Nach Ende der Militärherrschaft

Myanmars Kunstszene blüht auf

Unter Jahrzehnte langer Militärherrschaft ist Myanmars Kunstszene fast erstickt. Seit Antritt der Reformregierung 2011 blüht die Kunst auf. Das Goethe-Institut hilft Künstlern an vorderster Front

Mönche und Landschaften, Mädchen mit Blumen - an solchen Bildern hatten die Zensoren unter der Militärjunta in Myanmar nichts auszusetzen. Künstler, die größere Ambitionen hatten, lebten gefährlich. "Wir mussten uns heimlich treffen, dann hat jemand ein Modell für Aktmalerei organisiert", erzählt Malerin Sandar Khine. So etwas galt als subversiv, die Maler wären festgenommen worden, sagt die 43-Jährige. Das Militärregime ließ 2010 nach fast 50 Jahren Militärherrschaft wählen. Die neue Regierung besteht zwar aus Ex-Militärs, sie tragen aber Zivil und betreiben die rasante Öffnung des Landes. Die Zensoren wurden in den Ruhestand geschickt. Seitdem blüht die Kunstszene im ganzen Land auf.

Heute stehen die bunten Acryl-Bilder von Sandar Khine hoch im Kurs. Sie hatte vor zwei Jahren ihre erste Ausstellung in Rangun und zählt nach Einschätzung von Galeristen zu den gefragtesten Künstlern des Landes. Ihre Bilder verkaufen sich für bis zu 4500 Euro. Ihr Markenzeichen, seit den Anfängen mit der heimlichen Aktmalerei: wohlbeleibte Männer und Frauen, deren Körperformen sie mit wenigen Strichen und Schatten darstellt.

"Nach dem Ende der Zensur explodierte zuerst die politische Kunst", sagt Galerist Min Lwin. Jeder habe Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi und ihren Vater, den Unabhängigkeitshelden General Aung San, gemalt. Das Militärregime hatte Suu Kyi totgeschwiegen, schon die Erwähnung ihres Namens wurde geahndet. "Das hat sich gelegt, die Maler widmen sich jetzt öfter kulturellen Tabuthemen." Wie der Aktmalerei. Min Lwin betreibt die Galerie 65 in Rangun.

Unter der Militärherrschaft sei für jede Ausstellung endloser Papierkram nötig gewesen. "Jedes Mal wurden drei, vier Bilder abgelehnt oder umbenannt", sagt er. Die Farbe rot sei problematisch gewesen, weil die Zensoren argwöhnten, dass damit die rote Flagge von Suu Kyis Partei gemeint sein könnte. Auch Frauengestalten wurde streng beäugt, ob sie nicht heimlich Suu Kyi darstellen sollten.

Aung Soe Min startete seine Pansodan-Galerie 2008 in seinem Elternhaus, noch unter der Militärdiktatur. "Wir waren damals der einzige Ort, wo Künstler und Kritiker zusammenkommen konnten", sagt er. "Jetzt gibt es allein in der Innenstadt 30 neue Galerien."

Myanmars Künstler finden langsam auch Anschluss an die internationale Szene. Wie Ko Latt, ein Performance-Künstler, der gerade nach einem Jahr an der Kunsthochschule in Zürich zurückgekehrt ist. "In Europa ist Kunst sehr konzeptionell, hier drücken Künstler noch viel mehr politische Ideen aus", sagt er. Zwei Dutzend Myanmarer konnten im vergangenen Jahr in Hongkong, Singapur, im Linden-Museum in Stuttgart und in Basel ausstellen.

Einen Platz für Kunst schafft auch das Goethe-Institut, das Bundespräsident Joachim Gauck 2014 in Rangun eröffnete. "In 50 Jahren Isolation ist viel kaputt gegangen, man muss die Kunsterziehung wieder aufbauen", sagte Direktor Xaver Augustin. "Es gibt ja nichts mehr: kein nationales Orchester, kein Theater, keine Tanzgruppe."

Die deutsche Kulturorganisation kaufte eine alte Villa, die gerade restauriert wird. Das Institut veranstaltet dort Musikabende, Ausstellungen und hält Workshops etwa über Dokumentarfilmerei ab. "Wir wollen den Künstlern eine Plattform für unkonventionelle Ausdrucksformen bieten - und ohne Zensur", sagt Augustin.

Genau das fürchten aber einige Künstler neuerdings wieder von den Behörden. Im April wurde auf Polizeigeheiß eine Fotoausstellung geschlossen, weil Bilder einen brutalen Polizeieinsatz gegen eine Studentendemonstration zeigten. "Wir Galeristen bekamen Post, dass wir vor Ausstellungen Genehmigungen einholen müssten", sagt Min Lwin.

Verunsichert ist auch Sandar Khine. Sie hat Nacktmodelle mit Ausgaben der Staatszeitung in der Hand gemalt. Sie will die Verunsicherung im Land dokumentieren. "Eigentlich vertraut keiner der Staatspresse", sagt sie. "Früher war das Verbot klar. Nun wissen wir nicht, was sie denken. Das kann gefährlich für uns werden."