Französischer Modemacher stirbt mit 73 Jahren

Monsieur Muglers Kleid gewordene Visionen

Der Modeschöpfer Thierry Mugler war ein Meister der Theatralik. Seine exzentrischen Designs waren vor allem in den 1980er-Jahren stilprägend, zuletzt entdeckten viele Stars sein Drama wieder. Nun ist er mit 73 Jahren gestorben

Zur Met-Gala 2019 erschien Kim Kardashian in einem Kleid im "Wet Look", das ihren Körper zur Skulptur formte. Auf dem beige-braun glänzenden Material waren Pailletten und Perlen in einer Weise angebracht, die den Eindruck erweckte, Madame Kardashian sei gerade aus einem Pool gestiegen. Bei den Grammy Awards desselben Jahres entsprang Sängerin Cardi B. einem Venus-Gewand: einem ihre Beine umhüllenden, schwarzen Samtkleid, auf dem sich um ihre Hüfte eine rosa Satin-Muschel auffächerte. Daraus erwuchs ihr Torso in einem hautengen, Pailletten-besetzen Body. 

Beide Designs, die weltweit Furore machten, sind Entwürfe des Designers Thierry Mugler. Sein Archetyp war eine Amazone, dominierend und doch humorvoll. Seine Kreationen waren dramatisch, wie für einen SciFi-Charakter entworfen und futuristisch-sexy - eine unverkennbare Handschrift. Am 23. Januar starb der französische Modedesigner Thierry Mugler mit 73 Jahren eines natürlichen Todes, wie sein Sprecher bekannt gab. Es sei sehr unerwartet gekommen, erklärte er. Mugler wollte Anfang dieser Woche neue Kooperationen bekannt geben.

Für jüngere Generation mögen die oben genannten Celebrity-Auftritte der erste Berührungspunkt mit Muglers Werken gewesen sein. Der Modeschöpfer hatte sich 2002 aus der Modewelt zurückgezogen, sich durch intensives Bodybuilding, Schönheitsoperationen und Mediation zu einer neuen Version seiner selbst, Manfred T. Mugler, geformt. Dann, "als die roten Teppiche zu glorifizierten Reality-Shows wurden, in denen sich die Prominenten gegenseitig in der Kategorie der kitschigen Theatralik übertrafen, erlebte Herr Mugler ein Comeback."

Körperbewusstsein und Materialität

Thierry Mugler gehörte zu den großen Designern der 1980er- und 90er-Jahre und wird mit Modeschöpfern wie Yves Saint Laurent und Jean Paul Gautier in einem Atemzug genannt. Anfang der 1970er-Jahre teilte er sich mit seinem Kollegen Claude Montana ein Appartement in Paris, wohin er Ende der 60er gezogen war. Zuvor hatte der in Straßburg geborene Manfred Thierry Mugler eine Ausbildung zum Balletttänzer an der Opéra national du Rhin gemacht und Kostümdesign an der École supérieure des Arts Décoratifs in Straßburg studiert.

1973 gründete Mugler sein eigenes Label Café de Paris, ein Jahr später dann sein Unternehmen Thierry Mugler. Körperlichkeit und Körperbewusstsein waren elementar für seine Designs, ebenso wie Handwerkskunst und Materialität. Der Designer bezwang die unterschiedlichsten Stoffe, sodass sie nach seinem Konzept funktionieren mussten und in ein Kleidungsstück verwandelt werden konnten. Thierry Mugler war einer der einflussreichsten Formgeber der Ästhetik der späteren 80er-Jahre, verband S&M mit High Fashion. Die V-Form gehört zu seinen Markenzeichen: eine überzeichnet-breite Schulterpartie und eine lächerlich schmale Taille, in Latex und Leder drapiert.

Neben seinen Kleid gewordenen Visionen inszenierte Mugler auch seine vor tausenden Zuschauern präsentierten Modenschauen aufwendig und theatralisch. Als eine "Vogue"-Redakteurin den Newcomer 1977 das erste Mal ihren Lesern vorstellte, beschrieb sie Muglers Arbeitsweise so: "Als ehemaliger Tänzer mit einem ganz eigenen Gefühl für Formen und Farben nutzt er seinen Sinn für Theater und Ballett, um die Themen für seine Shows auszuarbeiten. Die Kleidungsstücke können jedoch zerpflückt werden und sind, wenn man sie auf den Ständern in seinem Showroom sieht, die geistvollsten und echtesten Stücke, die man sich nur wünschen kann."

"Er hat seine eigene Welt geschaffen"

Später, im Jahr 1992, brachte Thierry Mugler sein erstes Parfum auf den Markt. "Angel" wurde ein großartiger Erfolg und gilt laut der "New York Times" als der erste "Gourmand-Duft", da er ungewöhnliche Lebensmittel-Komponenten enthalte. Das Produkt konkurrierte sogar mit Coco Chanels Chartbreaker "Chanel No 5". Im gleichen Jahr kleidete Mugler seine Muse Linda Evangelista für George Michael’s "Too Funky" ein. Ein weiteres Model trug in dem Musikvideo das berühmte "Harley Davidson Korsett", an dem reale Motorradgriffe, Rückspiegel und Scheinwerfer eingearbeitet waren.

Die Idee hinter dem Clip war, Bewusstsein für die grassierende Aids-Pandemie zu schaffen, sowie Gelder für Stiftungen zur Bekämpfung der Krankheit zu sammeln. Es verstieß gegen die damaligen MTV-Richtlinien, da Homosexualität portraitiert wurde und führte letztlich zu einer Fehde zwischen Michael und Mugler, da der Sänger entscheidende, provokante Szenen herausgeschnitten hatte. 

Die berühmteste Mugler-Performance war seine Cirque d'Hiver-Show für den Herbst 1995, mit der er sein 20-jähriges Bestehen feierte: Ein extravagantes Modespektakel, das die "New York Times" das "Woodstock der Fashion-Welt" nannte. Zu seinen Fans gehörten Stars aus verschiedenen Disziplinen und Generationen, wie David Bowie, Jerry Hall, Beyoncé und Lady Gaga. "Mugler wollte das tägliche Leben der Menschen durch die Mode inszenieren, das hat so viele Prominente angezogen", sagt der Kurator Thierry-Maxime Loriot. "Sie lieben ihn, weil er einer der wenigen Designer ist, die es schaffen, Prominente zu Charakteren zu machen und ihre Auftritte zu inszenieren." Im letzten Jahr wurde eine Mugler-Retrospektive im Musée des Arts Décoratifs in Paris eröffnet, die noch bis April diesen Jahres zu sehen ist: Der Titel: "Thierry Mugler: Couturissime". Loriot beschrieb seine Arbeit so: "Es ist fast so, als ginge es nicht um Mode - Mugler folgte weder Trends noch bezog er sich auf die Modegeschichte. Es ist festlich und mitreißend: Er hat seine eigene Welt geschaffen."