Munch-Museum öffnet in Oslo

Ein Königreich für einen Maler

Die Stadt Oslo hat ihrem berühmtesten Künstler Edvard Munch ein gigantisches - nicht unumstrittenes - neues Museum am Fjord gebaut. Nun öffnet das Haus mit allen Klassikern des Malers und einer Munch-Hommage von Tracey Emin

Die "Mutter" kommt ein bisschen später. Eigentlich sollte inzwischen eine monumentale Bronzeskulptur der britischen Künstlerin Tracey Emin im brandneuen Osloer Stadtteil Bjørvika stehen und über den Fjord blicken. Emin, die sich als lebenslanger Fan des Malers Edvard Munch (1863-1944) geoutet hat, hat die Ausschreibung für ein Außenwerk neben dem neuen Munch-Museum in der norwegischen  Hauptstadt gewonnen, doch es gibt Probleme mit dem Transport und dem Aufbau. Also soll die Arbeit "Mother" nun im Frühjahr 2022 ihren Platz im neuen Osloer Kulturherz einnehmen.

Ansonsten ist in Bjørvika jedoch alles bereit, und am Freitag, 22. Oktober, wird nach mehrfacher Verschiebung des Termins das neue Munch-Museum in Anwesenheit der königlichen Familie eröffnet. Das 58 Meter hohe, als vertikaler Riegel auf einem Sockel gebaute Haus lässt keinen Zweifel daran, dass Edvard Munch der unübersehbare Star der Stadt werden soll. In der Kommunikation nennt sich das Museum nur noch "Munch", die großen roten Buchstaben an der Fassade leuchten in die Osloer Herbstdunkelheit.

Eines der größten Museen weltweit für einen einzelnen Künstler

Während das alte Museum im ehemaligen Arbeiterviertel Tøyen eher bescheiden auftrat und architektonisch ein wenig an eine Gesamtschule erinnerte, ist das neue Munch zusammen mit der 2008 eröffneten Oper und dem neuen Nationalmuseum (Eröffnung 2022) ein Prestigeprojekt für Oslo als Kulturstadt. Das Gebäude werde eines der größten Museen weltweit sein, das einem einzigen Künstler gewidmet ist, betont Direktor Stein Olav Henrichsen immer wieder. Zehnmal mehr Wandfläche als vorher steht ihm dort zur Verfügung.

Der Bau des spanischen Architektenbüros Estudio Herreros (die Projektleitung hatte der Deutsche Jens Richter) zählt 13 Stockwerke mit elf Ausstellungssälen, darunter einen Monumental-Raum für Munchs acht Meter langes Gemälde "Die Sonne". Sieben Etagen sind der Kunst vorbehalten. Außerdem gibt es einen Kinosaal, ein Amphitheater, ein Café, ein Restaurant, eine Bar und eine Aussichtsterrasse über dem Oslofjord und der neuen Skyline der Stadt.

Auch die "Klassiker" des Malers wie die "Madonna", der "Vampir", "Das kranke Kind" und natürlich "Der Schrei" sollen nun immer für alle Besucherinnen und Besucher zu sehen sein - im alten Haus war dies aus Platzgründen nicht möglich. Vom "Schrei", dem vielleicht bekanntesten Gemälde der Welt, sind in der neuen Präsentation gleich drei Varianten in einer Art dunklem Schrein in der Mitte der Ausstellung "Munch. Unendlich" zu sehen. Da die Werke jedoch extrem lichtempfindlich sind, hängen sie hinter grauen Holztüren. Immer im Stundentakt öffnet sich eine andere der Türen und gibt abwechselnd den Blick auf eine der drei Versionen frei.

"Eher Lärmschutzwand als gläserner Turm"

Neben wechselnden Präsentationen aus dem üppigen Nachlass des Malers, den Munch aus Angst vor Beschlagnahmung durch die deutschen Besatzer der Stadt Oslo vermachte, soll im neuen Museum auch Gegenwartskunst zu sehen sein. Den Anfang macht Tracey Emin mit ihrer von Munch inspirierten Schau "The Loneliness of The Soul", die in Kooperation mit dem Osloer Museum bereits in London gezeigt wurde.

Der prägnante Bau ist in Norwegen nicht unumstritten und hat die norwegische Hauptstadt umgerechnet mehr als 200 Millionen Euro gekostet. Die Form ähnelt dem elften Buchstaben des griechischen Alphabets, die Architekten haben dem Projekt deshalb den Namen Lambda gegeben. Die horizontal gegliederte Fassade ist mit perforierten Aluminiumplatten verkleidet, die als lichtdurchlässiger Sonnenschutz fungieren sollen. Bei Tageslicht wirkt die Fassade deshalb nicht gläsern, sondern grau – was den Architekten Kritik eingebracht hat. Das Gebäude sei kein leuchtender Turm – wie ursprünglich angekündigt - sondern sehe aus wie eine Lärmschutzwand oder ein Flughafen.

Das ehemalige Werftenviertel in der Nähe des Osloer Hauptbahnhofs ist in den letzten Jahren zum Spielplatz für moderne Architektur geworden. Nach dem Bau der spektakulären Oper des norwegischen Architekturbüros Snøhetta sind eine ganze Reihe von futuristischen Wohn- und Bürogebäuden entstanden. Zuletzt wurde die kristallartige Deichmanske Bibliothek des Architektenbüros Lund Hagem eingeweiht. Und Munch wacht nun in seinem Turm über die ganze Stadt.