Albrecht Fuchs in Bielefeld

Wo Künstler zu Menschen werden

Ob John Baldessari in Los Angeles oder Nicole Eisenman in New York: Albrecht Fuchs' Porträts balancieren zwischen Intimität und Distanz. Die Kunsthalle Bielefeld macht daraus ein Panorama der Gegenwartskunst

Raymond Pettibon im Kölner Hotelbett, John Baldessari auf seinem Sofa in Los Angeles, Cecily Brown in ihrem New Yorker Atelier, Luc Tuymans am Tisch in Antwerpen, Jeff Wall neben einer typischen Garage im alten Vancouver, Nicole Eisenman am Zaunpfosten vor einer New Yorker Hausfassade, Isabella Ducrot im Türrahmen ihres römischen Palazzo. Die Zahl der Künstler- und Künstlerinnenporträts, die Albrecht Fuchs im Laufe der vergangenen drei Jahrzehnte fotografiert hat, geht in die Hunderte.

Eine konzentrierte Auswahl von 30 Bildern aus 30 Jahren ist jetzt in der Kunsthalle seiner Heimatstadt Bielefeld zu sehen, ergänzt um einen Videoloop mit weiteren Motiven, die ein visuelles Archiv der Gegenwartskunstszene bilden. Sie alle verbindet eine gekonnte Mischung aus Zurückhaltung und Intimität, die in dem Ausstellungstitel "Nähe in der Distanz" perfekt zum Ausdruck kommt.

In der vertrauten Umgebung des Ateliers oder Wohnraums, des Gartens oder der Nachbarschaft entsteht eine geschützte Atmosphäre, die den Künstler oder die Künstlerin als gewöhnlichen Menschen zeigt, meist ernst und unprätentiös, dabei immer authentisch.

Ein zurückhaltender Chronist der Kunstwelt

Indem der Blick der Abgelichteten zumeist fest auf die Kamera gerichtet ist, entsteht ein innerer Dialog mit dem Betrachter, der interessante Fragen aufwirft: Wie passt das Porträt der Künstlerin zu ihrem Werk? Was sagt die Umgebung über den Künstler aus? Was bedeutet es für die Modelle, sich von kreativen Subjekten in porträtierte "Objekte" zu verwandeln? Welche Aushandlungen, Abstimmungen und Anpassungen, Unter- und Überordnungen vollziehen sich zwischen einem Schöpfer und seinem Geschöpf, das es gewohnt ist, selbst Schöpfer zu sein? Handelt es sich um ein Künstlerporträt - oder vielmehr um eines des Fotografen Albrecht Fuchs?

1964 in Bielefeld geboren, studierte Fuchs an der Gesamthochschule in Essen. Ein längerer New-York-Aufenthalt 1989 hat seinen fotografischen Stil bis heute geprägt. Ob in frühen Auftragsarbeiten für das "FAZ"-Magazin oder in seinen freien Projekten arbeitet Fuchs fast immer mit natürlichen Lichtverhältnissen und einer Mittelformatkamera plus Stativ. Spätestens seit der ersten institutionellen Ausstellung im Museum für Photographie in Braunschweig, die vom Kunsthaus Nürnberg und dem Leopold-Hoesch-Museum in Düren übernommen wurde, gehört Albrecht Fuchs in die erste Riege aktueller Porträtfotografen.

Im Vergleich mit Kolleginnen und Kollegen der älteren Generation wie Angelika Platen, Lothar Wolleh, Roger Melis oder Barbara Klemm, die sich seit den 70er-Jahren auf ein ähnliches Sujet spezialisiert haben, zeigt sich Albrecht Fuchs als zurückhaltender Chronist der Kunstwelt mit zeitgenössischem appeal. In der Tradition der sachlichen Porträtfotografie, wie sie von August Sanders Sozialtypologien geprägt wurde, hat er eine ebenso strenge wie empathische Form des Künstlerporträts entwickelt, die Nähe und Distanz, Intimität und Coolness perfekt austariert.

Ein intellektueller Fotograf

Außer den bildenden Künstlern sind auch einige Galeristinnen, Sammler, Kuratorinnen, aber auch prominente Schauspielende wie Isabella Rossellini, Charlotte Rampling oder Willem Dafoe in der Ausstellung anzutreffen. Für den Betrachter fallen die voyeuristische Frage, wer wohl der Mensch hinter dem Künstler ist, und die humanistische Antwort, dass auch der Künstler nur ein Mensch ist, zusammen.

Ergänzt wird die Auswahl durch aktuelle Auftragsarbeiten, die einen selbstreflexiven Bezug zur Bielefelder Heimat und zum fotografischen Medium haben: darunter ein Porträt des Architekten Adam Caruso, dessen Büro mit der Sanierung und Erweiterung der Kunsthalle betraut ist, ein Porträt von Katharina Bosse, Professorin für Fotografie an der Hochschule Bielefeld, die sich intensiv mit Fragen von Identität, Geschlecht und gesellschaftlicher Sichtbarkeit auseinandersetzt, sowie Gottfried Jäger, Pionier der generativen Fotografie und bedeutender Theoretiker. Damit würdigt die Ausstellung Albrecht Fuchs auch als einen intellektuellen Künstler, für den die Freiheit in der Begrenzung und die Natürlichkeit in der Strenge liegt.