Zum Tod von Giorgio Armani

Kleider für ein ganzes Leben

Er erfand den Anzug neu und schenkte Hollywood einen eigenen Typus von Eleganz: Giorgio Armani war der König der Mode. Jetzt ist er mit 91 Jahren gestorben – und hinterlässt ein Vermächtnis, das ganze Generationen geprägt hat

Hat man einen Anzug im Schrank, der unaufgeregt edel, klassisch und gleichzeitig außergewöhnlich wirkt – der also wirklich jede Situation mühelos meistert –, dann ist dieser vermutlich von Giorgio Armani. Ohne diesen Namen wäre Mode made in Italy nicht das, was sie heute ist. Ohne ihn gäbe es womöglich keine akzeptablen Kleider für den roten Teppich. Und ohne ihn fehlte diese reduzierte, gerade dadurch so brillante Eleganz. "Il re", der König, wurde der Designer genannt – er galt als einer der letzten, originalen Modetitanen. Jetzt ist Giorgio Armani im Alter von 91 Jahren gestorben.

Am 28. September findet zur Mailänder Modewoche im Palazzo Brera die Schau seiner Marke statt. Die Einladungen dafür sind längst verschickt. Es sollte eine besondere Präsentation zum 50-jährigen Bestehen des Hauses werden, inklusive legendärer Party. Vielleicht wird dieser Abend gerade durch die Absenz des Schöpfers nun für immer einer der wichtigsten, denkwürdigsten. Die letzte Modenschau, die Armani von vorn bis hinten selbst plante.

Schon länger war er von Krankheit gezeichnet, doch bis zuletzt entschied er alles über Video-Anrufe selbst. "Was ich tue, entspringt großer Leidenschaft und einer beinahe manischen Liebe zum Detail", erklärte er einst seine Arbeitsweise. "Meine Vorstellung von Stil ist kristallklar und perfekt ausgeformt — und spiegelt sich in allem wider, was meinen Namen trägt." "Il signore Armani", wie der Modeschöpfer zwischen seinen Kolleginnen und Kollegen Miuccia, Karl und Donatella stets respektvoll genannt wurde, war einer der letzten großen Designer, die ihr eigenes Modehaus aufgebaut und geführt haben –und damit die Branche entscheidend prägten. Armani bot nicht nur Kleider an, sondern eine völlig neue Idee von Silhouette, die es so zuvor nicht gab. Wer schafft das heute noch?

Armanis Anzüge galten als Inbegriff von Zeitgeist

Giorgio Armani wurde am 11. Juli 1934 in Piacenza bei Mailand geboren. 1957 begann er als Schaufensterdekorateur, später als Einkäufer bei der Mailänder Kaufhauskette La Rinascente. Dort traf er auf Nino Cerruti, für dessen Marke er einige Jahre lang Herrenanzüge entwarf. Seine erste eigene Kollektion stellte er 1974 vor. Ein Jahr später gründete er mit seinem Lebensgefährten Sergio Galeotti die Giorgio Armani SpA.

"Weniger ist mehr" ist keines seiner vielen berühmten Zitate. Doch schien es von Anfang an sein Schaffensmotto zu sein. Armani reduzierte: entfernte das Schulterpolster aus dem Herrenjackett, genauso das Futter – dadurch fiel die sonst so steife Jacke viel weicher, lockerer, wirkte auf einmal lässig-elegant. Er setzte die Knopfleisten der Jacken tiefer und ließ die Hosenbeine etwas länger. Es brauchte keine laute Revolution, um alles zu verändern, sondern einzig einige durchdachte Handgriffe. "Stil bedeutet, etwas Kompliziertes auf schlichte Art verständlich zu machen", sagte der Designer einmal – und genau das tat er.

Armanis neu strukturierte Anzüge galten als der Inbegriff von Zeitgeist in den frühen 1980er-Jahren – und das nicht zuletzt dank eines berühmten Testimonials. In "American Gigolo" spielte Richard Gere den Callboy Julian Kaye, dessen stilvolle Erscheinung maßgeblich von Armanis Mode geprägt war: anschmiegsame Sakkos, leichte Hemden, fließende Stoffe in gedeckten Farben. Sinnlich und zugleich subtil. Durch die Leinwandpräsenz erreichte Armani ein Millionenpublikum, seine Anzüge wurden zum Symbol moderner Männlichkeit – und machten ihn endgültig zum international gefeierten Fashion-Star.

