genau in dem Gebäude der ehemaligen Jackson-Galerie. Hier widmet sich nun Helen Molesworth, Kuratorin für zeitgenössische Kunst der Harvard-Kunstmuseen, dem Vermächtnis Allan Kaprows und dem Nachleben seines Werkes „Yard“. Im Rahmen dieser Rekapitulation wurden drei Gegenwartskünstler dazu eingeladen, die Arbeit neu zu interpretieren.
 
Im Erdgeschoss des Gebäudes, das zuvor den Galerienzusammenschluss Zwirner & Wirth beherbergte, präsentiert der amerikanische Künstler William Pope.L, der vor allem durch seine provokanten Performances und Interventionen bekannt wurde, seine Version. Wie Kaprow arbeitet er mit Autoreifen, die hier den gesamten Raum einnehmen. Schwarze Leichensäcke stapeln sich zwischen den Reifen und rote Lichter blitzen hin und wieder im abgedunkelten Raum auf. So macht die Verspieltheit der damaligen Arbeit hier einer apokalyptischen Stimmung Platz.
 
Josiah McElheny und Sharon Hayes verlassen mit ihren Re-Interpretationen sowohl die Ausstellungsräume der Galerie als auch die Formensprache von „Yard“. Dennoch bleiben sie der Arbeit auf ihre Weise treu. McElheny, der sich einen Namen mit filigranen Glasobjekten gemacht hat, zeigt im Queens-Museum eine deckenhohe Projektion einer Luftaufnahme von einem Schrottplatz in Queens. Hayes hingegen bezieht sich in ihrer Arbeit auf das ursprüngliche Plakat für „Yard“: Die Künstlerin hat in einem ansonsten unzugänglichen Friedhof im East Village handgemalte Schilder installiert, wie man sie oft in den Gärten der amerikanischen Vororte findet. Wie in vielen ihrer Videos und Performances thematisiert sie auch hier die Spannung zwischen der kollektiven und der individuellen Administration des Alltags.
 
Im ersten Stock der Galerie zeigt Molesworth eine historische Übersicht der verschiedenen Versionen von „Yard“ – Kaprow installierte die Arbeit seit 1961 acht Mal an unterschiedlichen Orten. Anhand von Pressemitteilungen, Korrespondenzen, Rezensionen, Fotografien und logistischen Daten kann man die Entwicklung chronologisch nachverfolgen.

In einer Zeit der Wiederaufbereitung und Neuinszenierung der Konzept- und Performancekunst der 60er- und 70er-Jahre, ist eine Betrachtung von Allan Kaprows Werk unverzichtbar. Er hatte schon früh begriffen, dass es wichtiger ist, das Wesen einer Arbeit zu erfassen, anstatt ihrer leeren Koordinaten. So zeichnen sich seine Arbeiten und selbst seine environments häufig durch ein Minimum an physischer Substanz aus und umschreiben eher eine grobe Struktur, die sich wie ein dünner Handschuh den jeweils neuen Gegebenheiten anpasst. Kaprow bezeichnete diese Struktur als „score“, als Instruktion, die von ihm selbst oder von anderen immer wieder neu erfunden werden kann. Er verwehrte sich energisch jeder Kategorisierung, die es erlaubt hätte, seine Arbeiten als konventionelle Kunst zu sehen. Stattdessen versuchte er, die Trennung zwischen Kunst und Leben so fließend wie möglich zu gestalten.

Molesworth gelingt es hier, in Kaprows Sinne zu handeln: Sie beerdigt „Yard“ nicht mit einer Retrospektive, sondern belebt es durch Neuinterpretationen. Durch die historische Relevanz der Ausstellung und durch die bewusst gewählte Low-Budget-Ästhetik, präsentiert sich Hauser & Wirth in New York als eine Einrichtung, die sich nicht allein dem kommerziellen Erfolg widmet, sondern auch der Recherche, Lehre und Förderung. Ein ehrenhaftes Anliegen, gerade in Tagen der wirtschaftlichen Rezession.

Bis 31. Oktober. Mehr unter
www.hauserwirth.com