Museum Brandhorst

"Ein Riesengewinn für München"

Das Museum Brandhorst in München feiert unter dem Motto "Forever Young" zehnjähriges Jubiläum. Aber wie bleibt ein Kunsthaus relevant? Zeit für eine erste Bilanz und einen Ausblick mit Direktor Achim Hochdörfer und Kuratorin Patrizia Dander


Herr Hochdörfer, Frau Dander, die Kombination von privater Stiftung und staatlicher Institution des Museum Brandhorst ist für Deutschland zumindest ungewöhnlich und wurde anfangs auch sehr skeptisch betrachtet. Hat es sich bewährt?

Achim Hochdörfer: Ich glaube, es ist ein Riesengewinn für München, dass das Museum Brandhorst hier gelandet ist. Anette und Udo Brandhorst haben ja in den 1970er- bis 2000er-Jahren eine große Sammlung zusammengetragen, die die bundesrepublikanische Westanbindung mit den Schwerpunkten amerikanischer und westeuropäischer Kunst seit den 1960er-Jahren wahnsinnig gut abbildet. Die Zusammenarbeit von Staat und Stiftung, die auf Dauer angelegt ist, hat es ermöglicht, dass wir diese Sammlung weiter entwickeln konnten – von rund 700 auf heute über 1200 Werke. Der Freistaat garantiert den Betrieb des Museums und die wissenschaftliche Aufarbeitung der Sammlung, die Stiftung ermöglicht einen jährlichen Ankaufsetat: So kann die Sammlung wachsen.

Wieviel ist das im Jahr?

Patrizia Dander: Rund 3 bis 4 Millionen Euro.

Jede Privatsammlung hat ihre blinden Flecken. Welche waren das im Falle Brandhorst?

PD: Die Sammlung Brandhorst ist monografisch angelegt, das heißt, sie versucht nicht, ganze Strömungen abzubilden, sondern entscheidet sich für bestimmte künstlerische Positionen, die sie dann in die Tiefe sammelt. Ihre Ausrichtung kann man auf ihre Entstehungszeit im Rheinland in den 70er-Jahren zurückführen, und die blinden Flecke sind evident: Einmal durch die Konzentration auf die USA und auf Westeuropa und insbesondere Deutschland. Außerdem dadurch, dass sie – wie viele andere – lange Zeit Künstlerinnen nur in einem sehr begrenzten Maße gesammelt hat. Das haben wir gemeinsam mit Udo Brandhorst in den letzten Jahren geändert. Außerdem war die Sammlung natürlich zeitlich begrenzt. Deshalb haben wir uns bemüht, ganz aktuelle Positionen zu ergänzen und wieder anzuschließen an die Kernprämisse der Sammlung, dass sie mit der Kunst ihrer Zeit wächst.

Es sind jetzt viele weibliche Positionen sichtbar. Aber: die übersehenen und vergessenen Künstlerinnen der Gegenwartskunst nachzureichen, ist konzeptionell ja auch kein großes Problem. Man bewegt sich damit im gleichen kulturellen Kontext. Aber die blinden Flecken durch die geografische Beschränkung der Sammlung bleiben ja bestehen. Wie kann ein zeitgenössisches Museum der Globalisierung Rechnung tragen?

PD: Genau das ist die Aufgabe, über die wir im Jubiläumsjahr verstärkt nachdenken. Für solche Prozesse braucht man Zeit. Gerade bei einer Sammlung, die so spezifisch ist in der Ausrichtung und auch in der Fokussierung auf bestimmte Künstlerinnen und Künstler, muss man sehr genau überlegen, welche die Positionen sind, mit denen man weitergeht. Ein Ankauf wie Arthur Jafa macht einen Riesenunterschied. Das wiederum kann für die Zukunft positiv stimmen: Schon zwei, drei Ergänzungen können ein komplett verändertes Bild abgeben und eine neue Perspektive öffnen.

AH: Man kann ja nun nicht Künstler aus allen Erdteilen wahllos in die Sammlung aufnehmen. Bis jetzt kenne ich auch von anderen Institutionen keinen goldenen Weg. Aber natürlich muss es sich aus der Sammlung heraus entwickeln. Arthur Jafa als Ankauf ist zum Beispiel für uns ein Weg, dem afroamerikanischen Diskurs, der gerade im Moment viele Institutionen in den USA bestimmt, weiter nachzugehen. Von da aus könnte man natürlich eine Volte schlagen zur afrikanischen Kunst. Aber ob wir das dann auch wirklich tun werden, ist nicht ausgemacht. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, wie man aus der Sammlung weiterdenken kann. Und natürlich gibt es ebenso die Möglichkeit, dass man einen ganz neuen Schwerpunkt setzt. Aber in jedem Fall muss man in Konstellationen denken, man muss Geschichten erzählen, die sich aus dem vorhandenen Material in der Sammlung ergeben.

In den letzten Jahren ist auch das Bewusstsein dafür gestiegen, dass Museen nur ganz bestimmte gesellschaftliche Schichten ansprechen. Auch das Museumspublikum soll diverser werden.

PD: Das ist auch unser Ziel. Unsere Kunstvermittlung hat in den letzten Jahren mehr und mehr Zulauf erfahren. Daher bauen wir jetzt einen Raum um, in dem wir noch mehr aktive Kunstvermittlung machen können mit einem breiten Spektrum an Medien und Ausdrucksmitteln. Gleichzeitig entwickeln wir Formate, die über das klassische Museumspublikum hinaus funktionieren, sowohl auf Ebene unserer Veranstaltungsprogramme, für die unser Foyer einen idealen Ort bietet, als auch im Bereich der Kunstvermittlung. Wir haben jetzt zum Beispiel ein Kunstmobil, das außerhalb des Hauses steht und das man mit ein paar Handgriffen aufkurbeln kann; dort finden viele Workshops im Freien statt. So bekommt man Sichtbarkeit und Präsenz außerhalb des Hauses und lädt Leute zur aktiven Beschäftigung mit dem Museum und seiner Kunst ein. Sehr gut funktionieren auch die 1-Euro-Sonntage, die es seit vielen Jahren bei den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen gibt und die ein ganz anderes Publikum ins Haus bringen.

AH: Als Museum zeitgenössischer Kunst müssen wir es schaffen, Kinder und Jugendliche zu gewinnen und sie in Berührung kommen lassen mit den Fragen und Techniken der Kunst. Es muss bspw. ein 3-D-Drucker da sein, es muss die Möglichkeit da sein, dass man mit einem Handyschnappschuss kreativ etwas macht. Wir müssen den Kunstunterricht an Schulen sinnvoll und praxisnah ergänzen.

Glauben Sie, dass auch das Publikum offener wird für Themen außerhalb des üblichen Kanons?

AH: Ich habe den Eindruck, dass es eine große Neugier gibt. Wenn El Anatsui am Haus der Kunst 120 000 Besucher anzieht – mehr Besucher als Immendorff und alle deutschen "Meisterkünstler" der letzten Jahre – ist das interessant. Und das, obwohl kaum jemand seinen Namen kannte. Es funktionierte einfach über Mundpropaganda…

… und Instagram.

AH: Ja, und das macht Mut, selbst kreativ zu sein – etwa mit unseren "Forever Young"-Facefiltern, die von allen Altersklassen sehr gut angenommen werden. Offenbar kann es mit neuen Strategien gelingen, auch mit hierzulande nicht so bekannten Positionen eine beeindruckende Außenwirkung zu erzielen.