Dysfashional

Mode, Verzweiflung, Kunst

Wenn mal wieder auffallend viele hagere Jungen und Mädchen mit asymmetrischen Kleidung und großen Erwartungen die Straße vor den Fenstern unserer Redaktion entlangstaksen, kann das eigentlich nur bedeuten, dass Berlin erneut die Fashion Week feiert. Jedes halbe Jahr wird dann gestritten, ob die deutsche Hauptstadt denn nun endlich ein „Modestandort“ sei und ob dem Berliner irgendwann noch Stil beizubringen sei – und jedes Mal wird der Zweifel vernünftigerweise mit Strömen von Sekt hinuntergespült.

Besucht man dieser Tage das Haus der Kulturen der Welt, bietet sich mit der dortigen Ausstellung „Dysfashional“ ein überraschend zurückhaltendes, gar melancholisches Bild von der Welt der Mode, das sich krass unterscheidet von der Hysterie und Hektik in der Stadt. Die kleine Schau mit den großen Namen, die zuvor in Luxemburg, Lausanne und Paris gezeigt wurde, präsentiert Arbeiten von Modeschöpfern und Haute-Couture-Häusern wie Maison Martin Margiela, Bernhard Willhelm, Bless oder Pierre Hardy.

Es sind keine neuen Entwürfe, die hier ausgestellt sind, selbst Textilarbeiten sind eher selten. Stattdessen überwiegen Video- und Rauminstallationen, mit denen die Designer Referenzen ausbreiten und Selbstreflexionen zulassen. Begrüßt wird der Besucher durch die Video-Arbeit „Repeat“ (1995-2005) vom belgischen Modemacher Raf Simons. Auf den aufgereihten Fernsehern wird der Prozess vom Einfluss zum Produkt sichtbar: hier Wegmarken der Jugendkulturen und des Haderns mit der Welt – „Der Exorzist“, „Siddhartha“, „Ziggy Stardust“ – , dort der Laufsteg mit den blassen Männern in den schwarzen Jacken. Ein wenig hilflos wirkt das ewige Zeigen auf historische Zeugnisse von Verzweiflung und Coolness. Anderseits: Was bleibt Mode übrig?

In „Dysfashional“ findet man mehrere Auswege. Etwa den Witz der Fotoserie „Original Production“ (2009) von Bernhard Willhelm, der gemeinsam mit Christophe Hamaide-Pierson lustige Penisse in Szene setzt: Die (laschen) Teile penetrieren Cover der Modezeitschrift „Vogue“ und damit auch die asexualisierten, perfekten Wesen darin. Oder sie bekommen eine Sonnenbrille aufgesetzt und werden zu Rüsseln. Jungenspäße, die im harten Modegeschäft allerdings befreiend wirken.

Wie melancholisch es werden kann, zeigt eine Installation vom Maison Martin Margiela, das Räume eben dieses Maisons als Kulisse aufgebaut hat: das lebensgroße Interieur als Fototapete auf Holzwänden. Es ist jedoch ein Geisterhaus, leer und dunkel, die Decke am Boden, die Türen geschlossen. Es ist, als würde hier noch einmal die bröckelnde Autorität, der auratische Ort und das Handwerk der Modehäuser beschworenen, Dinge, die nur noch als Inszenierung zählen im globalen Geschäft. Martin Margiela jedenfalls hat sein Label kürzlich verlassen, die Firma gehört jetzt Diesel.

Eine ähnliche Melancholie weht auch durch andere Arbeiten, etwa durch den Film „Anaesthetics“ von Hussein Chalayan, in dem es so blutleer und surreal zugeht wie in Tarkowskis „Solaris“. Es ist aufschlussreich, solchen Selbstbeschreibungen des Betriebs zu folgen, in denen Zweifel an der eigenen Bildproduktion aufkommen. Ob das alles nun Kunst ist oder gefangen bleibt im Modesystem, das eigenen Zwängen unterliegt, wird hier zum Glück nicht entschieden. Eine Frage, die letztlich vielleicht genauso müßig ist wie die nach der Modestadt Berlin.

Noch bis 17. Juli im Haus der Kulturen der Welt