 

Seine Vision wirkte weit über die Mode hinaus, stand bald für ein neues Lebensgefühl, in dem Arbeit und Freizeit verschmolzen. Nach dem nine-to-five-job konnte man direkt auf die Straßen gehen, denn die strengen, traditionellen Elemente der alten Büro-Rüstung waren verschwunden. Etwa zeitgleich "armanisierte" der Maestro auch die Garderobe der Frauen. In den 70er- und 80er-Jahren, als diese in Führungspositionen zunehmend sichtbarer wurden, verkörperte der sogenannte "Powersuit" ihren Aufbruch in eine neue Arbeits- und Lebensrealität.

Zwar hatten Designer wie Coco Chanel oder Yves Saint Laurent den Hosenanzug für Frauen bereits zuvor erdacht, doch Armani gelang es, ihn in ihren Alltag zu übersetzen. Dabei blieb er seinem Ansatz treu, setzte auf weiche Linien und geschmeidiges Material. Dieser neue Komfort in Verbindung mit klassischen Elementen der Herrengarderobe erlaubte es den Trägerinnen, sich bislang männlich konnotierte Bereiche zu eigen zu machen. Sie hatten nun die nötige Uniform, um sich in jeglichen Arbeitsfeldern zu behaupten – keine kurzen Röcke, kein Chichi. Weibliche Autorität und Selbstbestimmung, made by Armani.

Beweglichkeit war ein zentrales Stichwort im Repertoire, ein weiteres Markenzeichen: "Greige". Dieser Ton zwischen Beige und Grau wurde zu Signore Armanis Erkennungsfarbe. Zurückhaltend, unaufdringlich, zugleich raffiniert und universell einsetzbar – "Greige" verkörperte eine neue Schlichtheit, fern von schrillem, übertriebenem Glamour. Vermutlich war es auch diese Note, die ihm die Gunst vieler berühmter Filmstars einbrachte. Während vor der Armani-Ära Glitzer und Rüschen die roten Teppiche dominierten, bot die Marke eine erwachsene, zurückgenommene Alternative fern jeder Abschlussball-Extravaganz.

Konsequent guter Geschmack

"Eleganz bedeutet nicht, aufzufallen, sondern in Erinnerung zu bleiben", ist wohl eines seiner berühmtesten Zitate – und positiv einprägsam waren die von ihm eingekleideten Stars fast alle. Ein ikonisches Beispiel: Julia Roberts bei den Golden Globes 1990. Statt in einer funkelnden Robe erschien sie in einem grauen Armani-Zweiteiler inklusive Hemd und Krawatte. 

Der Look war eigentlich aus der Herrenlinie, wurde aber für sie angepasst – und damit zum unvergesslichen Statement. Später rissen sich die Reichen und Berühmten für ihre großen Auftritte um Armani. Stars wie Jodie Foster oder Cate Blanchett gehörten zu seinen treuen Fans, weil er ihnen etwas gab, das viele Designer nicht bieten konnten: konsequent guten Geschmack. 

Neben seinen stilistischen Revolutionen gehörte Armani zu den ersten Designern, die sich ein umfassendes Imperium schufen. Unter seinem Namen entstanden nicht nur Mode-Kollektionen, sondern auch Parfums, Accessoires, eine eigene Interieur-Linie, Restaurants und sogar Hotels. Armani verkaufte weit mehr als einen einzelnen Look, er bot ein ganzes Universum. Dabei lehnte er Überproduktion ab, achtete auf Langlebigkeit und verstand Mode als etwas, das Bestand haben sollte. Seine Kleider waren nie für eine Saison gedacht, sondern für ein Leben. Und genau das ist sein wohl größtes Vermächtnis: Ein Armani-Anzug vergeht nicht.