Theater Braunschweig

"Mut zur Utopie"

Generalintendantin Dagmar Schlingmann will am Braunschweiger Staatstheater die Zukunft erforschen 

Frau Schlingmann, Ihr neuer Spielplan steht unter dem Motto "Die Zukunft so hell". Besteht tatsächlich Grund zu Optimismus?
Das Motto ist natürlich ambivalent gemeint, es könnte auch mit einem Fragezeichen versehen sein. Wir sind uns im Klaren darüber, dass unsere Gesellschaft gegenwärtig vor großen Herausforderungen steht. Aber noch befinden wir uns in der Situation, die Zukunft gestalten zu können. Und dafür tragen wir auch eine Verantwortung. Insofern handelt es sich auch um ein trotziges Motto: gegen Resignation und diese Kopf-in-den-Sand-stecken-Mentalität und für ein bisschen Mut zur Utopie. Hinzu kommt, dass wir in Braunschweig in einer Forschungsstadt leben – auch deshalb wenden wir uns mit dem Spielplan Zukunftsfragen zu, um Lust am Neuen zu wecken.
 
Welche Themen kommen konkret auf die Bühne?
Wir sind ein Fünfspartenhaus mit einem weit gefächerten Programm in Theater und Konzert, daher nur ein paar Beispiele: Im Musiktheater haben wir den Schwerpunkt zeitgenössische Musik, das ist an sich immer schon eine Forschungsaufgabe, auch in der Vermittlung ans Publikum. Dort wird die kleine Oper "Hanjo" des japanischen Komponisten Toshio Hosokawa aufgeführt und "Dead Man Walking" nach dem gleichnamigen Film, in dem die Todesstrafe thematisiert wird. Im Schauspiel bringen wir "Pfisters Mühle" nach Wilhelm Raabes Buch, das als erster Umweltroman der Geschichte gilt und höchst aktuell ist. Auch setzen wir uns mit dem Mythos Frankenstein auseinander, der Frage nach dem "neuen Menschen" und den ethischen Grenzen der Wissenschaft. Der Tanz geht kreativ mit den Corona-Einschränkungen um und macht mit dem Publikum einen Walk durch sonst nicht zugängliche Bereiche des Theaters. Dabei geht es um die Frage, welche Bedeutung die Gemeinschaft für die Gesellschaft hat.

Ist das Theater gerade besonders politisch?
Ich denke, Theater ist immer politisch. Und ich habe meine Aufgabe auch immer darin gesehen, das Theater als Forum für gesellschaftlich relevante Fragen zu gestalten.
 
Mit welchen neuen Formaten wollen Sie Ihr Haus öffnen, auch ein jüngeres Publikum ansprechen?
Junge Menschen für das Theater zu begeistern ist eine zentrale Aufgabe. Der gehen wir unter anderem mit unserem "Jungen! Staatstheater" quer durch alle Sparten nach. Dort wird jetzt etwa mit Gaming-Formaten experimentiert, im Musiktheater mit Soundinstallationen. Wir versuchen aber auch verstärkt, ein diverseres Publikum anzusprechen, das die Vielfalt der heutigen Gesellschaft spiegelt. Zum Beispiel mit russischen Übertiteln, da es in der Stadt eine große russische Community gibt. Ein spezielles Format ist auch "tanzwärts", das sind partizi­pative Projekte, bei denen generationenübergreifend Laien ohne ­Vorkenntnisse zusammen mit den Tänzern Abende kreieren. Außerdem arbeiten wir verstärkt mit anderen Institutionen der Stadt, wie etwa der HBK, Jüdische Gemeinde, Verein für sexuelle Eman­zipation, Dom und HAUM, zusammen.
 
Verraten Sie uns zum Schluss noch Ihr Lieblingsstück?
"Woyzeck" von Georg Büchner – und natürlich ist auch die gleichnamige Oper von Alban Berg fantastisch.