Quarantäne-Hobby

Neue Meister

Eine WG aus Kunstliebhabern versorgt Instagram mit Neukompositionen klassischer Gemälde. Das künstlerische Quarantäne-Hobby begeistert auch ein bekanntes Museum

Eine Frau gießt bedächtig Milch aus einer Kanne in einen Topf. Sie steht am Fenster, neben ihr an der Wand hängt ein Korb, ein weiterer steht auf dem Tischchen mit blauem Tischtuch, darin und daneben liegt Brot. "Dienstmagd mit Milchkrug" von Jan Vermeer, denkt man beim flüchtigen ersten Blick, wie schön. Dann fallen die männlichen Gesichtszüge auf, das breite Kreuz. Der Rock gleicht einer umgebundenen Steppjacke und auf dem Tisch liegt ganz klar ein Frottéhandtuch. 

Gelangweilte Menschen kommen manchmal auf gefährliche Ideen, Langeweile beschwört Zoff herauf, manchmal Schlimmeres. Eine WG aus Connecticut aber erreicht gerade wegen ihrer gemeinschaftlichen Kreativität in der Coronavirus-Krise Berühmtheit "Quarantine-Goals. 4 Mitbewohner, die Kunst lieben ... und auf unbestimmte Zeit unter Quarantäne gestellt werden. Keine Filter, keine Bearbeitung, nur wir und das Zeug in unserem Haus“, steht in der Bio des Instagram-Accounts, gewidmet den Neuinterpretationen klassischer Gemälde. Die Wohngemeinschaft hat ihn "Covid Classics" genannt, eine tägliche Dosis Kunst in der Corona-Ära, so bizarr wie die Zeit, in der sie entsteht. 

Saturn verschlingt ein Plastikbaby

Vor einer Woche posteten Cary, Max, Jeannette und Sam den ersten Klassiker: "Der Tod des Marat" von Jaques-Louis David. Das Original befindet sich in den Königlichen Museen der Schönen Künste in Brüssel. Die Nachahmung findet im WG-Badezimmer statt und zeigt einen der Bewohner in ein Betttuch gehüllt in der Badewanne, ein Handtuch um den Kopf, einen Fleck Ketchup auf der Brust. 66.000 Follower und 14 neu komponierte Alte Meister zählte ihre Galerie bis zum Wochenende. Darunter die Arnolfini Hochzeit in grüner Daunendecke und, das Highlight, "Saturn verschlingt seinen Sohn", in dem ein WG-Mitglied garstig in eine Babypuppe beißt. Hashtag #parenthood

Mittlerweile gibt es viele inspirierte Nachahmer. Auch, weil das Getty Museum in Los Angeles seine isolierten Follower ebenfalls herausgefordert hat, mit drei Gegenständen - oder Menschen - aus dem eigenen Haushalt ein Kunstwerk ihrer Wahl nach zustellen. An das Original der US-WG heran zu kommen, wird aber sicher nicht leicht, der Requisiten-Reichtum der Zimmernachbarn ist offenbar enorm. Glücklich ist, wer Totenkopf, Perücke und einen beachtlichen Vorrat Tischdecken besitzt.