Art Basel / Art Film

Mitten im Bienenschwarm

Herr Glöde, welche Schwerpunkte haben Sie für Ihr Filmprogramm Art Film gesetzt?
Es hat mich gefreut, dass die teilnehmenden Galerien nicht nur Neuproduktionen eingereicht haben. Viele Galeristen besannen sich in diesem Jahr stärker darauf, dass experimenteller Film schon länger ein wichtiges Thema in der Kunst ist. Daher können wir Arbeiten aus den 50er-, 60er- und 70er-Jahren von Künstlern wie Robert Breer, David Lamelas oder Öyvind Fahlström zeigen. Das sind schöne Wiederentdeckungen, Arbeiten, die schon lange Zeit nicht mehr in großer Projektion und mit adäquaten, filmischen Apparaturen zu sehen waren.
 
Der Experimentalfilm scheint wiederentdeckt zu werden. Barbara Gladstone etwa hat den Nachlass von Filmemacher Jack Smith aufgekauft – eine Meldung, die Wellen schlug. Haben wir es mit einem Trend zu tun?
Ich glaube, man muss das in einer größeren Entwicklungslinie sehen. Im Kinokontext sind Filmemacher wie Jack Smith natürlich nicht neu. In den letzten 15 Jahren wurden sie dort immer wieder verhandelt. Aber auf einmal tauchen sie eben auch in Kunstzusammenhängen auf. Nicht nur mit filmischen Arbeiten, sondern auch mit Fotografien und Dias. Das Feld fächert sich also weiter auf. Das schlägt sich darin nieder, dass auch Galerien Leute wie Smith als ernstzunehmende Künstler für ihre Sammlerschaft entdecken und anerkennen. Das ist ein ganz entscheidender Punkt, den wir im Rahmen unserer Auseinandersetzung auf der Art Basel immer wieder stark machen. Wie kaufe ich als Sammler eine bestimmte Arbeit? Indem man zum Beispiel sagt, es gibt von diesem Film eine Auflage von fünf Exemplaren, und jedes Exemplar wird in einem Schuber mit einem Print verkauft.
 
Art Film findet im Stadtkino Basel statt. Wie wichtig ist diese Präsentation für die Wirkung der Werke?
Mark Thompsons Film „Immersion“ von 1974, in dem er sich eine Bienenkönigin auf den Kopf setzt und dann von Bienen umschwärmt wird, hat in einem richtigen, abgedunkelten Kinosaal ganz andere körperliche Effekte. Eine andere Intensität, als wenn man das auf einem Monitor zeigen würde. Mir ist es sehr wichtig, dass Film im Rahmen größerer Veranstaltungen – seien es Messen oder Biennalen – nicht nur als Videolounge präsent ist, in der er ständig verfügbar wird. Filme in einem abgedunkelten Raum fordern etwas ein, das sich zum allgemeinen Durchlauferhitzer der Videolounge konträr verhält. Man entscheidet sich dafür, im Kino zu bleiben. Das ist ein großer Unterschied zur Realität einer Videoinstallation, durch die man schlendert wie durch eine Werbewelt.
 
Die Ästhetik der Kunstfilms erfährt auch in der ganz jungen Künstlergeneration der in den 80er-Jahren Geborenen eine Renaissance. Sie haben Arbeiten von Ryan Trecartin oder Kalup Linzy im Programm, die das Psychedelische neu zu inszenieren scheinen. Sehen Sie Parallelen zu den inzwischen klassischen Vorgängern?
Genau um solche Korrespondenzen geht es mir. Es gibt da verschiedene Beziehungen, die ich interessant finde. Trecartin und Linzy schließen mit ihren Verhandlungen von New Queer Cinema und den New Gender Identities konkret an das Erbe des Experimentalfilms an. Aber dabei verfolgen sie in der Auseinandersetzung mit dem Digitalen ganz andere formale Strategien. Außerdem praktiziert die You-Tube- und Facebook-Generation, für die sie stehen, andere Arten von Identität. Sie bewegen sich an anderen Parametern entlang, und das kann man nicht mehr als eine geradlinige, von Filmemachern wie Jack Smith ausgehende Entwicklung verstehen. Das ist der Punkt, an dem es spannend wird.
 
Sie haben das Sammeln angesprochen. Kaufen Kunstsammler heute vermehrt Filme?
Natürlich haben Institutionen wie das MoMA oder die Tate schon lange Filme gesammelt. Das Getty hat in einer spektakulären Aktion kürzlich das gesamte Santa Monica Film Archive aufgekauft. Aber ich glaube, dass sich auch auf privater Ebene etwas tut. So ein Icon wie Julia Stoschek sticht da zum Beispiel heraus, oder die Kramlich Collection natürlich. Da passiert viel. Ich habe letztes Jahr mit Pamela Kramlich geredet und sie meinte, dass in der Conversations-Serie auf der Art Basel über Experimentalfilm gesprochen wird und das gesamte Auditorium voll besetzt ist, hätte sie sich vor zehn Jahren nicht in kühnsten Träumen vorstellen können. Man sieht auch, dass da eine neue Generation von Sammlern auf dem Vormarsch ist, die mit bewegten Bildern sozialisiert und großgeworden ist und eine andere Interessenausrichtung hat, eben nicht auf Ölmalerei. So eine Dynamik muss man auch als Messe ganz entscheidend mitgestalten.
 
Sind Filme als Sammelobjekte auch deshalb interessant, weil sie im Verhältnis zur Malerei relativ preiswert sind?
Film ist nicht unbedingt ein preisgünstiges Segment. Natürlich gibt es verschiedene, oft vergleichsweise billige Editionen. Aber ein 35mm-Film in einer Editionsauflage von drei Stück ist keineswegs billig. Außerdem wird mit dem Sammeln von Filmen auch eine Langzeitverpflichtung eingegangen. Es ist nicht nur der aktuelle Verkaufspreis, der im Raum steht, sondern damit einher gehen auch Kosten für Lagerung und Konservierung. Zum Beispiel wird es schon aufgrund der Materialkosten in dreißig Jahren, wenn alles digitalisiert sein wird, sehr teuer, sich noch einmal eine 35mm-Kopie vom gekauften Film zu machen. Sammler entscheiden sich nicht aus Preisgründen für das Medium, sondern weil es in ihrer Auseinandersetzung mit Kunst eine wichtige Rolle spielt.
 


Art Film läuft bis Samstag jeden Abend im Stadtkino Basel