Nüchterne neunzig

 

Mit einem Schätzpreis von 1500 Euro wäre dieser silberne Tortenheber eigentlich kein Schnäppchen – handelte es sich nicht um einen Entwurf aus dem Bauhaus Dessau von 1928. Große Geburtstags­torten brauchen nun einmal edle Tortenheber: Das Bauhaus, 1919 in Weimar gegründet, 1925 nach Dessau umgezogen, als privates Berliner Institut 1933 auf Betreiben der Nazis geschlossen, feiert 90. Geburtstag.
Passend zur Einheit von Kunst, Handwerk und Industrie, die in den 20er-Jahren ausgerufen wurde, arbeiten nun zwei Münchner Häuser für eine konzertierte Auktion zusammen. „Von dieser gemeinsamen Veranstaltung profitieren vor allem unsere Kunden“, betont Robert Ketterer, „denn durch unsere Zusammenarbeit wird die Auktion sehr facettenreich.“ Askan Quittenbaum ergänzt, die Kooperation der Auktionshäuser unter dem Titel „bauhaus reloaded“ sei „ein Novum“.
Quittenbaum ist für Einrichtungsgegenstände, Kunsthandwerk und Designobjekte zuständig. Natürlich darf einer von Marcel Breuers legendären Aluminiumstühlen nicht fehlen. Unter den Hammer kommt ein Prototyp mit Sitz und Lehne aus dunklem Buchenholz, der 1933 entstand und zum Schätzpreis von 18 000 Euro angeboten wird. Zwei „Weissenhofstühle“ von Ludwig Mies van der Rohe (12 000 und 15 000 Euro) komplettieren das Angebot an Sitzgelegenheiten.
Ketterer Kunst, Spezialist für Gemälde, Papierarbeiten und Skulpturen, lockt mit einem betont unmartialischen „Krieger im Lederhelm“, einer mit Tempera und Tusche gemalten Arbeit des großen Werbegrafikers Walter Dexel (8000 bis 9000 Euro). Mit Ölfarben auf Hartfaserplatte malte László Moholy-Nagy im Bauhaus-Gründungsjahr 1919 die „Landschaft mit Häusern“: Die dicken, schwarzen Konturen erinnern an Kirchenfenster, mit der „umgekehrten Perspektive“ betont der bedeutende Bauhaus-Lehrer Abstraktion und Flächigkeit der Darstellung.
Eine Grafikmappe zum Schätzpreis von 50 000 bis 70 000 Euro, die das Bauhaus in Weimar 1921 herausgab, enthält „Neue Europäische Graphik“ von berühmten Modernen italienischer oder russischer Provenienz wie Marc Chagall, Gior­gio de Chirico, Alexej von Jawlensky oder Wassily Kandinsky, allesamt Lehrer oder Freunde des Bauhauses.