Ausstellung "Active Threads"

Ein Stimmenteppich über dem Phantomschmerz

Wie politisch Textilkunst sein kann, zeigt die Ausstellung "Active Threads" in Düsseldorf. Dort erzählen genähte und gestickte Kunstwerke berührende Geschichten von Verletzung und Heilung

Wie überwindet man eine Tra­gödie wie die in Südkorea, einem Land, das seit 65 Jahren keinen Kontakt zum Norden haben darf? Für die Multimediakünstlerin Kyungah Ham kam dafür nur eine Disziplin infrage: das Sticken. Sie druckte am Computer entwickelte Designs und schmuggelte sie über die Grenze. Textilarbeiterinnen, die sie nie getroffen hat, wandelten sie gegen Bezahlung in Stickereien um. Mithilfe von Bestechung gelangten die Wandteppiche von glitzernden Kronleuchtern, wie man sie aus Autokraten-Residenzen kennt, in westliche Kunsträume, auch nach Düsseldorf, wo sie im KAI 10 mit ihrer für die Beteiligten lebensgefährlichen Geschichte für Staunen sorgen.

Acht Künstler kreisen in dieser von Julia Höner wunderbar hintergründig kuratierten Schau um "Active Threads" – ebenso viele aktive Fäden in sozio-politische Konfliktlagen gibt es. Der philippinische Multimediakünstler Cian Dayrit etwa greift auf die koloniale Ikonografie von Landkarten zurück, um Tatorte und Strukturen des Terrors abzubilden. Steht man vor seinen gestickten Counter-Maps, stößt man auf militärische Rangzeichen oder indigene Stimmen, die in der offiziellen Erzählung der immer noch präsenten ehemaligen Kolonialmacht USA fehlen.

Der Franzose Kader Attia wiederum stellt Verletzungen und ihre Reparatur ins Zentrum seiner Stoffleinwände. Für Attia stehen diese Narben auch für weiter schmerzende Wunden, die mit europäischen Reparationszahlungen nicht zu beseitigen sind. In einem Interviewvideo spinnt er die Vergeblichkeit der Wiedergutmachung fort, als von Neurologen, Philosophen und Betroffenen collagierten Stimmen-Teppich über den Phantomschmerz.